Leitsatz (amtlich)
1. Ist die in der Bekanntmachung benannte Frist zur Bewerbung infolge fehlerhafter Berechnung kürzer als die nach der Verdingungsordnung hierfür vorgesehene Mindestfrist, ist die Rüge eines aus der Bekanntmachung erkennbaren Verstoßes gegen Vergabevorschriften auch dann als rechtzeitig anzusehen, wenn sie von dem Bewerber unverzüglich erhoben wird.
2. Bei der Vergabe von Transportleistungen für Müll darf die Vergabestelle den Einsatz von Subunternehmern von ihrer Zustimmung abhängig machen und den Nachweis einer bestimmten Mindestanzahl von auf den Bewerber zugelassenen Transportfahrzeugen verlangen.
3. Zur Frage der Bindung des Auftraggebers bei der Auswahl unter den Bewerbern, die im Rahmen eines Teilnahmewettbewerbs im nicht offenen Verfahren einen Teilnahmeantrag eingereicht haben.
4. Das Rechtsschutzinteresse, das im Nachprüfungsverfahren für jede Rüge gesondert zu prüfen ist, fehlt, wenn sich aus Gründen, die außerhalb der Rüge liegen, ergibt, daß dem Antragsteller der Zuschlag nicht erteilt werden kann.
Normenkette
GWB § 97 Abs. 2, § 107 Abs. 2 S. 2, Abs. 3; VOL/A § 7a Nr. 3, § 9 Nr. 4
Verfahrensgang
Tenor
I. Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluß der Vergabekammer Nordbayern vom 17. Dezember 1999 wird zurückgewiesen.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 60.000 DM festgesetzt.
Gründe
I.
Die Vergabestelle ist ein öffentlich-rechtlicher Zweckverband zur Verwertung von Abfall. Im Rahmen ihrer Tätigkeit sind ständig erhebliche Mengen von Hausmüll, Sperrmüll und hausmüllähnlichem Gewerbeabfall von verschiedenen Umschlagplätzen im Gebiet des Zweckverbandes zu der Entsorgungseinrichtung des Zweckverbandes (Regeltransporte) oder bei Bedarf zu anderen Entsorgungseinrichtungen in ganz Bayern (Umleitungstransporte) zu transportieren. Die Vergabestelle vergibt diese Transportleistungen jeweils für ein Jahr. Der genaue Wert der Leistungen hängt vom Umfang des anfallenden Abfalls und etwa eintretendem Sonderbedarf ab, liegt aber nach den bisherigen Erfahrungen in der Größenordnung von 1,2 Millionen DM jährlich.
Ende Oktober 1999 forderte die Vergabestelle durch Bekanntmachung im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften und im Bayerischen Staatsanzeiger zur Einsendung von Teilnahmeanträgen im beschleunigten nicht offenen Verfahren bis 8.11.1999 auf. In den Bekanntmachungen ist als Auftragsdauer die Zeit vom 1.1. bis 31.12.2000 genannt, die zu erbringenden Leistungen sind wie folgt beschrieben:
Transport von den Müllumschlagplätzen Bayreuth, Regensburg, Weiden, Hof, Mitterteich, Amberg und Schwandorf des ZMS zu zugelassenen Entsorgungseinrichtungen in Bayern.
Nach Nr. 13 der Bekanntmachung sind den Bewerbungsunterlagen u. a. beizufügen:
- Nachweis über die Anzahl der auf die Bewerberfirma zugelassenen Hakenliftfahrzeuge mit Hänger (Kopie Fahrzeugbriefe). Nach Vorstellung des Auftraggebers ist eine Mindestzahl von sechs Hakenliftfahrzeugen mit Hänger erforderlich.
- Der Auftraggeber geht davon aus, dass die Transportleistungen vom Bewerber selbst durchgeführt werden. Der Einsatz von Subunternehmern ist nur nach schriftlicher Zustimmung durch den Auftraggeber möglich.
Die Vergabestelle sandte den Bekanntmachungstext am 22.10.1999 per Fax an das Amt für amtliche Veröffentlichungen der Europäischen Gemeinschaften, wobei versehentlich in der Leistungsbeschreibung der Umschlagplatz Mitterteich nicht aufgeführt und vor den Worten „zugelassene Entsorgungseinrichtungen” das Wort „anderen” eingefügt war. Dies berichtigte die Vergabestelle mit Fax vom 26.10.1999. Die Veröffentlichung erschien im Supplement des Amtsblatts vom 30.10.1999, wobei als Tag der Absendung der Bekanntmachung derjenige der Berichtigung (26.10.1999) angegeben war. Den Text für die Veröffentlichung im Staatsanzeiger übersandte die Vergabestelle am 27.10.1999 per Fax; er wurde in der Ausgabe vom 29.10.1999 veröffentlicht, wobei entsprechend den Angaben der Vergabestelle unter Nr. 16 als Tag der Übermittlung an das Amt für amtliche Veröffentlichungen der Europäischen Gemeinschaften ausgeführt war: „Die Bekanntmachung wird am 22. Oktober 1999 per Fax abgesandt”.
Die Antragstellerin, die im Jahr 1999 für die Vergabestelle in dem einschlägigen Bereich tätig war, bewarb sich mit Schreiben vom 3.11.1999 für die Durchführung der Transportleistungen. Im Bewerbungsschreiben gab sie an, sie führe solche Leistungen, wie der Vergabestelle bekannt sei, mit Subunternehmern durch. Kopien der Fahrzeugbriefe dieser Unternehmer könne sie nachreichen, alle anderen geforderten Unterlagen seien beigefügt. Am 11.11.1999 wurde der Antragstellerin nach ihren Angaben anläßlich eines Ferngesprächs mitgeteilt, sie könne bei der Bewerbung nicht berücksichtigt werden, insbesondere weil keine Hakenliftfahrzeuge auf sie zugelassen seien. Daraufhin wandte sich die Antragstellerin noch am selben Tag mit einem Fax an die Vergabe stelle, in dem sie ...