Entscheidungsstichwort (Thema)
Örtliche Zuständigkeit in Nachlasssachen: Begründung durch Ablieferung des Testaments beim „nächsten Amtsgericht”
Leitsatz (redaktionell)
1. Wird ein Testament beim „nächsten Amtsgericht” abgeliefert, begründet dies die Zuständigkeit zur Testamentseröffnung nach § 2261 BGB.
2. Der Betreuer, dessen Wirkungskreis die Aufenthaltsbestimmung umfasst, kann den Betreuten auch bei der Aufhebung oder Begründung des Wohnsitzes vertreten.
Normenkette
FGG §§ 72, 73 Abs. 1; BGB §§ 7-8, 1902, 1907, 2259 Abs. 1, § 2261 S. 1
Verfahrensgang
AG Dortmund (Aktenzeichen 10 AR 87/92) |
AG Schweinfurt (Aktenzeichen VI 156/92) |
Tenor
Zuständig ist das Amtsgericht Schweinfurt.
Tatbestand
I.
Die verwitwete Erblasserin ist im Jahr 1992 in einem Altenheim im Bezirk des Amtsgerichts Schweinfurt verstorben. Dorthin war sie aus Dortmund, wo sie ihre Wohnung hatte, auf Veranlassung der für sie am 2.12.1991 bestellten Pflegerin gebracht worden. Seit dem 17.10.1991 hatte für die Erblasserin eine Gebrechlichkeitspflegschaft mit dem Wirkungskreis der Vermögenssorge, Aufenthaltsbestimmung und Zustimmung zu ärztlichen Heilbehandlungen bestanden. Das Vormundschaftsgericht Dortmund hat der Pflegerin mit Beschluß vom 30.12.1991, der am 2.1.1992 hinausgegeben wurde, die Genehmigung erteilt, das Mietverhältnis der Erblasserin in Dortmund zu kündigen und ihren Hausstand aufzulösen.
Der Sohn der Erblasserin (Beteiligter) hat am 28.2.1992 beim Nachlaßgericht Schweinfurt zwei handschriftliche, von der Erblasserin unterzeichnete Testamentsurkunden vorgelegt und die Durchführung eines Nachlaßverfahrens zur Erteilung eines Erbscheins angeregt.
Mit Verfügung vom 6.3.1992 übersandte der Rechtspfleger des Nachlaßgerichts Schweinfurt die Akten „zuständigkeitshalber” an das Nachlaßgericht Dortmund. Er hält sich nicht für zuständig, da die Pflegerin/Betreuerin, deren Wirkungs/Aufgabenkreis nicht die Wohnsitzbestimmung umfaßt habe, den Wohnsitz der geschäftsunfähigen Erblasserin nicht habe ändern können. Das Nachlaßgericht Dortmund, bei dem der Beteiligte am 11.3.1992 einen Erbschein beantragt hatte, lehnte mit Verfügung vom selben Tag die Übernahme ab mit der Begründung, die Erblasserin habe nur im Bezirk des Nachlaßgerichts Schweinfurt einen Wohnsitz gehabt. Die Akten sind dem Nachlaßgericht Schweinfurt zurückgesandt worden. Dieses hat sie am 18.3.1992 erneut dem Nachlaßgericht Dortmund zugeleitet.
Nunmehr erklärte sich das Amtsgericht Dortmund durch Beschluß vom 19.3.1992 örtlich unzuständig „für die Eröffnung der Testamente” und sandte die Akten wiederum an das Nachlaßgericht Schweinfurt zurück. Dieses hat sich durch Beschluß vom 2.4.1992 für unzuständig erklärt und die Akten dem Bayerischen Obersten Landesgericht zur Bestimmung des zuständigen Gerichts gemäß § 5 FGG „hinsichtlich der Zuständigkeit für die Testamentseröffnungen und für das Nachlaßverfahren” vorgelegt.
Die Betreuungsakten des Amtsgerichts Dortmund
… wurden beigezogen.
Entscheidungsgründe
II.
1. Das Bayerische Oberste Landesgericht ist zur Entscheidung des Zuständigkeitsstreits berufen (§ 5 Abs. 1 Satz 1, § 199 Abs. 1 und 2 Satz 2 FGG, Art. 11 Abs. 3 Nr. 1 AGGVG; BayObLGZ 1983, 26/27). Zuerst mit der Sache befaßt war das im Freistaat Bayern gelegene Nachlaßgericht Schweinfurt, bei dem der Beteiligte die Testamente der Erblasserin vorgelegt (§ 2259 Abs. 1 BGB) und die Durchführung eines Nachlaßverfahrens angeregt hat. Daran ändert auch nichts, daß der förmliche Erbscheinsantrag beim Nachlaßgericht Dortmund gestellt wurde, denn dieses hat den Antrag lediglich zur sofortigen Weitergabe an das für zuständig gehaltene Nachlaßgericht Schweinfurt aufgenommen (vgl. Bassenge/Herbst FGG/RPflG 6.Aufl. Anm. 2 b, Bumiller/Winkler FGG 5.Aufl. Anm. 3 aa, jeweils zu § 5 FGG m.w.Nachw.).
2. Die Voraussetzungen einer Zuständigkeitsbestimmung gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 FGG sind gegeben. Jedes der beiden Amtsgerichte, von denen eines das zuständige Nachlaßgericht ist (§ 73 Abs. 1 FGG), erachtet nicht sich, sondern das andere Gericht für zuständig (BayObLGZ 1984, 289/290; Bassenge/Herbst § 5 FGG Anm. 1 a aa). Die Vorschrift des § 5 Abs. 1 Satz 1 FGG ist auch unmittelbar anwendbar, wenn sich Rechtspfleger über die örtliche Zuständigkeit der Gerichte, denen sie angehören, nicht einigen können (BayObLG NJW-RR 1989, 262/263 m.w.Nachw.).
3. Für die Eröffnung der Testamente war und ist das Amtsgericht Schweinfurt schon nach § 2261 Satz 1 BGB, § 72 FGG zuständig. Diese obliegt dem Amtsgericht, in dessen amtlicher Verwahrung sich die Testamente befinden, nämlich auch dann, wenn es nicht das gemäß § 73 FGG zuständige Nachlaßgericht ist. Die Testamente der Erblasserin gelangten in den amtlichen Gewahrsam des Amtsgerichts Schweinfurt, als der Sohn der Erblasserin, seiner gesetzlichen Verpflichtung nach § 2259 Abs. 1 BGB entsprechend, diese unverzüglich beim „nächsten Amtsgericht” (vgl. Palandt/Edenhofer BGB 51.Aufl. § 2259 Rn. 3) in Schweinfurt ablieferte. Die „besondere amtliche Verwahrung” im Sinn der §§ 2248, 2258 ...