Entscheidungsstichwort (Thema)

Wohnungseigentumssache: Rechtsmittel gegen Kostenentscheidung nach Rücknahme der Beschwerde

 

Verfahrensgang

LG München I (Entscheidung vom 26.02.1997; Aktenzeichen 1 T 20398/96)

AG München (Entscheidung vom 30.09.1996; Aktenzeichen UR II 522/96)

 

Tenor

I. Auf die sofortige weitere Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluß des Landgerichts München I vom 26. Februar 1997 in Nr. I abgeändert.

II. Die Antragsgegner haben als Gesamtschuldner die außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin im Beschwerdeverfahren zu erstatten.

III. Der Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 300 DM festgesetzt.

 

Gründe

I.

Die Antragstellerin und die Antragsgegner sind die Wohnungseigentümer einer Wohnanlage. Der Bruder der Antragstellerin war als Hausmeister angestellt. In dem Einladungsschreiben zur Eigentümerversammlung vom 18.6.1996 ist als Tagesordnungspunkt (TOP) 10 angegeben, daß der Hausmeisterposten neu zu vergeben ist.

In der Versammlung wurde die Antragstellerin durch ihren Bruder vertreten. Bei der Abstimmung über den Antrag zu TOP 10, den Hausmeistervertrag mit diesem ordnungsgemäß und fristgerecht zu kündigen, stellte der Versammlungsleiter 167/1000 Ja-Stimmen gegen 144/1000 Nein-Stimmen bei 557/1000 Stimmenthaltungen fest; die Nein-Stimme des Bruders der Antragstellerin, der 57/1000 Anteile zustehen, zählte der Versammlungsleiter wegen Interessenkollision und fehlender Stimmberechtigung nicht mit.

Die Antragstellerin hat am 19.6.1996 beantragt festzustellen, daß der Antrag zu TOP 10 abgelehnt worden sei. Das Amtsgericht hat das Begehren als Anfechtungsantrag ausgelegt und den Eigentümerbeschluß mit Beschluß vom 30.9.1996 für ungültig erklärt. Der Bruder der Antragstellerin sei als deren Vertreter nicht von der Abstimmung ausgeschlossen gewesen, auch wenn die Beschlußfassung auf die Vornahme eines Rechtsgeschäfts mit ihm, nämlich die Kündigung des Hausmeistervertrags, gerichtet gewesen sei. Denn er habe nach einer bestimmten Weisung der Antragstellerin abstimmen müssen, diese selbst hätte aber mit abstimmen dürfen. Damit habe der Antrag keine Mehrheit gefunden.

Die Antragsgegner haben gegen die Entscheidung des Amtsgerichts sofortige Beschwerde eingelegt und sie begründet. Auf die vor Terminsbestimmung gestellte Anfrage des Gerichts, „ob die Beschwerde duchgeführt werden soll”, haben sie diese zurückgenommen.

Das Landgericht hat mit Beschluß vom 26.2.1997 den Antragsgegnern die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens auferlegt; die Erstattung außergerichtlicher Kosten hat es nicht angeordnet. Die Antragstellerin hat „sofortige Beschwerde” eingelegt; sie beantragt, den Antragsgegnern auch ihre außergerichtlichen Kosten im Beschwerdeverfahren aufzuerlegen.

II.

1. Das Rechtsmittel ist als sofortige weitere Beschwerde gemäß § 43 Abs. 1 WEG, § 20a Abs. 2, § 27 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 FGG zulässig. Die erforderliche Beschwer ist erreicht; die Antragstellerin hat mit den von ihr vorgelegten Anwaltsschreiben nachvollziehbar dargelegt, daß ihr im Zusammenhang mit dem Beschwerdeverfahren außergerichtliche Kosten (Kosten für anwaltschaftliche Beratung, etwa nach § 20 oder § 118 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO) von mehr als 200 DM erwachsen sind.

2. Das Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg.

a) Das Landgericht hat ausgeführt: Grundsätzlich erscheine es angebracht, daß derjenige, der ein Rechtsmittelverfahren in Gang gesetzt hat, nicht nur die Gerichtskosten zu tragen, sondern auch die einem anderen Beteiligten entstandenen außergerichtlichen Kosten zu erstatten habe, wenn er das Rechtsmittel zurücknimmt; nur besondere Umstände könnten eine andere Beurteilung rechtfertigen. Solche Umstände lägen hier vor. Der Ausgang des Verfahrens sei ungewiß gewesen, da eine bisher obergerichtlich noch nicht entschiedene Frage zu beurteilen gewesen wäre.

Das Rechtsmittel sei noch vor Terminsbestimmung zurückgenommen worden, nachdem die Antragsgegner zunächst das Ruhen des Verfahrenes beantragt hätten, mit dem die Antragstellerin nicht einverstanden gewesen sei. Zudem sei die Antragstellerin auch nicht durch einen Rechtsanwalt vertreten gewesen, so daß der Anfall außergerichtlicher Kosten nicht ersichtlich sei.

b) Die Entscheidung des Landgerichts ist nicht frei von Rechtsfehlern.

(1) Nach der Zurücknahme der sofortigen Beschwerde hatte das Landgericht noch gemäß § 47 WEG nach billigem Ermessen über die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu entscheiden. Das Rechtsbeschwerdegericht kann diese Entscheidung nur daraufhin überprüfen, ob der Tatrichter die Grenzen des ihm eingeräumten Ermessens überschritten, insbesondere ob er wesentliche Gesichtspunkte außer acht gelassen, sich mit den Denkgesetzen in Widerspruch gesetzt oder sonst von seinem Ermessen einen dem Sinn und Zweck des Gesetzes widersprechenden Gebrauch gemacht hat (vgl. BayObLG WE 1993, 285 m.w.N. und ständige Rechtsprechung).

(2) Das Landgericht hat hier wesentliche Gesichtspunkte außer acht gelassen und von seinem Ermessen einen dem Sinn und Zweck des Gesetze...

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