Leitsatz (amtlich)

Zu den Voraussetzungen der Einsichtnahme in die Sterbebücher des Standesamts zum Zwecke einer zeitgeschichtlichen Dokumentation.

 

Verfahrensgang

LG Ansbach (Beschluss vom 18.03.2004; Aktenzeichen 4 T 821/03)

AG Ansbach (Aktenzeichen 3 UR III 1/03)

 

Tenor

Die sofortige weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1) gegen den Beschluss des LG Ansbach vom 18.3.2004 wird zurückgewiesen.

 

Gründe

I.1. Herr H., ein Bürger der Stadt A. (Beteiligte zu 1)), hat ein Gedenkbuch für die Opfer von Krieg und Gewalt erstellt. Er beantragte zum Zwecke der Abgleichung der Daten der Kriegsopfer der Stadt A. Einsicht in die Sterbebücher des Standesamts der Stadt A.

Der Standesbeamte wies diesen Antrag unter Hinweis auf § 61 PStG zurück. Den daraufhin an das AG gerichteten Antrag des Herrn H., den Standesbeamten anzuweisen, seinem Einsichtsersuchen stattzugeben, wies das AG am 13.6.2001 zurück. Zur Begründung führte das AG im Wesentlichen aus, nach § 61 Abs. 1 PStG hätten Privatpersonen nur insoweit ein Recht auf Einsichtnahme in die Personenstandsbücher, als sich der Eintrag auf sie selbst, ihre Ehegatten, Vorfahren oder Abkömmlinge beziehe. Andere Personen hätten nur dann ein Recht auf Einsicht, wenn sie ein rechtliches Interesse glaubhaft machten. Ein solches rechtliches Interesse bestehe jedoch nicht; private Forschungszwecke begründeten kein rechtliches Interesse.

2. Die Beteiligte zu 1), in deren Besitz sich mehrere Exemplare des von Herrn H. erstellten Gedenkbuches befanden, beantragte nach Ablehnung des Einsichtsantrags des Herrn H. bei dem Standesamt A., Bediensteten des Städtischen Archivs zwecks Vervollständigung und Aktualisierung der von Herrn H. in Form eines Gedenkbuches für die Opfer von Krieg und Gewalt erstellten zeitgeschichtlichen Dokumentation Einsicht in die Sterbebücher des Standesamts A. für den Zeitraum vom 1.9.1939 bis 31.12.1956 zu gewähren. Diesen Antrag lehnte der Standesbeamte der Stadt A. am 12.8.2003 ab.

Die Beteiligte zu 1) beantragte daraufhin bei dem AG, den Standesbeamten anzuweisen, die erbetene Einsicht zu gewähren. Mit Beschluss vom 21.10.2003 hat das AG den Standesbeamten angehalten, den Bediensteten des Städtischen Archivs der Beteiligten zu 1) zum Zwecke der Vervollständigung und Aktualisierung der von Herrn H. in Form eines Gedenkbuchs für die Opfer von Krieg und Gewalt erstellten zeitgeschichtlichen Dokumentation sowie der Erfassung der bisher unbekannten Opfer und der in Gefangenschaft Verstorbenen Einsicht in die Sterbebücher des Standesamts A. für den Zeitraum vom 1.9.1939 bis 31.12.1956 zu gewähren.

Gegen diesen Beschluss des AG hat die Standesamtsaufsichtsbehörde (Beteiligte zu 2)) sofortige Beschwerde eingelegt. Auf die sofortige Beschwerde hat das LG mit Beschluss vom 18.3.2004 den Beschluss des AG vom 21.10.2003 aufgehoben und den Antrag auf Anweisung des Standesbeamten zurückgewiesen.

Gegen die ihr am 16.4.2004 zugestellte Entscheidung des LG hat die Beteiligte zu 1) mit Schreiben vom 26.4.2004, bei dem Bayerischen Obersten LG eingegangen am 27.4.2004, sofortige weitere Beschwerde eingelegt. Die Beteiligte zu 2) hat Zurückweisung des Rechtsmittels beantragt.

II.1. Die sofortige weitere Beschwerde der Standesamtsaufsichtsbehörde ist zulässig (§ 45 Abs. 1, § 49 Abs. 1 S. 1, Abs. 2, § 48 Abs. 1 PStG; § 27 Abs. 1, § 29 Abs. 1 S. 1 und 3, Abs. 2 und 4, § 22 Abs. 1 FGG).

2. Der Standesbeamte ist im Verfahren der weiteren Beschwerde ebenso wie im Beschwerdeverfahren nicht formell oder materiell Beteiligter (Johansson/Sachse, Anweisung- und Berichtigungsverfahren in Personenstandssachen, Rz. 1054, 1447).

3. Das LG hat im Wesentlichen ausgeführt, der Standesbeamte sei nicht verpflichtet, der Beteiligten zu 1) die beantragte Einsicht zu gewähren. Nach § 61 PStG könne Einsicht in die Personenstandsbücher bzw. Durchsicht dieser Bücher von Behörden im Rahmen ihrer Zuständigkeit verlangt werden. Der Zweck der Einsichtnahme im vorliegenden Fall bewege sich jedoch nicht innerhalb der Zuständigkeit der Beteiligten zu 1). Zwar gehöre die Kultur- und Archivpflege gem. Art. 57 Abs. 1 S. 1 der Gemeindeordnung für den Freistaat Bayern (GO) zu den Aufgaben des eigenen Wirkungskreises der Gemeinde; dementsprechend sehe Art. 13 Bayerisches Archivgesetz (BayArchivG) auch kommunale Archive vor. Zum Aufgabenbereich der Gemeinde gehöre jedoch nicht der vorliegende Fall einer Vervollständigung und Aktualisierung von Daten eines Privatmanns, auch wenn dessen Arbeit letztlich im Interesse der Gemeinde liege. Das Personenstandsgesetz sehe eine Einsichtnahme privater Dritter in die Personenstandsbücher zu wissenschaftlichen Zwecken nicht vor. Die von der Beteiligten zu 1) angestrebte Einsichtnahme zum Zwecke der Herausgabe von Daten an Herrn H. wäre eine unzulässige Umgehung des Gesetzes.

4. Die Entscheidung des LG hält der rechtlichen Nachprüfung (§ 27 Abs. 1 FGG, § 546 ZPO) stand.

a) In Personenstandssachen geht § 61 PStG dem § 34 FGG vor (Keidel/Kahl, FGG, 15. Aufl., § 34 Rz. 6). Mit den Regelungen des § 61 P...

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