Leitsatz (amtlich)
Die beim Deutschen Patent- und Markenamt gebildete Schiedsstelle nach dem Verwertungsgesellschaftengesetz ist berechtigt, den Antrag einer Verwertungsgesellschaft auf Durchführung einer selbständigen empirischen Untersuchung abzulehnen, wenn der Untersuchungsgegenstand nicht geeignet ist, den nach dem Urheberrechtsgesetz für die Vergütungshöhe maßgeblichen Umfang der Nutzung von Geräten und Speichermedien zu ermitteln (hier: Umfang der Nutzung von Clouds für im Rahmen der Privatkopieausnahme zulässige Vervielfältigungen).
Tenor
I. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung wird als unbegründet zurückgewiesen.
II. Der Geschäftswert des Verfahrens wird auf 250.000,00 EUR festgesetzt.
III. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
A. Verwertungsgesellschaften im Sinne des § 2 des Gesetzes über die Wahrnehmung von Urheberrechten und verwandten Schutzrechten durch Verwertungsgesellschaften (Verwertungsgesellschaftengesetz - VGG) vom 24. Mai 2016 sind verpflichtet, aufgrund der von ihnen wahrgenommenen Urheberrechte und verwandten Schutzrechte jedermann auf Verlangen zu angemessenen Bedingungen Nutzungsrechte durch den Abschluss von Einzelverträgen einzuräumen (§ 34 Abs. 1 Satz 1 VGG) und mit Nutzervereinigungen Gesamtverträge zu angemessenen Bedingungen abzuschließen (§ 35 VGG). Die Einzel- und Gesamtverträge haben unter anderem eine angemessene Vergütung der Nutzungen vorzusehen (§ 34 Abs. 1 Satz 2 VGG, der auch im Rahmen des § 35 VGG anzuwenden ist). Soweit keine Gesamtverträge abgeschlossen sind, sind die Verwertungsgesellschaften verpflichtet, über die Vergütung, die sie aufgrund der von ihnen wahrgenommenen Rechte fordern, Tarife aufzustellen (§ 38 Satz 1 VGG). Soweit Gesamtverträge geschlossen sind, gelten die darin vereinbarten Vergütungssätze als Tarife (§ 38 Satz 2 VGG). Nach § 93 VGG können Verwertungsgesellschaften die bei dem Deutschen Patent- und Markenamt gebildete (§ 124 Abs. 1 i.V.m. § 75 Abs. 1 VGG) Schiedsstelle anrufen, um eine selbständige empirische Untersuchung zur Ermittlung der für die Höhe der Vergütung maßgeblichen Nutzungen durchführen zu lassen. Für das nicht streitige Verfahren gelten die Bestimmungen der §§ 112 bis 114 VGG.
Die Urheber von Werken, welche nach ihrer Art eine Vervielfältigung zu privaten oder sonstigen erlaubnisfrei zulässigen Zwecken erwarten lassen, haben gemäß § 54 Abs. 1 UrhG (Gesetz über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte - Urheberrechtsgesetz in den Fassungen vom 26. Oktober 2007, gültig bis 28. Februar 2018, und vom 1. September 2017, gültig ab 1. März 2018) einen Anspruch auf angemessene Vergütung gegen die Hersteller von Geräten und von Speichermedien, deren Typ allein oder in Verbindung mit anderen Geräten, Speichermedien oder Zubehör zur Vornahme solcher Vervielfältigungen benutzt wird. Dies stellt einen Ausgleich dafür dar, dass der Urheber die Beschränkung seiner Rechte nach § 53 Abs. 1 und 2 UrhG bzw. nach §§ 60a bis 60f UrhG in gewissem Umfang hinzunehmen hat und ihm hinsichtlich der privilegierten Vervielfältigungen individualvertragliche Lizenzeinnahmen entgehen. Die Höhe der Vergütung richtet sich nach § 54a UrhG und bestimmt sich danach, in welchem Maß die in § 54 Abs. 1 UrhG bezeichneten Geräte und Speichermedien als Typen für privilegierte Vervielfältigungen genutzt werden. Neben dem Hersteller haften Händler und Importeure der Geräte oder Speichermedien gesamtschuldnerisch für die Vergütung nach Maßgabe des § 54b UrhG. Für den Fall, dass keine Vereinbarung über die Vergütungssätze durch Abschluss eines Gesamtvertrags getroffen ist und somit grundsätzlich eine Verpflichtung zur Aufstellung eines Tarifs besteht, ordnet § 40 VGG an, dass der Tarif auf der Grundlage einer empirischen Untersuchung aus einem Verfahren gemäß § 93 VGG zu bilden ist.
Die Antragstellerin ist ein Zusammenschluss von neun deutschen Verwertungsgesellschaften in der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts. Als solche ist sie eine abhängige Verwertungseinrichtung im Sinne des § 3 Abs. 1 VGG. Die in ihr zusammengeschlossenen Verwertungsgesellschaften haben die ihnen zur Wahrnehmung übertragenen Vergütungsansprüche für Vervielfältigungen von Audiowerken und audiovisuellen Werken unter Abtretung an die Antragstellerin in die Gesellschaft eingebracht. Zu ihrem Gesellschaftszweck gehört es, die Vergütungs-, Melde- und Auskunftspflichten, die gemäß §§ 54, 54b, 54e, 54f UrhG den Herstellern, Importeuren und Händlern von Geräten und Speichermedien für die Möglichkeit der Vervielfältigung von Audiowerken und audiovisuellen Werken zum privaten oder sonstigen eigenen Gebrauch obliegt, gemäß § 54h Abs. 1 VGG geltend zu machen. Soweit sie danach die Tätigkeiten einer Verwertungsgesellschaft ausübt, gelten die Bestimmungen des Verwertungsgesellschaftengesetzes entsprechend, § 3 Abs. 2 VGG.
Die Antragstellerin ist der Ansicht, aufgrund der Nutzung von Clouds für erlaubte Vervielfältigungen urheberrechtlich geschützter Werke und Leistungen bestünden von ihr wahrzune...