Entscheidungsstichwort (Thema)
Wohnungseigentumssache. Ungültigerklärung eines Eigentümerbeschlusses
Verfahrensgang
AG Kempten (Aktenzeichen 5 UR II 167/90) |
LG Kempten (Aktenzeichen 4 T 804/91) |
Tenor
I. Auf die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegner wird der Beschluß des Landgerichts Kempten (Allgäu) vom 9. Juli 1991 aufgehoben.
II. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Landgericht zurückverwiesen.
III. Der Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 24.844 DM festgesetzt. In gleicher Höhe wird der Geschäftswert für das Verfahren beim Amtsgericht festgesetzt. Nr. 3 des Beschlusses des Amtsgerichts Kempten vom 28. Februar 1991 wird entsprechend abgeändert.
Gründe
I.
Die Antragstellerin und die Antragsgegner sind die Wohnungseigentümer einer aus mehreren Gebäuden bestehenden Wohnanlage, die von der weiteren Beteiligten verwaltet wird. Der Antragstellerin gehört eine Dachterrassenwohnung (Penthouse).
In der Teilungserklärung ist bestimmt, daß der „benutzbare Raum” der Dachterrassen wie die Balkone und Loggien nicht zum gemeinschaftlichen Eigentum, sondern zum Sondereigentum des Penthouse gehört, mit dem er eine bauliche Einheit bildet.
Die Dachterrasse der Antragstellerin wurde nach ihrer Erstellung im Jahre 1973 mit Humus belegt und mit Sträuchern und Büschen bepflanzt. Im Jahr 1986 drang durch die Dachterrasse des Nachbarhauses Wasser in die darunter liegende Wohnung ein. Bei der Reparatur der Dachterrasse wurde festgestellt, daß Wurzelwerk in den Estrich eingedrungen war.
Mit bestandskräftigem Eigentümerbeschluß vom 22.11.1988 wurde die Antragstellerin daraufhin verpflichtet, sämtliche auf der Dachterrasse gesetzten Pflanzen, Sträucher und Bäume auf ihre Kosten zu beseitigen. Die Antragstellerin kam diesem Beschluß nach, beließ aber den Humus auf der Dachterrasse. Die Wohnungseigentümer faßten deshalb am 14.11.1990 folgenden Beschluß:
Der Penthouse-Eigentümer … hat im Nachgang zur wirksam beschlossenen und vollzogenen Beseitigung von Pflanzen und Sträuchern auf der Dachterrasse sämtlichen Humus und sämtliches Erdreich bis zum Estrich bzw. zur Dachhaut auf seine Kosten und seine Haftung dauerhaft zu entfernen.
Am 11.12.1990 hat die Antragstellerin beantragt, diesen Beschluß für ungültig zu erklären. Das Amtsgericht hat mit Beschluß vom 28.2.1991 dem Antrag stattgegeben. Das Landgericht hat mit Beschluß vom 9.7.1991 die sofortige Beschwerde der Antragsgegner zurückgewiesen. Dagegen richtet sich ihre sofortige weitere Beschwerde.
II.
Das Rechtsmittel ist begründet. Die Entscheidung des Landgerichts beruht auf einer Verletzung seiner Aufklärungspflicht; dieser Verfahrensmangel führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht.
1. Die Aufhebung des landgerichtlichen Beschlusses und die Zurückverweisung zur erneuten Verhandlung und Entscheidung ergibt sich nicht bereits zwingend daraus (§ 27 Abs. 1 Satz 2 FGG, §§ 550, 551 Nr. 5 ZPO; vgl. BayObLGZ 1973, 145/146 f.; BayObLG WuM 1989, 36/37, jeweils m.w.Nachw.; BayObLG WuM 1991, 131/132), daß es das Landgericht unterlassen hat, die Verwalterin ordnungsgemäß am Beschwerdeverfahren zu beteiligen.
An dem Verfahren nach § 43 Abs. 1 Nr. 4 WEG über die Gültigkeit eines Beschlusses der Wohnungseigentümer sind gemäß § 43 Abs. 4 Nr. 2 WEG die Wohnungseigentümer und der Verwalter zu beteiligten. Wer materiell beteiligt ist, muß auch formell beteiligt, also zum Verfahren zugezogen werden. Die Notwendigkeit der Beteiligung ergibt sich auch aus § 45 Abs. 2 Satz 2 WEG, wo bestimmt ist, daß die gerichtliche Entscheidung für alle Beteiligten bindend ist. Sie ist außerdem ein Gebot der Gewährung rechtlichen Gehörs gemäß Art. 103 GG und der Sachaufklärung nach § 12 FGG (BayObLG WuM 1989, 37 und 1991, 131/132).
Das Landgericht hat ebenso wie das Amtsgericht die ergangene Entscheidung der Verwalterin nicht zugestellt. Außerdem sind die eingegangenen Schriftsätze ihr nicht mitgeteilt worden. Nicht ausreichend ist es, daß diese ihr vom Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegner als Zustellungsvertreterin der übrigen Wohnungseigentümer zugeleitet worden sind. Das Amtsgericht und das Landgericht haben die Verwalterin lediglich zum Termin geladen.
Der absolute Aufhebungsgrund nach § 27 Abs. 1 Satz 2 FGG, §§ 550, 551 Nr. 5 ZPO ist aber nur dann gegeben, wenn ein Beteiligter überhaupt nicht zu dem Verfahren hinzugezogen wurde, d. h. bei völliger Versagung des rechtlichen Gehörs (BayObLGZ 1988, 356/358; Jansen FGG 2. Aufl. § 27 Rn. 34; Stein-Jonas/Grunsky ZPO 20. Aufl., § 551 Rn. 20). Ein solcher Fall liegt hier nicht vor, weil die Verwalterin jedenfalls zum Termin zur mündlichen Verhandlung geladen worden ist. Die unvollständige Beteiligung ist damit nur ein Verstoß gegen die Pflicht des Gerichts, rechtliches Gehör zu gewähren (Art. 103 Abs. 1 GG). Auf diesen Verfahrensmangel braucht aber nicht weiter eingegangen zu werden, weil die Entscheidung des Landg...