Entscheidungsstichwort (Thema)
Voraussetzungen für Zuständigkeitsbestimmung
Leitsatz (amtlich)
1. Eine Zuständigkeitsbestimmung nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO setzt voraus, dass verschiedene Gerichte, von denen eines für den Rechtsstreit zuständig ist, sich "rechtskräftig" für unzuständig erklärt haben. Diese Anforderung wird durch Verweisungen nach § 281 Abs. 1 ZPO und sonstige die Zuständigkeit abschließend verneinende Entscheidungen erfüllt, nicht jedoch durch interne Abgaben und Aktenweiterleitungen oder Aktenrücksendungen.
2. Darüber hinaus ist erforderlich, dass die Zuständigkeitsverneinung allen Parteien des Rechtsstreits mitgeteilt worden ist, denn erst dann kann sie als wirksam angesehen werden (ebenso BGH BeckRS 9998, 14874).
3. Die Bindungswirkung eines Verweisungsbeschlusses entfällt nicht deshalb, weil der Beschluss nicht mit einer fallbezogenen Begründung versehen ist. Jedenfalls dann, wenn eine Partei zu der Rechtsauffassung des verweisenden Gerichts nicht Stellung nimmt, obwohl sie dazu Gelegenheit hatte, genügt es, dass sich die Begründung für die Verweisung aus dem Akteninhalt erschließt; ein schwerwiegender Verstoß, der die Bindungswirkung entfallen lässt, liegt unter diesen Umständen nicht vor (ebenso BGH BeckRS 2014, 17303 Rn. 9).
Normenkette
EGZPO § 9; ZPO §§ 12-13, 36 Abs. 1 Nr. 6, § 281 Abs. 1
Tenor
Eine Zuständigkeitsbestimmung wird zum gegenwärtigen Zeitpunkt abgelehnt.
Gründe
I. Die im Bezirk des Amtsgerichts Miesbach wohnende Klägerin hat ein Mahnverfahren vor dem Amtsgericht Coburg als Mahngericht für die Bezirke aller Amtsgerichte in Bayern (vgl. § 5 Abs. 1 RZVJu) gegen die im Bezirk des Amtsgerichts Neukölln wohnende Beklagte eingeleitet, in dem sie eine Hauptforderung aus "Warenlieferung/ -en gem. Kauf Tasche vom 28. 09. 18" i. H. v. 340,00 EUR geltend gemacht hat. Als Prozessgericht hat sie das Amtsgericht Coburg angegeben. Gegen den am 19. Februar 2019 zugestellten Vollstreckungsbescheid hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 2. Mai 2019 Einspruch eingelegt und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sowie die Einstellung der Zwangsvollstreckung beantragt. Daraufhin hat die Mahnabteilung des Amtsgerichts Coburg das Verfahren an die Zivilabteilung dieses Gerichts abgegeben, wo die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung einstweilen bis zur Entscheidung über den Wiedereinsetzungsantrag und den damit verbundenen Einspruch eingestellt worden ist.
Mit Verfügungen vom 10. Mai 2019 hat das Amtsgericht Coburg die Klägerin aufgefordert, den Anspruch binnen zwei Wochen zu begründen, und die Parteien darauf hingewiesen, dass gegen seine örtliche Zuständigkeit Bedenken bestünden. Es komme nicht darauf an, dass das Amtsgericht Coburg - Zentrales Mahngericht - einen Vollstreckungsbescheid erlassen habe; ausschließlich zuständig sei das Gericht, das im Streitverfahren örtlich und sachlich zuständig sei; das sei nicht das Amtsgericht Coburg, da die Beklagte hier nicht ihren Wohnsitz habe. Nach § 13 ZPO komme eine Zuständigkeit des Amtsgerichts Berlin [sic] in Betracht; wegen der noch nicht erfolgten Anspruchsbegründung sei nicht ersichtlich, ob die Zuständigkeit eines anderen Gerichts ebenfalls in Betracht komme. Das Gericht hat der Klägerin unter Fristsetzung bis 16. Mai 2019 Gelegenheit gegeben, hierzu Stellung zu nehmen und mitzuteilen, ob ein Verweisungsantrag gestellt werde. Außerdem hat es der Beklagten Gelegenheit gegeben, sich binnen gleicher Frist dazu zu äußern, ob bei einem eventuellen Verweisungsantrag Einverständnis mit der Verweisung bestehe, und gemäß § 504 ZPO darauf hingewiesen, dass es bei rügeloser Verhandlung zur Hauptsache zuständig werde. Daraufhin hat die Klägerin mit Anwaltsschriftsatz vom 16. Mai 2019 die Verweisung des Rechtsstreits an das Amtsgericht Neukölln beantragt. Die Beklagte hat mit Anwaltsschriftsatz vom 20. Mai 2019 die Unzuständigkeit des Amtsgerichts Coburg gerügt und sich mit einer Verweisung an das zuständige Amtsgericht in Berlin einverstanden erklärt. Mit Beschluss vom 22. Mai 2019 hat sich das Amtsgericht Coburg für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das Amtsgericht Neukölln verwiesen. Zur Begründung hat es lediglich ausgeführt, örtlich unzuständig zu sein; auf Antrag der Prozessbevollmächtigten habe sich das angegangene Gericht für unzuständig zu erklären und den Rechtsstreit an das örtlich zuständige Gericht zu verweisen.
Das Amtsgericht Neukölln hat in einem Vermerk vom 20. Juni 2019 die Auffassung vertreten, dass der Verweisungsbeschluss nicht bindend sei, weil das Amtsgericht Coburg seine örtliche Unzuständigkeit nicht geprüft habe und auch nicht habe prüfen können, weil bislang eine Anspruchsbegründung nicht vorliege; eine Verweisung ohne Prüfung der eigenen örtlichen (Un-)Zuständigkeit sowie unter Erwägung allein der §§ 12, 13 ZPO als mögliche die örtliche Zuständigkeit begründende Regelung erscheine willkürlich. Es hat die Akten dem Amtsgericht Coburg unter Bezugnahme auf den Vermerk übersandt und verfügt, dass dies den Parteivertre...