Leitsatz (amtlich)
Enthält die Satzung einer GmbH außer einer allgemeinen Schiedsklausel für alle Streitigkeiten in Zusammenhang mit dem Gesellschaftsvertrag auch eine Schiedsgutachterklausel im engeren Sinn betreffend die Höhe des Abfindungsanspruchs, ist eine vor Erholung des Schiedsgutachtens eingereichte Schiedsklage auf Zahlung der Abfindung allenfalls als derzeit unbegründet abzuweisen. Die grundsätzliche Zuständigkeit des Schiedsgerichts wird davon nicht berührt, so dass ein Antrag auf Feststellung der Unzulässigkeit eines schiedsrichterlichen Verfahrens nach § 1032 Abs. 2 ZPO ohne Erfolg bleibt.
Tenor
1. Der Antrag wird zurückgewiesen.
2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Der Streitwert wird auf 851.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Antragsgegnerin war bis zur Einziehung ihrer Geschäftsanteile Gesellschafterin der Antragstellerin, einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung, und ist der Ansicht, ihr stehe ein höherer Abfindungsanspruch zu als bislang von der Antragstellerin bezahlt. Die Antragstellerin hält eine darauf gerichtete Schiedsklage für unzulässig. Die Satzung der Antragstellerin enthält folgende Regelungen:
"§ 8 Einziehung von Geschäftsanteilen
(1) Die Einziehung von Geschäftsanteilen ist mit Zustimmung des betroffenen Gesellschafters jederzeit zulässig. Die Einziehung ist ohne Zustimmung des betroffenen Gesellschafters zulässig, wenn
a) in der Person des Gesellschafters ein wichtiger Grund (§§ 133, 140 HGB) vorliegt...
(2) Die Einziehung wird durch den Beirat auf Initiative der Geschäftsführung beschlossen...
(4) Der Beschluss des Beirats... ist dem betroffenen Gesellschafter... mitzuteilen. Dieser kann gegen den Beschluss innerhalb von zwei Wochen ab Zugang Einspruch erheben... Sofern der Beirat nicht innerhalb eines Monats nach Eingang des Einspruchs eine Einigung mit dem betroffenen Gesellschafter erreicht hat, ist die Angelegenheit in die Tagesordnung der nächsten Gesellschafterversammlung aufzunehmen...
(6) Die Einziehung... wird wirksam, wenn kein Einspruch erhoben wurde, eine Einigung erzielt wurde oder die Gesellschafterversammlung entschieden hat. Dabei ist irrelevant, ob die Zahlung der Abfindung erfolgt ist oder Streit über die Höhe der Abfindung besteht...
(7) Bei der Einziehung... erhält der ausscheidende Gesellschafter den Buchwert, welcher auf seinen bisherigen Geschäftsanteil entfällt. Offene oder stille Reserven werden nicht vergütet, jedoch sind die auf den Stichtag seines Ausscheidens zu berechnenden Gewinn- oder Verlustanteile zu berücksichtigen.
(8) Streitigkeiten über die Höhe der Abfindung oder des anteiligen Gewinns werden vom Abschlussprüfer als Schiedsgutachter für alle Beteiligten endgültig entschieden. Über die Tragung der Kosten entscheidet der Schiedsgutachter entsprechend §§ 91 ff. ZPO; der antragstellende Gesellschafter hat die voraussichtlichen Kosten vorzuschießen...
§ 28 Schiedsgericht
(1) Alle Streitigkeiten zwischen Gesellschaftern oder zwischen der Gesellschaft und ihren Gesellschaftern im Zusammenhang mit diesem Gesellschaftsvertrag oder über seine Gültigkeit werden nach der Schiedsgerichtsordnung (DIS-SchO) und den Ergänzenden Regeln für gesellschaftsrechtliche Streitigkeiten (DIS-ERGeS) der Deutschen Institution für Schiedsgerichtsbarkeit e. V. (DIS) unter Ausschluss des ordentlichen Rechtswegs endgültig entschieden.
(2) Der Ort des schiedsrichterlichen Verfahrens ist München...
(4) ... Ausgeschiedene Gesellschafter bleiben an diese Schiedsvereinbarung gebunden.
(5) Die Gesellschaft hat gegenüber Klagen, die gegen sie vor einem staatlichen Gericht anhängig gemacht werden und Streitigkeiten betreffen, die gemäß Abs. 1 der Schiedsvereinbarung unterfallen, stets die Einrede der Schiedsvereinbarung zu erheben."
Mit Beiratsbeschluss vom 17. März 2020 und anschließendem Beschluss der Gesellschafterversammlung vom 20. Mai 2020 wurden die Geschäftsanteile der Antragsgegnerin aus wichtigem Grund eingezogen. Die Antragsgegnerin ging gegen den Einziehungsbeschluss der Gesellschafterversammlung nicht vor. Die Antragstellerin bezahlte der Antragsgegnerin eine von ihr gemäß § 8 Abs. 7 der Satzung ermittelte Abfindung in Höhe des Buchwerts zuzüglich eines anteiligen Gewinnanspruchs in Höhe von insgesamt 745.000,00 EUR. Mit anwaltlicher E-Mail vom 10. März 2023 führte die Antragsgegnerin aus, nach einem von ihr in Auftrag gegebenen Wertgutachten betrage der Verkehrswert ihrer Anteile 5.000.000,00 EUR. Im Hinblick auf das auffällige Missverhältnis zwischen der auf der Grundlage der Buchwertklausel bezahlten Abfindung einerseits und dem Verkehrswert der Beteiligung andererseits sei die Buchwertklausel gemäß § 138 BGB unwirksam oder zumindest nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ergänzend dahin auszulegen, dass ein dem Verkehrswert der Beteiligung nahekommender Abfindungsbetrag geschuldet sei. Die Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin seien beauftragt, eine entsprechende Schiedsklage gegen die Antragstellerin zu erheben. Der Entwurf der Kla...