Leitsatz (amtlich)
1. Wegen des auch im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit zu beachtenden Anspruchs auf rechtliches Gehör darf das Gericht nur solche Tatsachen und Beweisergebnisse verwerten, zu denen die Beteiligten vorher Stellung nehmen konnten.
2. Wird ein Gutachter beauftragt, dessen Sachkunde sich nicht ohne weiteres aus seiner Berufsbezeichnung oder aus der Art seiner Berufstätigkeit ergibt, hat der Tatrichter dessen Sachkunde in seiner Entscheidung – für das Rechtsbeschwerdegericht nachvollziehbar – darzulegen.
Normenkette
GG Art. 103 Abs. 1; FGG §§ 68b, 25
Verfahrensgang
LG Schweinfurt (Beschluss vom 22.07.1996; Aktenzeichen 2 T 54/96) |
AG Bad Neustadt a.d. Saale (Aktenzeichen XVII 777) |
Tenor
I. Die Beschwerde gegen Nr. 2 des Beschlusses des Landgerichts Schweinfurt vom 22. Juli 1996 wird verworfen.
II. Der Beschluß des Landgerichts Schweinfurt vom 22. Juli 1996 wird in Nr. 1 aufgehoben.
III. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das Landgericht Schweinfurt zurückverwiesen.
Tatbestand
I.
Am 22.3.1996 bestellte das Amtsgericht für die Betroffene einen Betreuer. Als Aufgabenkreise bestimmte es die Sorge für die Gesundheit, beschränkt auf die psychische Erkrankung der Betroffenen, die Aufenthaltsbestimmung einschließlich der Entscheidung über die Unterbringung, die Vermögenssorge sowie die Geltendmachung von Ansprüchen auf Sozialhilfe und Unterhalt.
Mit Beschluß vom 22.7.1996 hat das Landgericht die Beschwerde der Betroffenen sowie deren Prozeßkostenhilfeantrag zurückgewiesen.
Gegen die Zurückweisung ihrer Erstbeschwerde wendet sich die Betroffene mit der weiteren Beschwerde. Darüber hinaus beschwert sie sich gegen die Nichtgewährung von Prozeßkostenhilfe.
Entscheidungsgründe
II.
1. Die gegen die Versagung von Prozeßkostenhilfe für das Beschwerdeverfahren eingelegte Beschwerde ist unzulässig, da im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit eine derartige Entscheidung des Landgerichts nicht angefochten werden kann (BayObLGZ 1991, 414).
2. Die gegen die Betreuerbestellung gerichtete weitere Beschwerde ist zulässig und hat Erfolg.
a) Das Landgericht hat ausgeführt:
Die Betroffene leide an einer schizoaffektiven Psychose, wobei zu befürchten sei, daß deren Symptomatik sich verstärke, da die Betroffene die Medikation eigenmächtig vollständig abgesetzt habe. Aufgrund dieser Krankheit sei die Betroffene nicht in der Lage, die zum Gegenstand der Betreuung gemachten Angelegenheiten selbst zu besorgen, weshalb in diesem Umfang ihre Betreuung erforderlich sei.
b) Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand (§ 27 Abs. 1 FGG, § 550 ZPO).
(1) Kann ein Volljähriger aufgrund einer psychischen Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung seine Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht besorgen, bestellt das Vormundschaftsgericht auf seinen Antrag oder von Amts wegen für ihn einen Betreuer (§ 1896 Abs. 1 Satz 1 BGB). Die Bestellung eines Betreuers von Amts wegen setzt voraus, daß der Betroffene aufgrund seiner Krankheit oder Behinderung seinen Willen nicht frei bestimmen kann (ständige Rechtsprechung, vgl. BayObLGZ 1995, 146/148 m.w.N.; BayObLG Rpfleger 1996, 245; OLG Hamm FamRZ 1995, 433/435).
Nach § 1896 Abs. 2 Satz 1 BGB darf ein Betreuer nur für Aufgabenkreise bestellt werden, in denen die Betreuung erforderlich ist, d.h. in denen der Betroffene auf entsprechende Hilfen angewiesen ist und weniger einschneidende Maßnahmen nicht in Betracht kommen (vgl. BayObLG FamRZ 1995, 1085). Dies bedarf für jeden einzelnen Aufgabenkreis der Konkretisierung (vgl. BayObLG FamRZ 1995, 116; OLG Hamm FamRZ 1995, 433/435).
(2) Die tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts sind schon deshalb zu beanstanden, weil ihnen auch die Stellungnahme des Betreuers vom 17.7.1996 zugrunde liegt, ohne daß die Betroffene bzw. ihr Verfahrensbevollmächtigter Gelegenheit hatten, sich hierzu zu äußern.
Hierdurch hat das Landgericht den durch Art. 103 Abs. 1 GG garantierten Anspruch der Betroffenen auf rechtliches Gehör verletzt, der auch im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit zu beachten ist (BVerfG NJW 1994, 1053). Danach darf das Gericht nur solche Tatsachen und Beweisergebnisse verwerten, zu denen die Beteiligten vorher Stellung nehmen konnten (BVerfG NJW 1994, 1053/1054).
(3) Soweit die Feststellungen auf dem Gutachten des Sachverständigen S. vom 23.1.1996 beruhen, vermag der Senat mangels ausreichender Begründung der Beschwerdeentscheidung (§ 25 FGG) nicht nachzuprüfen, ob dieses Gutachten für die Überzeugungsbildung der Kammer eine tragfähige Grundlage darstellte.
Gemäß § 68b Abs. 1 Satz 1 FGG darf ein Betreuer erst bestellt werden, nachdem das Gutachten eines Sachverständigen über die Notwendigkeit der Betreuung eingeholt worden ist. Die Auswahl des Sachverständigen trifft das Gericht nach pflichtgemäßem Ermessen (vgl. KG FamRZ 1995, 1379/1381; Bienwald Betreuungsrecht 2. Aufl. § 68b FGG Rn. 36; Damrau/Zimmermann Betreuung und Vormundschaft 2. Aufl. § 68b...