Entscheidungsstichwort (Thema)
Betreuungssache
Leitsatz (amtlich)
Um zu vermeiden, daß in unverhältnismäßiger Weise in die Rechtsstellung des Betroffenen eingegriffen wird (hier wegen „Altersstarrsinns”), erfordert die Feststellung einer psychischen Krankheit oder seelischen Behinderung des Betroffenen deren fachpsychiatrische Konkretisierung und die Darlegung ihrer Auswirkungen auf die kognitiven und voluntativen Fähigkeiten des Betroffenen.
Normenkette
BGB § 1896 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
LG Bamberg (Aktenzeichen 3 T 9/01) |
AG Bamberg (Aktenzeichen XVII 0273/00) |
Tenor
I. Der Beschluß des Landgerichts Bamberg vom 19. Januar 2001 wird aufgehoben.
II. Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das Landgericht Bamberg zurückverwiesen.
Gründe
I.
Mit Beschluß vom 15.12.2000 bestellte das Amtsgericht für die Betroffene deren Tochter und Schwiegersohn zu Betreuern, und zwar je mit dem Aufgabenkreis Vermögens sorge, Abschluß, Änderung und Kontrolle der Einhaltung des Heim-/Pflegevertrages, Vertretung gegenüber Behörden, Versicherungen, Renten- und Sozialleistungsträgern sowie Entgegennahme und Öffnen der Post.
Die Beschwerde der Betroffenen ist gemäß Beschluß des Landgerichts vom 19.1.2001 ohne Erfolg geblieben.
Hiergegen wendet sich die Betroffene mit der weiteren Beschwerde.
II.
Das zulässige Rechtsmittel führt zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht.
1. Die Kammer hat die medizinischen Voraussetzungen für die Betreuerbestellung darin gesehen, daß die Betroffene „an einer der in § 1896 Abs. 1 Satz 1 BGB aufgeführten Krankheiten bzw. Behinderungen in Form des Altersstarrsinns” leide.
2. Diese Feststellung vermag die Betreuerbestellung nicht zu tragen. Die Kammer hat insoweit ihrer Aufklärungspflicht (§ 12 FGG) nicht genügt.
a) Die Bestellung eines Betreuers für einen Volljährigen setzt voraus, daß dessen Unfähigkeit, seine Angelegenheiten zu besorgen, auf einer psychischen Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung beruht (§ 1896 Abs. 1 Satz 1 BGB).
Die Begriffe der psychischen Krankheit bzw. seelischen Behinderung sind weder im BGB definiert noch gibt es für sie eine allgemein anerkannte Definition (vgl. Jürgens Betreuungsrecht 2. Aufl. § 1896 BGB Rn. 3). Der Begriff der psychischen Krankheit bezieht sich auf die anerkannten Krankheitsbilder der Psychiatrie (vgl. Knittel BtG § 1896 BGB Rn. 2). Unter den Begriff der seelischen Behinderung fallen bleibende oder jedenfalls lang anhaltende psychische Beeinträchtigungen, die auf einem regelwidrigen körperlichen, geistigen oder seelischen Zustand beruhen (vgl. BT-Drucks. 11/4528 S. 116; Jürgens § 1896 BGB Rn. 6; Palandt/Diederichsen BGB 60. Aufl. § 1896 Rn. 6). Damit sollen insbesondere auch Erscheinungen des Altersabbaus erfaßt werden, die in der hier nicht einheitlichen Fachsprache zum Teil nicht als Krankheiten angesehen werden (vgl. BT-Drucks. aaO). Von besonderer Bedeutung ist insoweit die senile Demenz, die ihre Ursache in der Alzheimerschen Krankheit, in Hirngefäßerkrankungen oder anderen degenerativen Hirnprozessen haben kann (vgl. Jürgens § 1896 BGB Rn. 4; Wojnar BtPrax 1992, 16/19).
Um zu vermeiden, daß in unverhältnismäßiger Weise in die Rechtsstellung des Betroffenen eingegriffen wird, ist dessen psychische Krankheit oder seelische Behinderung fachpsychiatrisch zu konkretisieren (vgl. BayObLG NJW 1992, 2100/2101) und sind deren Auswirkungen auf die kognitiven und voluntativen Fähigkeiten des Betroffenen darzulegen (vgl. Jürgens § 1896 BGB Rn. 5).
b) Die Entscheidung des Landgerichts wird diesen Anforderungen nicht gerecht. Die Feststellung, die Betroffene leide an „Altersstarrsinn”, entbehrt der für die Bejahung einer psychischen Krankheit oder seelischen Behinderung notwendigen Konkretisierung. Es ist nicht dargetan, inwiefern dem „Starrsinn” der Betroffenen etwa eine senile Demenz zugrunde liegt, die Betroffene in ihrer Urteils- und Kritikfähigkeit aufgrund eines altersbedingten, fortschreitenden Abbaus von Nervenzellen des Gehirns beeinträchtigt ist und nicht lediglich eine der Betroffenen wesenseigene Abweichung von „normalem” menschlichen Verhalten vorliegt. Dies weiter aufzuklären bestand schon aufgrund des der Beschwerdeentscheidung zugrunde gelegten Sachverständigengutachtens vom 21.9.2000 Anlaß. Darin hatte der Sachverständige zu der von der Betroffenen in einigen Belangen gezeigten „Uneinsichtigkeit und Sturheit”, woraus er ersichtlich die partielle Geschäftsunfähigkeit ableitete, lediglich vage und Zweifel offenlassend ausgeführt, „was man vielleicht als Altersstarrsinn bezeichnen könnte”. Hinzu kommt, daß derselbe Sachverständige in seinem nur vier Monate zuvor erstatteten Gutachten die Erklärung des Hausarztes der Betroffenen wiedergegeben hatte, auch ihm sei klar, daß es sich bei der Betroffenen um eine in mancher Hinsicht recht schwierige Dame handle, irgendwelche Anzeichen einer geistigen oder psychischen Störung habe er bei ihr aber noch nie gesehen. Im Einklang damit hatte der Sachverständige der B...