Entscheidungsstichwort (Thema)
Nachlaßsache
Leitsatz (amtlich)
1. Auslegung eines Erbverzichtsaufhebungsvertrages, bei dessen Abschluß auch der Betreuer des – möglicherweise geschäftsunfähigen – Erblassers Erklärungen für diesen abgab.
2. Zur Frage, ob die Erbeinsetzung der gemeinsamen Töchter in einem zwischen Eheleuten geschlossenen Erbvertrag nach ihrem hypothetischen Willen auch für den Fall der Scheidung gelten sollte.
Normenkette
BGB §§ 2077, 2279, 2347, 2351
Verfahrensgang
AG Mühldorf a. Inn (Aktenzeichen VI 300/98) |
LG Traunstein (Aktenzeichen 4 T 4599/98) |
Tenor
I. Die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1 gegen den Beschluß des Landgerichts Traunstein vom 16. Juni 1999 wird zurückgewiesen.
II. Die Beteiligte zu 1 hat den Beteiligten zu 2 und 3 die ihnen im Verfahren der weiteren Beschwerde entstandenen Kosten zu erstatten.
III. Der Geschäftswert des Verfahrens der weiteren Beschwerde wird auf 290.000 DM festgesetzt.
Gründe
I.
Der im Alter von 48 Jahren verstorbene Erblasser stand seit 3.12.1993 unter Betreuung, nachdem er einen Schlaganfall erlitten hatte und dadurch ein hirnorganisches Psychosyndrom entstanden war. Die Beteiligten zu 2 und 3 sind seine Töchter aus seiner ersten 1990 geschiedenen Ehe. Die Beteiligte zu 1 ist seine zweite Ehefrau, die er am 21.5.1993 geheiratet hatte.
Mit seiner ersten Ehefrau schloß der Erblasser am 26.10.1984 einen notariell beurkundeten Erbvertrag, mit dem die Eheleute ihre beiden Töchter, die Beteiligten zu 2 und 3, zu ihren Erben zu gleichen Teilen einsetzten, „und zwar gleichgültig, ob es sich um den ersten oder zweiten bei ihnen eintretenden Sterbefall handelt”. Für den Fall seines Vorversterbens vermachte der Erblasser seiner damaligen Ehefrau den gesamten ehelichen Hausrat, die Wohnungseinrichtung und ein Wohnungsrecht am Familienheim. Diese Verfügungen, heißt es in der Urkunde weiter, „sollen ausdrücklich unter die erbvertragliche Bindungswirkung fallen und damit einseitig unwiderruflich sein. Ein Anfechtungsrecht des Erblassers oder eines Dritten wird ausdrücklich ausgeschlossen, soweit es § 2079 BGB betrifft”.
Nach der Scheidung von seiner ersten Ehefrau errichtete der Erblasser am 12.4.1991 ein notariell beurkundetes Testament. In diesem versicherte er, nicht durch Erbvertrag oder gemeinschaftliches Testament gebunden zu sein, und setzte seine Töchter, die Beteiligten zu 2 und 3, zu seinen Erben nach gleichen Anteilen ein. Die Beteiligte zu 3 beschwerte er mit einem Vermächtnis zugunsten seiner späteren zweiten Ehefrau; diese sollte den lebenslangen unentgeltlichen Nießbrauch an dem Hausgrundstück erhalten, das gemäß einer Teilungsanordnung die Beteiligte zu 3 bekommen sollte. Ferner ordnete er für den Fall, daß die 1984 geborene Beteiligte zu 3 zum Zeitpunkt des Erbfalls noch minderjährig sein sollte, Testamentsvollstreckung an und schloß die Verwaltung der Zuwendung durch die Mutter aus.
Am 30.6.1993 schloß er mit der Beteiligten zu 1 einen notariell beurkundeten Ehevertrag. Darin vereinbarten die Eheleute Gütertrennung, gegenseitigen Unterhaltsverzicht und gegenseitigen Erbverzicht; das gesetzliche Pflichtteilsrecht sollte jedoch bestehen bleiben.
Am 5.5.1994 beurkundete der Notar einen „Nachtrag zum Ehevertrag vom 30.6.1993 … mit Aufhebung des gegenseitigen Erbverzichts”. Neben dem Erblasser und der Beteiligten zu 1 war der Betreuer des Erblassers anwesend, „hier handelnd für Herrn … (den Erblasser), vorbehaltlich seiner späteren Genehmigung, sobald (er) durch das Amtsgericht M. als Betreuer in allen persönlichen Angelegenheiten für Herrn … (den Erblasser) bestellt ist und vorbehaltlich der vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung durch das Amtsgericht M.”. Mit diesem Nachtrag wurde der Ehevertrag vom 30.6.1993 in folgender Weise geändert:
„Im gegenseitigen Einvernehmen heben hiermit Herr … (Erblasser) und Frau … (Beteiligte zu 1) den in der Vorurkunde unter Ziffer IV abgeschlossenen gegenseitigen Erbverzicht vollinhaltlich und vorbehaltlos auf, mit der Folge, daß das Ehegattenerbrecht gemäß § 1931 BGB wieder in Kraft gesetzt wird, nicht aber das Ehegattenerbrecht nach § 1371 BGB, da es bei der vereinbarten Gütertrennung verbleiben soll. …”
Der Notar wurde – unter Nr. IV der Urkunde – beauftragt, „die vormundschaftsgerichtliche Genehmigung durch das Amtsgericht M. einzuholen, sobald das Amtsgericht M. den neuen Betreuerausweis in der erweiterten Form an … (den Betreuer) ausgehändigt hat und sobald … (der Betreuer) die Nachgenehmigung zu diesem Vertrag in notarieller Form unterschrieben hat …”. Der Betreuer war mit Beschluß vom 3.12.1993 für „die mit der Kiesgrube zusammenhängenden geschäftlichen Angelegenheiten” bestellt worden. Mit Beschluß vom 12.12.1994 wurde sein Aufgabenkreis erweitert auf die „Vertretung bei der Abänderung des Ehevertrages vom 30.6.1993”. Am 29.3.1995 genehmigte er den Nachtrag vom 5.5.1994. Seine Erklärungen wurden durch Beschluß vom 7.7.1995 vormundschaftsgerichtlich genehmigt.
Die Beteiligte zu 1 beansprucht (neben den Beteiligten zu 2 u...