Entscheidungsstichwort (Thema)
Nachlaßsache
Leitsatz (amtlich)
1. Eine gerichtliche Entscheidung vor Ablauf der den Beteiligten gesetzten Äußerungsfrist verstößt gegen Art. 103 Abs. 1 GG.
2. Zur Auslegung eines Ehegattenerbvertrags, wenn sich die Eheleute gegenseitig als Alleinerben eingesetzt und nach Scheidung ihrer Ehe in einer Urkunde bestätigt haben, die erbvertraglichen Bestimmungen der Vorurkunde sollten unverändert bleiben, und zum Umfang der Amtsermittlung in einem solchen Fall.
Normenkette
BGB § 2077; FGG § 12; GG Art. 103 Abs. 1
Verfahrensgang
LG München II (Zwischenurteil vom 27.04.2000; Aktenzeichen 6 T 1999/00) |
AG Wolfratshausen (Zwischenurteil vom 14.02.2000; Aktenzeichen VI 611/99) |
Tenor
I. Auf die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 3 wird der Beschluß des Landgerichts München II vom 27. April 2000 aufgehoben.
II. Die Sache wird zur neuen Behandlung und Entscheidung an das Landgericht München II zurückverwiesen.
Gründe
I.
Der Erblasser ist am 27.7.1999 verstorben. Er war in zweiter Ehe mit der Beteiligten zu 1 verheiratet. Die Beteiligte zu 2 ist die Schwester des Erblassers und, nachdem die zum Zeitpunkt des Erbfalles noch lebende Mutter des Erblassers am 16.8.1999 verstorben ist, dessen derzeit nächste lebende Verwandte. Die Beteiligte zu 3 ist die frühere Ehefrau des Erblassers aus dessen am 19.8.1998 geschiedener ersten Ehe.
Der Erblasser und die Beteiligte zu 3 hatten sich mit notariellem Erbvertrag vom 21.11.1989 gegenseitig zu Alleinerben eingesetzt.
Mit weiterem notariellen Vertrag vom 8.5.1995, der u. a. einen Ehevertrag und im Gliederungsabschnitt „D” einen „Erbvertragsnachtrag” beinhaltete, hoben der Erblasser und die Beteiligte zu 3 den Erbvertrag vom 21.11.1989 auf und trafen folgende erbvertragliche Bestimmung:
„Für künftig eintretende Todesfälle in unserer Ehe setzen wir uns wiederholend gegenseitig zu alleinigen und ausschließlichen Erben ein.
Diese Bestimmung treffen wir mit erbvertraglich bindender Weise.
Sollten wir jedoch länger als ein Jahr getrennt leben, kann jeder von diesem Erbvertrag durch notarielle Urkunde zurücktreten.”
In einem handschriftlichen Testament vom 25.2.1997 traf der Erblasser Regelungen für den Fall, daß ihm bei einem bevorstehenden Krankenhausaufenthalt etwas zustoßen sollte. Der Erblasser äußerte u. a. den Wunsch, daß seine Frau, die namentlich bezeichnete Beteiligte zu 3, aus dem Nachlaß bestimmte Zuwendungen leisten und der Rest der Erbmasse zu 100 % seiner Frau zufallen solle.
In einem notariellen Nachtrag vom 30.7.1998 zum notariellen Vertrag vom 8.5.1995 vereinbarten der Erblasser und die Beteiligte zu 3 hinsichtlich der Bestimmungen der Vorurkunde u. a., daß „der Erbvertragsnachtrag nach Ziff. D unverändert” bleiben solle.
Die Ehe des Erblassers und der Beteiligten zu 3 wurde am 19.8.1998 geschieden.
In einem handschriftlichen Nachtrag vom 20.4.1999 zum notariellen Nachtrag vom 30.7.1998 änderten der Erblasser und die Beteiligte zu 3 Regelungen zu Ausgleichszahlungen und vereinbarten, daß „die übrigen Bestimmungen der Vorurkunde unverändert” bleiben sollen.
Die Beteiligte zu 3 beantragte, gestützt auf die letztwilligen Verfügungen, die Erteilung eines Erbscheins, der sie als Alleinerbin ausweist.
Die Beteiligte zu 2 trug vor, es sei gesetzliche Erbfolge eingetreten, da die Erbeinsetzung durch letztwillige Verfügung auf die in der Ehe eintretenden Todesfälle beschränkt sei, und beantragte die Erteilung eines gemeinschaftlichen Erbscheins zusammen mit der Beteiligten zu 1.
Das Amtsgericht hat mit Beschluß vom 14.2.2000 den Erbscheinsantrag der Beteiligten zu 2 zurückgewiesen und die Erteilung eines Alleinerbscheins zugunsten der Beteiligten zu 3 bewilligt. Ein entsprechender Erbschein wurde am 23.2.2000 erteilt.
Gegen den Beschluß des Amtsgerichts hat die Beteiligte zu 2 Beschwerde eingelegt und beantragt, den Beschluß vom 14.2.2000 aufzuheben, einen gemeinschaftlichen Erbschein zu erteilen, wonach der Erblasser von der Beteiligten zu 1 zu 3/4 und von der Beteiligten zu 2 zu 1/4 beerbt worden ist, und den der Beteiligten zu 3 erteilten Erbschein einzuziehen.
Das mit der Beschwerde befaßte Landgericht teilte den Beteiligten mit Verfügung vom 18.4.2000 mit, „wenn im Beschwerdeverfahren noch Ausführungen gemacht werden sollen, möge dies bis 15.5.2000 erfolgen”.
Mit Beschluß des Landgerichts vom 27.4.2000 wurde auf die Beschwerde der Beteiligten zu 2 der Beschluß des Amtsgerichts vom 14.2.2000 insoweit aufgehoben, als dort die Erteilung eines Erbscheins zugunsten der Beteiligten zu 3 angeordnet wurde, und die Einziehung des der Beteiligten zu 3 erteilten Erbscheins angeordnet; im übrigen wurde die Beschwerde zurückgewiesen. Das Amtsgericht hat daraufhin den Erbschein vom 23.2.2000 als unrichtig eingezogen.
Gegen den Beschluß des Landgerichts vom 27.4.2000 richtet sich die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 3. Sie rügt die Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör und die Auslegung des Erbvertrags durch das Landgericht und beantragt, den Beschluß des Landger...