Leitsatz (amtlich)
Wird der Betroffene in der Rechtsmittelbelehrung nicht auf die Befristung des Rechtsmittels hingewiesen, kann ihm auch ohne ausdrücklichen Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden, wenn er die Frist zur Beschwerdeeinlegung versäumt. Dies gilt auch dann, wenn er noch innerhalb der Beschwerdefrist einen Rechtsanwalt mit seiner Vertretung beauftragt hat.
Normenkette
FGG § 22 Abs. 2; ZPO § 236 Abs. 2 S. 2
Verfahrensgang
LG Landshut (Aktenzeichen 60 T 1919/02) |
AG Eggenfelden (Aktenzeichen XVII 147/00) |
Tenor
I. Die sofortige weitere und die weitere Beschwerde gegen den Beschluss des LG Landshut vom 12.8.2002 werden zurückgewiesen.
II. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Verfahren der weiteren Beschwerde wird abgewiesen.
Gründe
I. Für den Betroffenen wurde am 4.12.2000 ein Vereinsbetreuer für die Aufgabenkreise Vermögenssorge sowie Vertretung ggü. Behörden, Versicherungen, Renten- und Sozialleistungsträgern bestellt und ein Einwilligungsvorbehalt für Willenserklärungen angeordnet, die den Aufgabenkreis Vermögenssorge betreffen. Mit Schreiben vom 15.5.2002 beantragte der Betroffene zum wiederholten Mal, die Betreuung aufzuheben. Diesen Antrag wies das AG mit Beschluss vom 12.7.2002 zurück; gleichzeitig verlängerte es die Betreuung mit den bestehenden Aufgabenkreisen und dem Einwilligungsvorbehalt bis längstens 10.7.2004.
Das hiergegen von dem Betroffenen eingelegte Rechtsmittel hat das LG am 12.8.2002 zurückgewiesen. Die Rechtsmittelbelehrung des Beschlusses lautet: „Gegen diese Entscheidung ist das Rechtsmittel der weiteren Beschwerde zulässig.”
Gegen diesen ihm am 21.8.2002 zugestellten Beschluss wendet sich der Betroffene mit seiner am 5.9.2002 bei Gericht eingegangenen sofortigen weiteren und weiteren Beschwerde, für welche er Prozesskostenhilfe beantragt.
II. Die Rechtsmittel sind zulässig, aber nicht begründet. Wegen der fehlenden Erfolgsaussicht konnte Prozesskostenhilfe nicht bewilligt werden.
1.a) Soweit sich der Betroffene gegen die Verlängerung der Betreuung und damit auch gegen die Ablehnung der Aufhebung der Betreuung wendet, liegt eine weitere Beschwerde vor, welche form- und fristgerecht eingelegt worden und auch i.Ü. zulässig ist (§ 27 Abs. 1 S. 1 FGG).
b) Soweit sich der Betroffene gegen die Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts im Aufgabenkreis Vermögenssorge wendet, liegt eine sofortige weitere Beschwerde (§ 69i Abs. 6 S. 5 i.V.m. § 69g Abs. 4 Nr. 1 FGG) vor. Auch diese ist i.E. zulässig.
aa) Die sofortige weitere Beschwerde ist innerhalb einer Frist von zwei Wochen bei Gericht einzulegen (§ 27 Abs. 1 S. 1, § 29 Abs. 2, § 22 Abs. 1, § 69g Abs. 4 Nr. 1 FGG). Der Beschluss des LG ist dem Betreuer (§ 69g Abs. 4 S. 2 FGG) bereits am 19.8.2002, dem Betroffenen (§ 69g Abs. 4 S. 3 FGG) am 21.8.2002 zugestellt worden. Die Beschwerde ist am 5.9.2002 und damit mehr als zwei Wochen nach der letzten Zustellung bei Gericht eingegangen.
bb) Es kann dahinstehen, ob der Lauf der Frist mit diesen Zustellungen begonnen hat, obwohl das LG die gesetzlich vorgeschriebene (§ 69i Abs. 6 S. 1 i.V.m. § 69 Abs. 1 Nr. 6 FGG) Rechtsmittelbelehrung fehlerhaft erteilt hat, weil es nicht auf die Befristung hingewiesen hat (vgl. BGH AgrarR 1979, 313; s.a. BayObLGZ 1999, 232 f. und Keidel/Schmidt, FGG, 14. Aufl., § 16 Rz. 60). Jedenfalls schadet eine etwaige Fristversäumung nicht, weil dem Betroffenen ggf. auch ohne ausdrücklichen Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gem. § 22 Abs. 2 FGG, § 236 Abs. 2 S. 2 ZPO zu gewähren ist (vgl. BayObLG, Beschl. v. 23.10.2002 – 3Z BR 186/02, BayObLGReport 2003, 19). Die Gründe für eine Wiedereinsetzung sind aktenkundig. Das LG hat seinem Beschluss vom 12.8.2002 eine unvollständige Rechtsmittelbelehrung beigefügt, nämlich nur die Belehrung über die einfache weitere und nicht zusätzlich die Belehrung über die sofortige weitere Beschwerde, mit welcher die Anordnung des Einwilligungsvorbehalts angegriffen werden kann. Die hinsichtlich der Befristung unvollständige und damit unrichtige Rechtsmittelbelehrung rechtfertigt die Wiedereinsetzung (vgl. BayObLG, Beschl. v. 23.10.2002 – 3Z BR 186/02, BayObLGReport 2003, 19; OLG Celle FamRZ 1999, 1374; OLG Naumburg FamRZ 2001, 569; Keidel/Kahl, FGG, 14 Aufl., § 22 Rz. 23). Der Adressat einer von Richtern unterschriebenen Rechtsmittelbelehrung darf darauf vertrauen, dass diese der Rechtslage entspricht.
cc) Der Wiedereinsetzung steht nicht entgegen, dass der Betroffene bei Rechtsmitteleinlegung durch einen Rechtsanwalt vertreten war. Zwar wird dem Betroffenen ein Verschulden seines Verfahrensbevollmächtigten nach § 22 Abs. 2 S. 2 FGG zugerechnet und kann von einem Rechtsanwalt die Kenntnis der einschlägigen Rechtsmittel und deren Voraussetzungen erwartet werden. Doch hatte der Betroffene zum Zeitpunkt der Zustellung noch keinen Anwalt beauftragt. Geschützt wird aber sein Vertrauen auf die Richtigkeit der Rechtsmittelbelehrung. Die fehlende Belehrung über die Frist kann dazu führen, dass der Betroffen...