Leitsatz (amtlich)

1. Der Vorschlag des Betroffenen, eine bestimmte Person zu seinem Betreuer zu bestellen, begründet unabhängig von der Geschäftsfähigkeit des Betroffenen einen Vorrang dieser Person vor allen anderen in Betracht kommenden Personen. Dem Vorschlag ist vom Gericht grundsätzlich zu entsprechen.

2. Die Frage, ob diese Bindung an den Vorschlag entfällt, weil die Bestellung des Vorgeschlagenen dem Wohl des Betroffenen zuwiderläuft, erfordert eine umfassende Abwägung aller Umstände. Nur wenn das Ergebnis der Abwägung deutlich gegen die Bestellung des Vorgeschlagenen spricht, darf eine andere Person zum Betreuer bestellt werden.

 

Normenkette

BGB § 1897 Abs. 4 S. 1

 

Verfahrensgang

LG München II (Beschluss vom 03.01.1996; Aktenzeichen 6 T 3630/94)

AG Dachau (Aktenzeichen XVII 0071/94)

 

Tenor

I. Der Beschluß des Landgerichts München II vom 3. Januar 1996 wird in Nr. III aufgehoben.

II. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das Landgericht München II zurückverwiesen.

III. Der Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 5.000 DM festgesetzt.

 

Tatbestand

I.

Mit Beschluß vom 20.5.1994 bestellte das Amtsgericht für den Betroffenen einen Rechtsanwalt zum Betreuer mit den Aufgabenkreisen Sorge für ärztliche Betreuung, Aufenthaltsbestimmung (einschließlich der Entscheidung über die Unterbringung), Vermögens sorge, Schriftverkehr und Führerscheinangelegenheiten.

Gegen die Auswahl des Betreuers legte der Betroffene Beschwerde ein mit der Begründung, als Betreuer habe sich sein Bruder bereit erklärt, der schon von 1991 bis 1993 sein Pfleger gewesen sei.

Das Landgericht hat am 3.1.1996 u.a. über diese Beschwerde entschieden und sie zurückgewiesen (Nr. III der Entscheidung).

Hiergegen wendet sich der Betroffene mit der weiteren Beschwerde.

 

Entscheidungsgründe

II.

Das zulässige Rechtsmittel führt zur Aufhebung der bezüglich der Betreuerauswahl ergangenen Beschwerdeentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht zur erneuten Behandlung und Entscheidung dieser Frage.

1. Das Landgericht hat ausgeführt:

Aus der Beschwerdebegründung ergebe sich, daß der Betroffene statt des eingesetzten Betreuers seinen Bruder als Betreuer wolle. Diesem Wunsch sei jedoch nicht zu entsprechen. Wie sich aus der Stellungnahme der Betreuungsstelle entnehmen lasse, sei eine Betreuung des Betroffenen im innerfamiliären Rahmen nicht in ausreichender Weise zu erwarten.

Die Betreuungsstelle hatte ausgeführt:

Bezüglich der Auswahl des Betreuers habe man mit dem Bruder des Betroffenen und mit der Schwester, mit der der Betroffene zusammenlebe, telefoniert. Aufgrund dieser Telefongespräche nehme man an, daß innerhalb der Familie gegenüber dem Betroffenen hinsichtlich der Betreuung eine gewisse Gleichgültigkeit vorliege. Im Hinblick auf den erfolgten Führerscheinentzug sei wichtig erschienen, daß der Betroffene juristischen Beistand erhalte, weshalb seinerzeit einen Rechtsanwalt als Betreuer vorgeschlagen worden sei. Der Bruder habe bei dem damaligen Telefongespräch erklärt, daß er über den aktuellen Gesundheitszustand des Betroffenen nicht informiert sei, weil er diesen seit längerem nicht gesehen habe. Am 28.5.1994 habe der Bruder dafür plädiert, den Betroffenen nach Hause zu entlassen, obwohl dieser laut ärztlicher Stellungnahme am 20.5.1994 noch nicht so krankheitseinsichtig gewesen sei, daß er hätte entlassen werden müssen, und dann auch erst am 20.6.1994 entlassen worden sei. Ferner hätte der Bruder als sorgender Familienangehöriger dem Betroffenen in der Bewirtschaftung seines Waldes unter die Arme greifen müssen. Bei der richterlichen Anhörung am 20.5.1994 habe der Betroffene nämlich angegeben, daß in seinem Wald mindestens 150 bis 250 m Holz total mit Borkenkäfern befallen herumlägen. Der Betreuerwechsel werde wohl nur aus finanziellen Gründen angeregt.

2. Die Entscheidung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

a) Der Vorschlag des Betroffenen, eine bestimmte Person zu seinem Betreuer zu bestellen, begründet unabhängig von der Geschäftsfähigkeit des Betroffenen (BayObLG FamRZ 1994, 530; Knittel BtG § 1897 BGB Rn. 18; Palandt/Diederichsen BGB 55. Aufl. § 1897 Rn. 17) einen Vorrang dieser Person vor allen anderen in Betracht kommenden Personen (Erman/Holzhauer BGB 9. Aufl. § 1897 Rn. 9). Dem Vorschlag ist vom Gericht grundsätzlich zu entsprechen (§ 1897 Abs. 4 Satz 1 BGB; MünchKomm/Schwab BGB 3. Aufl. § 1897 Rn. 18).

Diese Bindung entfällt, wenn die Bestellung des Vorgeschlagenen dem Wohl des Betroffenen zuwiderläuft (§ 1897 Abs. 4 Satz 1 BGB). Diese Frage erfordert eine umfassende Abwägung aller Umstände (Palandt/Diederichsen § 1897 Rn. 20). Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang insbesondere auch, ob der Vorschlag dem ureigenen Willen des Betroffenen entspricht oder auf den Einfluß eines Dritten zurückgeht, der damit etwa ein erhebliches wirtschaftliches Interesse verfolgt (vgl. OLG Düsseldorf BtPrax 1995, 108/109; 1995, 110). Ferner ist das persönliche Verhältnis des Vorg...

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