Entscheidungsstichwort (Thema)
Nichtbeachtung von Unfallverhütungsvorschriften
Verfahrensgang
AG München (Urteil vom 08.11.1985) |
Tenor
I. Die Verfolgung wird auf den in Ziffer II 1, 2, 4 und 5 der Gründe des Urteils des Amtsgerichts München vom 8. November 1985 aufgeführten Sachverhalt beschränkt.
II. Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts München vom 8. November 1985 mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.
III. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung an die Vorinstanz zurückverwiesen.
Tatbestand
I.
Das Amtsgericht München verurteilte den Betroffenen am 8.11.1985 wegen einer fahrlässigen Ordnungswidrigkeit des Nichtbeachtens von einhaltungspflichtigen Unfallverhütungsvorschriften zur Geldbuße von 1.000 DM. Als angewandte Vorschriften bezeichnete es die §§ 710, 717 a RVO.
Grundlage der Verurteilung war folgender Sachverhalt:
Der Betroffene ist Geschäftsführer der Firma K. H. GmbH, die persönlich haftende Gesellschafterin der Firma K.-H. GmbH & Co. KG ist.
Anläßlich einer Betriebsüberprüfung durch den Zeugen B. am 30.08.1984 wurde im Betrieb des Betroffenen in … H.-R. folgendes festgestellt:
Zwei Auslegerkreissägemaschinen mit kraftbetriebenem Werkzeugvorschub waren für den Betrieb bereitgestellt, eine Ausrüstung mit Zweihandschaltung links von der Schneideebene war nicht vorhanden.
Diese Maschine war bereits anläßlich einer Besichtigung durch den Zeugen am 28.10.1983 ohne Zweihandschaltung in Betrieb, worauf die Holz-Berufsgenossenschaft den Betrieb des Betroffenen darauf hingewiesen hatte, daß die Zweihandschaltung gem. § 53 VBG 7 j erforderlich sei.
- Für Fügearbeiten an der Abrichthobelmaschine war keine Vorrichtung beschafft worden, die das Anbringen der Fügeleisten an die Maschine ermöglicht, obgleich § 70 Abs. II VBG 7 j dies vorschreibt.
An der Mehrfachabkürzsäge war der über Seilzug zu betätigende Gefahrenschutzschalter nicht so eingerichtet, daß der Schalter auch bei einem Seilbruch ansprach, vielmehr der Seilzug, wie auch bereits bei der Besichtigung vom 28.10.1983 festgestellt worden war, stark durchhängend.
Gem. § 6 VBG 6 und § 1 VBG 7 a hätte der Schalter so ausgerichtet werden müssen, daß er dann, wenn das Seil keine entsprechende Spannung auf den Schalter ausübt, anspricht, d.h. wenn das Seil durch Bruch den Sollzugwert nicht mehr erfüllen kann, eine automatische Auslösung des Notschalters erfolgt.
- Auf den Tischfräsmaschinen waren gegen Werkstückrückschläge bei Einsetzfräsarbeiten keine Tischverlängerungen mit Queranschlag bereitgestellt worden, obgleich dies § 74 Abs. 3 VBG 7 j vorschreibt.
- Auf den Tischfräsmaschinen waren auch keine zusammen mit einer Tischverlängerung benutzbaren Spannladen bereitgestellt worden, obgleich sich die Bereitstellungspflicht aus § 74 Abs. 3 VBG 7 j ergibt.
Gegen das Urteil vom 8.11.1985 legte der Betroffene Rechtsbeschwerde ein, mit der Verletzung formellen und materiellen Rechts gerügt wird.
Entscheidungsgründe
II.
Die Verfolgungsbeschränkung gemäß Ziffer I des Entscheidungssatzes, d.h. die Ausnahme des in Ziffer II 3 der Gründe des amtsgerichtlichen Urteils dargelegten Teilsachverhalts von der Verfolgung, erfolgt nach den §§ 47 OWiG, 154 a StPO. Der ausgeschiedene Tatteil fällt für die Bemessung der Rechtsfolgen für den verbleibenden Sachverhalt nicht ins Gewicht. Die Staatsanwaltschaft hat der Beschränkung zugestimmt.
III.
Die zulässige Rechtsbeschwerde hat mit der Sachrüge Erfolg.
1. Nach § 710 Abs. 1 RVO handelt ordnungswidrig, wer als Mitglied oder Versicherter der Berufsgenossenschaft vorsätzlich, oder fahrlässig gegen eine nach den §§ 708, 709 RVO erlassene Unfallverhütungsvorschrift verstößt, soweit sie für einen bestimmten Tatbestand auf diese Bußgeldvorschrift verweist. Den Gründen des amtsgerichtlichen Urteils ist nicht zu entnehmen, ob die von ihm angewandten Unfallverhütungsvorschriften der Berufsgenossenschaft Holz die für die Annahme einer Ordnungswidrigkeit erforderliche Verweisung auf § 710 RVO enthalten. Es erhebt sich daher die Frage, ob der Senat den Inhalt der Unfallverhütungsvorschriften, insbesondere das Vorliegen einer Verweisung auf § 710 RVO, selbst feststellen kann. Dies wäre dann der Fall, wenn die Unfallverhütungsvorschriften als Rechtsnormen im Sinne von § 337 Abs. 2 StPO zu beurteilen wären. Handelt es sich hingegen um interne Anordnungen der Berufsgenossenschaft ohne Rechtssatzcharakter, die lediglich die Pflichten der Mitglieder gegenüber der Berufsgenossenschaft regeln, so wäre es allein Aufgabe des Tatrichters, den Inhalt dieser Anordnungen als Teil des Sachverhalts festzustellen. Das Revisions- bzw. Rechtsbeschwerdegericht wäre an die Wiedergabe des Inhalts der Vorschriften in den Urteilsgründen gebunden. Das Rechtsbeschwerdegericht könnte nur prüfen, ob der Tatrichter alle für die Auslegung maßgeblichen Gesichtspunkte beachtet hat (Hanack in Löwe/Rosenberg 24. Aufl. RdNr. 9, Pikart in KK RdNr. 14, je zu § 337 StPO; BGH VRS 16, 53; OLG Hamburg NStZ 1984, 273). Solchenfalls müßte das...