Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfahrensrecht
Leitsatz (redaktionell)
1. Wenn und solange das Erbrecht eines Beteiligten bestritten ist, kommt die Durchführung eines Auseinandersetzungsverfahrens nicht in Betracht.
2. Auch im Erbscheinsverfahren können die Beteiligten, soweit der Gegenstand der Vereinbarung ihrer Disposition unterliegt, nicht nur Vereinbarungen im Sinne des § 779 BGB schließen, sondern diese auch vor Gericht und mit dessen Mitwirkung zum Gegenstand von Prozeßhandlungen machen (Verfahrensvergleich). So können sich die Beteiligten verfahrensrechtlich über die Zurücknahme eines Erbscheinsantrags oder eines Rechtsmittels oder auch über einen Rechtsmittelverzicht einigen, materiellrechtlich zwar nicht über die Erbenstellung selbst, aber doch über die Ausübung von Gestaltungsrechten, die die Erbfolge beeinflussen, z.B. die Ausschlagung einer Erbschaft oder die Anfechtung einer letztwilligen Verfügung. Dabei können auch Gegenstände mitgeregelt werden, die selbst nicht Verfahrensgegenstand sind, wie z.B. die Zahlung einer Abfindung oder die Auseinandersetzung des Nachlasses.
3. Der von den Beteiligten im Erbscheinsverfahren geschlossene Vergleich ist jedoch kein Vollstreckungstitel i.S.v. § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO.
Normenkette
BGB § 779; ZPO § 794 Abs. 1 Nr. 1
Verfahrensgang
LG Ingolstadt (Beschluss vom 05.12.1996; Aktenzeichen 1 T 1541/96) |
AG Neuburg a.d. Donau (Aktenzeichen VI 163/94) |
Tenor
I. Die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1 gegen den Beschluß des Landgerichts Ingolstadt vom 5. Dezember 1996 wird zurückgewiesen.
II. Der Beteiligte zu 1 hat dem Beteiligten zu 2 die im Verfahren der weiteren Beschwerde entstandenen Kosten zu erstatten.
III. Der Geschäftswert des Verfahrens der weiteren Beschwerde wird auf 55.000 DM festgesetzt.
Tatbestand
I.
Die Erblasserin war die Mutter des Beteiligten zu 1, ihres einzigen Kindes. Dieser beantragte einen Erbschein, der ihn als Alleinerbe ausweisen sollte. Im Erbscheinsverfahren legte S., der Lebensgefährte der Erblasserin, verschiedene Schriftstücke vor, wonach er zum testamentarischen Alleinerben berufen war. Zur Beilegung des Erbschaftsstreits schlossen S. und der Beteiligte zu 1 vor dem Nachlaßgericht einen Vergleich, in dem der Beteiligte zu 1 seinen Erbscheinsantrag zurücknahm und das Erbrecht des S. anerkannte. Im Gegenzug verpflichtete sich S., an den Beteiligten zu 1 zur Abfindung von dessen Pflichtteilsansprüchen 465.000 DM zu bezahlen. Auf diesen Betrag wurde ein Bankguthaben in Höhe von 102.500 DM angerechnet, der Restbetrag sollte binnen einer Frist von drei Monaten fällig sein. Am 13.9.1995 erteilte der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle des Amtsgerichts dem Beteiligten zu 1 eine vollstreckbare Ausfertigung des Vergleichs. Am 16.10.1995 starb S. Der Beteiligte zu 2 ist sein Alleinerbe. Auf Antrag des Beteiligten zu 1 setzte das Amtsgericht auf die bereits erteilte vollstreckbare Ausfertigung eine Nachfolgeklausel.
Mit Beschluß vom 15.8.1996 hat das Nachlaßgericht auf Erinnerung des Beteiligten zu 2 festgestellt, daß die Erteilung der Vollstreckungsklausel unzulässig war, und die Zwangsvollstreckung aus der am 13.9.1995 erteilten Vollstreckungsklausel für unzulässig erklärt. Die hiergegen eingelegte Beschwerde des Beteiligten zu 1 hat das Landgericht mit Beschluß vom 5.12.1996 zurückgewiesen, da der Vergleich keinen Prozeßvergleich im Sinne von § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO und somit keinen Vollstreckungstitel darstelle. Er erfülle auch nicht die Voraussetzungen einer vollstreckbaren Urkunde gemäß § 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO, da sich S. nicht der sofortigen Zwangsvollstreckung unterworfen habe. Die Erteilung einer Vollstrek-kungsklausel sei daher unzulässig gewesen. Gegen diese Entscheidung richtet sich die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1.
Entscheidungsgründe
II.
1. Das Bayerische Oberste Landesgericht ist zur Entscheidung über das Rechtsmittel zuständig. Das Verfahren hat die Zulässigkeit der Erteilung einer Vollstreckungsklausel für einen vor dem Nachlaßgericht beschlossenen gerichtlichen Vergleich zum Gegenstand. Sieht man einen solchen Vergleich als Vollstreckungstitel im Sinn von § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO an, so hat eine solche Klausel der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle des Nachlaßgerichts als Gericht des ersten Rechtszugs zu erteilen (§ 795 i.V.m. § 724 Abs. 2 ZPO). Auch wenn für das Verfahren und insbesondere die Rechtsmittel insoweit die Vorschriften der Zivilprozeßordnung maßgebend sein sollten, entscheidet das Nachlaßgericht doch auch in diesem Fall als Gericht der freiwilligen Gerichtsbarkeit. Der Rechtszug bestimmt sich daher nach den für die freiwillige Gerichtsbarkeit geltenden Regeln (BayObLGZ 1983, 14/17 und 1995, 114/115, ausdrücklich für den Fall der Erteilung der Vollstreckungsklausel BayObLG Report 1996, 48; vgl. auch BayObLGZ 1955, 8 und für Familiensachen OLG Hamburg FamRZ 1981, 980). Für die Entscheidung über die hier eingelegte weitere Beschwerde ist somit die Zuständigkeit des Bayerischen Obersten Landesgerichts gegeben (§ 199 Abs. 1 ...