Leitsatz (amtlich)

Der von den Beteiligten in einem Erbscheinserteilungsverfahren geschlossene Vergleich stellt keinen Vollstreckungstitel im Sinne des § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO dar.

Soweit die Beteiligten einen Vergleich schließen, der auf die Erteilung eines Erbscheins abzielt, kann diese Vereinbarung das materielle Erbrecht nicht umfassen (im Anschluss an BayObLGZ 1966, 233).

 

Normenkette

FamFG § 36; ZPO § 794

 

Verfahrensgang

AG Weilheim (Aktenzeichen VI 1423/16)

 

Tenor

Der Senat weist die Beteiligten auf folgendes hin:

Verfahrensgegenständlich ist die sofortige Beschwerde gegen den Beschluss des Nachlassgerichts, in dem der Antrag der Beschwerdeführerin, sie zur Ersatzvornahme gemäß § 887 ZPO zu ermächtigen, zurückgewiesen worden ist.

Dem liegt folgender Sachverhalt zu Grunde:

I. Die Erblasserin am 26.10.2016 verstorbene Erblasserin errichtete am 1.1.2002 eine handschriftliche Verfügung von Todes wegen mit folgendem Wortlaut:

"Testament

Zum alleinigen Erben meines Besitzes bestimme ich Herrn U. H. - ausgenommen ist das Haus. Hier erhält Herr H. das Wohnrecht auf Lebenszeit.

Ich mache Herrn H. zur Auflage, daß er alle meine Tiere gut versorgt.

Das Haus erben zu gleichen Teilen

a) J. H. z. Z. wohnhaft xxx

b) M. S. z. Z. wohnhaft xxx.

Sollte Herr H. vor mir sterben, oder unsere Beziehung beendet sein, erhalten die Mädchen alles - inklusive gleicher Auflage.

[eigenhändige Unterschrift]"

Mit Beschluss vom 12.6.2017 kündigte das Nachlassgericht die Erteilung eines Erbscheins zugunsten des Beteiligten zu 1 an; der Erbscheinsantrag der Beteiligten zu 2 (= Beschwerdeführerin) wurde zurückgewiesen.

Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 2 schlossen die Beteiligten vor dem Nachlassgericht am 12.12.2017 einen Vergleich mit folgendem Inhalt:

"1. Die Beteiligten sind sich darüber einig, dass der Beteiligte H. einen Erbschein erhält.

Die Beteiligte K. nimmt zu diesem Zweck den Erbscheinsantrag vom 04.02.2017 zurück.

2. Der Beteiligte H. verpflichtet sich in Vollzug des Testaments der Erblasserin, der Beteiligten K. die Hälfte des Eigentums an dem zum Nachlass gehörenden Grundbesitz bis sp. 28.02.2018 unentgeltlich zu übertragen, die Auflassung zu erklären und die Eintragung in das Grundbuch zu beantragen.

3. Der Beteiligte H. verpflichtet sich eine Auflassungsvormerkung zugunsten der Beteiligten K. für den Fall seines Todes an seiner Miteigentumshälfte eintragen zu lassen."

In der Folgezeit erteilte das Nachlassgericht dem Beteiligten zu 1 einen Erbschein, der ihn als Alleinerben ausweist und bezüglich des Vergleichs eine vollstreckbare Ausfertigung für die Beteiligte zu 2.

Nachdem die Ziffern 2 und 3 des Vergleichs bislang nicht umgesetzt worden sind, beantragte die Beschwerdeführerin nunmehr beim Nachlassgericht, nach § 887 ZPO ermächtigt zu werden, die Auflassung für das näher bezeichnete Grundstück zu erklären.

Das Nachlassgericht wies den Antrag mit der Begründung zurück, dass der Vergleich vom 12.12.2017 keinen vollstreckungsfähigen Inhalt habe und deswegen nicht Grundlage der Zwangsvollstreckung sein kann.

Dagegen richtet sich die sofortige Beschwerde.

II. Die sofortige Beschwerde dürfte im Ergebnis ohne Erfolg bleiben.

 

Gründe

1. Das Nachlassgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen darauf gestützt, dass sich eine Vollstreckung nach § 888 ZPO richte und die Voraussetzungen insoweit nicht vorlägen, weil der Vergleich keinen vollstreckungsfähigen Inhalt habe.

Die Entscheidung des Nachlassgerichts könnte sich im Ergebnis als richtig erweisen, ohne dass es auf die vom Nachlassgericht erörterte (und verneinte) Frage, ob der Vergleich vom 12.12.2017 hinreichend bestimmt ist, überhaupt ankommt.

2. Der Vergleich vom 12.12.2017 dürfte - im Gegensatz zur Ansicht des Nachlassgerichts - schon gar kein Vollstreckungstitel im Sinne des § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO sein (BayObLG NJW-RR 1997, 1368).

Der Senat teilt die Ansicht des BayObLG, das im Kern von folgendem ausgeht:

a) Im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit können die Beteiligten, soweit der Gegenstand der Vereinbarung ihrer Disposition unterliegt, einen Vergleich schließen (§ 36 FamFG). Dies gilt grundsätzlich auch für das Erbscheinsverfahren. Insoweit können sich die Beteiligten verfahrensrechtlich über die Zurücknahme eines Erbscheinsantrags oder eines Rechtsmittels oder auch über einen Rechtsmittelverzicht einigen, materiell-rechtlich allerdings nicht über die Erbenstellung selbst (BayObLGZ 1966, 233 (236)).

Dabei können auch Gegenstände mit geregelt werden, die selbst nicht Verfahrensgegenstand sind, wie z.B. die Zahlung einer Abfindung oder die Auseinandersetzung des Nachlasses. Dies folgt schon daraus, dass auch die Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit im Kern darauf abzielen, Rechtsfrieden unter den Beteiligten zu schaffen. Eine Möglichkeit der Vollstreckung von Vergleichen nach § 36 FamFG unmittelbar nach dem FamFG ist nicht vorgesehen, wie beispielsweise §§ 366, 371 FamFG zeigen, die ihrerseits auf § 795 ZPO verweisen.

b) Ob eine im Erbscheinsverfahren vor dem Nachlassgericht und prot...

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