Leitsatz (amtlich)
Bestimmung des örtlich zuständigen LG wegen nachträglicher sachlicher Unzuständigkeit des AG aufgrund einer Widerklage, die bisher nicht am Verfahren beteiligte Dritte einbezieht, für die beim übergeordneten LG kein Gerichtsstand begründet ist.
Normenkette
ZPO §§ 33, 36 Abs. 1 Nr. 3, § 506 Abs. 1
Verfahrensgang
AG Pfaffenhofen a.d. Ilm (Aktenzeichen 2 C 144/02) |
Tenor
Als örtlich zuständig wird das LG Ingolstadt bestimmt.
Gründe
I. Der Kläger und die Drittwiderbeklagten zu 2) bis 4) gründeten mit Gesellschaftsvertrag vom 1.10.1992 die Bauherrengemeinschaft R. GbR (Gesellschaft bürgerlichen Rechts) mit Sitz in R. im Landgerichtsbezirk Neubrandenburg (Mecklenburg-Vorpommern). Gegenstand der Gesellschaft ist die Errichtung und Vermietung eines Büro- und Geschäftsgebäudes in R. Das Betriebsgrundstück der Gesellschaft stand im Miteigentum des Klägers und der Drittwiderbeklagten zu 2) bis 4); die Drittwiderbeklagte zu 1) ist wiederum am Miteigentumsanteil des Klägers zur Hälfte beteiligt.
Mit Vertrag vom 4.8.1998 Übertrugen der Kläger und die Drittwiderbeklagte zu 1) sowie die Drittwiderbeklagten zu 2) bis 4) an den Beklagten ein Fünftel Bruchanteil an ihrem jeweiligen Miteigentumsanteil zur Beilegung einer gesellschaftsrechtlichen Streitigkeit über die Wirksamkeit des Grundstückserwerbs seitens der Gesellschaft des bürgerlichen Rechts von einer R. GmbH, deren Gesellschafter neben dem Kläger und den Drittbeklagten zu 2) und 4) der Beklagte ist. Dieser verpflichtete sich im notariellen Vertrag vom 4.8.1998, an den Kläger jährlich 3.000 DM für eine persönliche Sicherheitengestellung zugunsten der GbR zu bezahlen. Außerdem gewährte der Kläger dem Beklagten am 4.6.1999 ein mit 4,75 % jährlich zu verzinsendes Darlehen über 20.000 DM mit dem Verwendungszweck „Privatdarlehen für die Bauherrengemeinschaft R. GbR”. Am 9.12.1999 ist der Beklagte als Gesellschafter in die Bauherrengemeinschaft R. GbR eingetreten.
Der im Landgerichtsbezirk Ingolstadt (Bayern) wohnhafte Kläger hat vor dem AG Pfaffenhofen a.d. Ilm Klage gegen den ebenfalls im Landgerichtsbezirk Ingolstadt wohnhaften Beklagten auf Bezahlung der Vergütung für Sicherheitengestellung im Jahr 2000 und Darlehenszinsen bis einschl. Dezember 2001 i.H.v. insgesamt 2.253,97 Euro erhoben. Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt und Widerklage sowie Drittwiderklage gegen die im Landgerichtsbezirk Ingolstadt wohnhafte Drittwiderbeklagte zu 1) und gegen die im Landgerichtsbezirk Neubrandenburg wohnhaften Drittwiderbeklagten zu 2) bis 4) erhoben. Mit der Widerklage macht der Beklagte gegen den Kläger und die Drittwiderbeklagten als Gesamtschuldner einen Anteil i.H.v. 8.146,46 Euro aus dem von der Bauherrengemeinschaft R. GbR im Jahr 1999 erzielten Überschuss über die Einnahmen der Werbungskosten geltend.
Das AG wies die Parteien darauf hin, dass es aufgrund des Widerklagestreitwerts nicht mehr sachlich zuständig sei. Der Beklagte beantragte, den Rechtsstreit an das zuständige LG zu verweisen und dieses gem. § 36 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 ZPO bestimmen zu lassen. Das AG hält die Zulassung der Drittwiderklagen für sachdienlich und hat auf Antrag des Beklagten die Akten dem OLG München zur Bestimmung des örtlich zuständigen Gerichts vorgelegt, das diese dem Bayerischen obersten Landesgericht zuständigkeitshalber übersandt hat.
II. 1. Das BayObLG ist zur Entscheidung über den Antrag auf Bestimmung des örtlich zuständigen Gerichts berufen, weil einerseits der Gerichtsstand der Klage im Bezirk des LG Ingolstadt liegt, während der allgemeine Gerichtsstand der Widerbeklagten sowohl dort (Widerbeklagter, Drittwiderbeklagte zu 1)) als auch im Landgerichtsbezirk Neubrandenburg (Mecklenburg-Vorpommern) liegt und ein bayerisches Gericht zuerst mit der Sache befasst war (vgl. Thomas/Putzo, 24. Aufl., § 36 ZPO Rz. 6a).
2. Nach der Rechtsprechung des BGH kann im Falle der Widerklage, die weitere bisher nicht am Verfahren Beteiligte einbezieht, die keinen Gerichtsstand beim Klagegericht haben, die örtliche Zuständigkeit unter den Voraussetzungen des § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO bestimmt werden, wenn das mit der Widerklage befasste Gericht deren Sachdienlichkeit gem. § 263 ZPO bejaht (BGH v. 28.2.1991 – I ARZ 711/80, MDR 1991, 1093 = NJW 1991, 2838; NJW 1992, 982; v. 6.5.1993 – VII ZR 7/93, MDR 1991, 1121 = NJW 1993, 2120; NJW 2000, 1871 [1872]). Das ist der Fall. Die übrigen Voraussetzungen des § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO liegen vor:
a) Der Beklagte ist als Widerkläger zum Antrag gem. § 36 Abs. 1 Nr. 3, § 37 ZPO befugt.
b) Der Rechtsstreit ist noch nicht so weit gediehen, dass eine Gerichtsstandsbestimmung auszuscheiden hätte (vgl. BGH v. 27.10.1983 – I ARZ 334/83, BGHZ 88, 331 [333]; BayObLG v. 20.4.1993 – 1Z AR 5/93, BayObLGZ 1993, 170 [17] m.w.N.). Maßgebend ist der Stand des Prozessverhältnisses zwischen dem Widerkläger und dem Kläger sowie den Drittwiderbeklagten. Insoweit hat noch keine mündliche Verhandlung stattgefunden.
c) Die Widerklage und die Drittwiderklage sind gegen Streitgenossen im ...