Entscheidungsstichwort (Thema)
Nichtigkeit eines Eigentümerbeschlusses
Leitsatz (amtlich)
Ein Eigentümerbeschluß, durch den der Verwalter beauftragt wird, die Anerkennung der Widmung einer im Gemeinschaftseigentum stehenden Grundstücksfläche oder die Zustimmung zur Widmung dieser Fläche als Gemeinde Straße zu erklären, ist wegen absoluter Beschlußunzuständigkeit der Wohnungseigentümer nichtig.
Normenkette
WEG § 23 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Kempten (Beschluss vom 13.03.2002; Aktenzeichen 4 T 2136/00) |
AG Kempten (Beschluss vom 14.09.2000; Aktenzeichen 5 UR II 10/00) |
Tenor
I. Auf die sofortige weitere Beschwerde des Antragstellers werden der Beschluß des Landgerichts Kempten (Allgäu) vom 13. März 2002 und der Beschluß des Amtsgerichts Kempten (Allgäu), Zweigstelle Sonthofen, vom 14. September 2000 aufgehoben.
II. Die Eigentümerbeschlüsse vom 1. April 2000 zu den Tagesordnungspunkten 6 a und 6 b sind nichtig.
III. Die Antragsgegner haben als Gesamtschuldner die Gerichtskosten aller Rechtszüge zu tragen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
IV. Der Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 25.564 EUR festgesetzt.
Tatbestand
I.
Der Antragsteller und die Antragsgegner sind die Wohnungseigentümer einer Wohnanlage, die als Hotel betrieben und von der weiteren Beteiligten verwaltet wird.
Der Zugang zum Hotel erfolgt über einen Privatweg, der im Eigentum der Wohnungseigentümer steht.
Die Rechtsvorgängerin der Wohnungseigentümer, eine Bauherrengemeinschaft, verpflichtete sich im Erschließungsvertrag mit der Stadt, die nach dem Bebauungsplan für die Erschließungsanlagen erforderlichen Flächen, soweit sie in ihrem Eigentum stehen, der Stadt zur Verfügung zu stellen und kosten- und lastenfrei zu, übertragen. Mit Verfügung vom 28.10.1996 widmete die Stadt den Privatweg als Ortsstraße.
In der Wohnungseigentümerversammlung vom 1.4.2000 waren 76.298/100.000 Anteile vertreten. Die Wohnungseigentümer beschlossen zu Tagesordnungspunkt (TOP) 6 (Widmung des Privatwegs):
Beauftragung des Verwalters zur Zustimmung der Widmung
Der Verwalter wird bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen bei einer Gegenstimme beauftragt, die Zustimmung zur Widmung der Grundstücksflächen an dem Privatweg zu erklären.
Beauftragung des Verwalters zur Anerkennung der Widmung
Der Verwalter wird bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen einstimmig beauftragt, die Anerkennung zur Widmung der Grundstücksfläche an dem Privatweg zu erklären.
Der Antragsteller hat am 25.4.2000 beantragt, die Nichtigkeit der Eigentümerbeschlüsse festzustellen, hilfsweise die Eigentümerbeschlüsse für ungültig zu erklären. Das Amtsgericht hat mit Beschluß vom 14.9.2000 den Antrag abgewiesen. Das Landgericht hat am 13.3.2002 die sofortige Beschwerde des Antragstellers verworfen. Hiergegen richtet sich dessen sofortige weitere Beschwerde.
Entscheidungsgründe
II.
Das zulässige Rechtsmittel ist begründet.
1. Das Landgericht hat ausgeführt: Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluß des Amtsgerichts sei wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig. Ein Vollzug der Eigentümerbeschlüsse komme nicht mehr in Betracht. Eine Zustimmung oder Anerkennung des Verwalters hinsichtlich der Widmung der Grundstücksflächen sei nicht mehr erforderlich. Die Stadt habe nämlich mit Schreiben vom 31.1.2001 mitgeteilt, daß sie von einer wirksamen Widmung ausgehe und sie die Widmungsverfügung der Stadt vom 28.10.1996 als bestandskräftig betrachte.
2. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
a) Das Verfahren hat sich in der Hauptsache in der Beschwerdeinstanz nicht erledigt. Die sofortige Beschwerde gegen den Beschluß des Amtsgerichts war deshalb zulässig. Die Hauptsacheerledigung ist in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen; sie tritt ein, wenn der Verfahrensgegenstand durch ein Ereignis, welches eine Änderung der Sach- und Rechtslage herbeiführt, fortgefallen ist (BayObLG WE 1990, 142 f.). Dies trifft hier nicht zu. Verfahrensgegenstand ist der Auftrag der Wohnungseigentümer an den Verwalter, die Zustimmung zur Widmung oder die Anerkennung der Widmung zu erklären. Die Hauptsache hätte sich nur dann erledigt, wenn ein weiteres Tätigwerden des Verwalters nicht mehr in Betracht käme. Davon kann hier nicht ausgegangen werden. Nach Art. 6 Abs. 3 BayStrWG setzt die Widmung voraus, daß der Träger der Straßenbaulast das dingliche Recht hat, über das der Straße dienende Grundstück zu verfügen, oder daß der Eigentümer und ein sonst zur Nutzung dinglich Berechtigter der Widmung zugestimmt hat. Der Antragsteller trägt vor, er habe der Widmung nicht zugestimmt. Ob bei Fehlen der Widmungsvoraussetzungen die Nichtigkeit der Widmungsverfügung anzunehmen ist, ist umstritten (vgl. Zeitler 3. Aufl. Stand April 2001 BayStrWG Art. 6 Rn. 32). Der Antragsteller hat mit Schriftsatz vom 15.4.2002 bei der Stadt den Antrag gestellt, gemäß § 44 Abs. 1 BayVwVfG die Nichtigkeit der Widmungsverfügung festzustellen, hilfsweise gemäß Art. ...