Leitsatz (amtlich)
1. Der Verfahrensgegenstand des Verfahrens der weiteren Beschwerde wird durch den Gegenstand begrenzt, über den das Beschwerdegericht eine Entscheidung getroffen hat.
2. Hat das LG als Beschwerdegericht den Antrag des Betroffenen abgelehnt, ihn aus der Unterbringung zu entlassen und ist nach dieser Entscheidung die Erledigung der Hauptsache eingetreten, kann das Gericht der weiteren Beschwerde nur über die Rechtswidrigkeit dieser Entscheidung befinden. Ein erst im Verfahren der weiteren Beschwerde gestellter Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Unterbringung bereits ab dem Zeitpunkt der Anordnung des AG ist zurückzuweisen.
Normenkette
UnterbrG Art. 1 Abs. 1 S. 1, Art. S. 2; GG Art. 19 Abs. 4
Verfahrensgang
AG Bayreuth (Aktenzeichen XIV L 150/02) |
LG Bayreuth (Aktenzeichen 44 T 72/02) |
Tenor
I. Es wird festgestellt, dass die Anordnung der vorläufigen Unterbringung des Betroffenen für die Zeit ab dem Beschluss des LG Bayreuth vom 26.6.2002 rechtswidrig war.
II. Im Übrigen wird der Antrag des Betroffenen zurückgewiesen.
III. Die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen des Betroffenen werden der Stadt Bayreuth auferlegt.
IV. Der Geschäftswert für das Verfahren der sofortigen weiteren Beschwerde wird auf 3.000 Euro festgesetzt.
Gründe
I. Der Betroffene, der an einer Manie leidet, wurde auf Anordnung der Stadt Bayreuth vom 21.5.2002 am gleichen Tage vorläufig in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht. Er war an diesem Tage dadurch aufgefallen, dass er in den Morgenstunden Essen, Getränke und Schuhe von ihm unbekannten Personen kaufen wollte und einem Landwirt einen 50-Euro-Schein auf den Misthaufen warf. Bei einer Kontrolle durch die Polizei flüchtete er und wehrte sich nach seiner Fixierung unter Bellen, Miauen und Krähen gegen seine Einlieferung in ein Bezirkskrankenhaus. Bei seiner Untersuchung durch einen Medizinaloberrat drohte er damit, diesen umzubringen.
Beim gerichtlichen Anhörungstermin am 22.5.2002 war eine Verständigung mit dem unter Medikamenteneinwirkung stehenden Betroffenen nicht möglich. Das AG bestätigte am gleichen Tag durch einstweilige Anordnung die vorläufige Unterbringung des Betroffenen bis spätestens zum 2.7.202. Hiergegen legte der Betroffene sofortige Beschwerde ein.
Das LG hat die sofortige Beschwerde mit Beschluss vom 26.6.2002 zurückgewiesen. Der Betroffene ist am 2.7.2002 aus dem psychiatrischen Krankenhaus entlassen worden.
Mit seiner sofortigen weiteren Beschwerde will der Betroffene die Feststellung erreichen, dass die mit Beschluss des AG vom 22.5.2002 angeordnete vorläufige Unterbringung rechtswidrig war.
II. Das Rechtsmittel ist zulässig und hat auch in der Sache teilweise Erfolg. Das LG hätte die Anordnung der vorläufigen Unterbringung nicht aufrecht erhalten dürfen, da im Zeitpunkt seiner Entscheidung am 22.6.2002 die Voraussetzungen einer vorläufigen Unterbringung des Betroffenen nicht vorlagen. Insoweit war der Fortbestand der Anordnung rechtswidrig. Im Übrigen war eine Rechtswidrigkeit nicht festzustellen.
1. Die sofortige weitere Beschwerde mit dem Ziel, die Rechtswidrigkeit der angeordneten vorläufigen Unterbringung festzustellen, ist zulässig. Zwar hat sich vor Einlegung der sofortigen weiteren Beschwerde die Hauptsache dadurch erledigt, dass der Betroffene entlassen worden ist. Dennoch fehlt der sofortigen Beschwerde nicht das Rechtsschutzbedürfnis. Die in Art. 19 Abs. 4 GG verbürgte Effektivität des Rechtsschutzes gebietet es, dass in den Fällen, in denen der durch die geschlossene Unterbringung bewirkte tiefgreifende Eingriff in das Grundrecht der Freiheit beendet ist, die Schutzwürdigkeit des Interesses des Betroffenen an der Feststellung der Rechtswidrigkeit des Grundrechtseingriffs zu bejahen (vgl. zuletzt BVerfG v. 5.12.2001 – 2 BvR 527/99, NJW 2002, 2456; Demharter, FGPrax 2002, 137 [138]). Ob hiervon im Einzelfall Ausnahmen gerechtfertigt sein können (vgl. Demharter, FGPrax 2002, 137 [138]), bedarf keiner weiteren Erörterung, da im vorliegenden Fall einer kurzzeitigen Freiheitsentziehung bereits nach den bisher maßgebenden Grundsätzen der Rspr. (vgl. BVerfG v. 10 5.1998 – 2 BvR 978/97, NJW 1998, 2432; BayObLG v. 20.7.2001 – 3 Z BR 69/01, NJW 2002, 146 m.w.N.) der Fortbestand des Rechtsschutzbedürfnisses zu bejahen ist.
2. Gegenstand der Rechtswidrigkeitsfeststellung durch den Senat kann nur die Frage sein, ob das LG zu Recht die Fortdauer der vorläufigen Unterbringung bestätigt hat.
a) Die Rechtswidrigkeitsfeststellung kann sich im Grundsatz sowohl auf die ursprüngliche Anordnung der öffentlich-rechtlichen Unterbringung als auch deren Fortbestand für den Zeitraum der Durchführung der Unterbringung bis zum Eintritt des erledigenden Ereignisses beziehen. Der Betroffene legt durch seinen Antrag fest, in welchem Umfang er die Rechtswidrigkeit überprüft sehen möchte (vgl. hierzu BayObLGZ 2002 Nr. 54). Tritt die Erledigung erst nach Erlass der Entscheidung des Beschwerdegerichts ein, sind allerdings die Grenzen zu beach...