Leitsatz (amtlich)
Begeht ein Patient, der sich zunächst freiwillig in die geschlossene Abteilung eines Nervenkrankenhauses begeben hatte, in krankheitsbedingter Verkennung der Situation einen tätlichen Angriff auf das Pflegepersonal, und wird er anschließend überwältigt und fixiert, so kann das VormG im Rahmen der vorläufigen Unterbringung davon ausgehen, dass der Betroffene entsprechend den Angaben im Antrag der Nervenklinik nicht mehr freiwillig in der geschlossenen Abteilung verbleibt.
Verfahrensgang
LG Bayreuth (Beschluss vom 15.06.2004; Aktenzeichen 44 T 85/04) |
AG Bayreuth (Aktenzeichen XIV 156/04) |
Tenor
Die sofortige weitere Beschwerde des Betroffenen gegen den Beschluss des LG Bayreuth vom 15.6.2004 wird zurückgewiesen.
Gründe
I. Der Betroffene, der seit Jahren an einer bipolaren affektiven Erkrankung leidet, begab sich am Sonntag, 16.5.2004 gegen 3.00 Uhr morgens auf Veranlassung seiner Lebensgefährtin freiwillig in die geschlossene Abteilung des Bezirkskrankenhauses, da sich bei ihm Zeichen eines manischen Schubs manifestierten.
Nachdem der Betroffene gegen 7.00 Uhr des 16.5.2004 zwei Krankenschwestern, die ihn aus einem fremden Patientenzimmer verweisen wollten, verbal und tätlich bedroht hatte, wurde er nach Art. 10 Abs. 4 UnterbrG im Bezirkskrankenhaus festgehalten und zeitweise fixiert.
Mit Beschluss vom 16.5.2004 ordnete das VormG mit sofortiger Wirksamkeit die vorläufige Unterbringung des Betroffenen in einem Psychiatrischen Krankenhaus bis längstens 26.6.2004 an.
Mit am gleichen Tage bei Gericht eingegangenem Schriftsatz v. 1.6.2004 legte die Verfahrensbevollmächtigte des Betroffenen gegen den am 18.5.2004 zugestellten Beschluss des VormG sofortige Beschwerde ein mit den Anträgen,
1. festzustellen, dass die angeordnete vorläufige Unterbringung und deren bisherige Durchführung rechtswidrig gewesen sei und
2. die vorläufige Unterbringung aufzuheben.
Darüber hinaus beantragte sie festzustellen, dass die am 16.5.2004 im Bezirkskrankenhaus bei dem Betroffenen vorgenommenen Fixierungen rechtswidrig waren.
Nachdem das LG am 11.6.2004 den Betroffenen und zwei Sachverständige im Bezirkskrankenhaus angehört hatte, wies es mit Beschluss vom 15.6.2004, dem Betroffenen und seiner Verfahrensbevollmächtigten zugestellt am 23.6.2004, die sofortige Beschwerde des Betroffenen zurück. Der Betroffene wurde am 24.6.2004 in eine offen geführte Station des Bezirkskrankenhauses verlegt.
Mit seiner am gleichen Tag beim AG eingegangenen sofortigen weiteren Beschwerde vom 7.7.2004 will der Betroffene die Feststellung erreichen, dass die mit Beschluss des AG vom 16.5.2004 angeordnete vorläufige Unterbringung und die an dem Betroffenen während der Unterbringung vorgenommenen Fixierungsmaßnahmen rechtswidrig waren.
II. Die sofortige weitere Beschwerde ist zulässig, soweit sie die Feststellung der Rechtswidrigkeit der vorläufigen Unterbringung begehrt. Sie hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.
1. Die sofortige weitere Beschwerde mit dem Ziel, die Rechtswidrigkeit der angeordneten vorläufigen Unterbringung festzustellen, ist zulässig. Zwar hat sich vor Einlegung der sofortigen weiteren Beschwerde die Hauptsache durch Ablauf der im Beschluss des AG vom 16.5.2004 angeordneten Unterbringungsfrist erledigt. Dennoch fehlt der sofortigen Beschwerde nicht das Rechtsschutzbedürfnis (BayObLGZ 2002, 204 [206]). Die in Art. 19 Abs. 4 GG verbürgte Effektivität des Rechtsschutzes gebietet es in den Fällen, in denen der durch die beschlossene Unterbringung bewirkte tief greifende Eingriff in das Grundrecht der Freiheit beendet ist, die Schutzwürdigkeit des Interesses des Betroffenen an der Feststellung der Rechtswidrigkeit des Grundrechtseingriffs zu bejahen (BVerfG v. 5.12.2001 - 2 BvR 527/99, NJW 2002, 2456; Demharter, FGPrax 2002, 137 [138]). Ob hiervon im Einzelfall Ausnahmen gerechtfertigt sein können, bedarf keiner weiteren Erörterung, da im vorliegenden Fall einer kurzzeitigen Freiheitsentziehung bereits nach den bisher maßgebenden Grundsätzen der Rechtsprechung (BVerfG v. 10.5.1998 - 2 BvR 978/97, NJW 1998, 2432; BayObLG v. 20.7.2001 - 3 Z BR 69/01, NJW 2002, 146; m.w.N.) der Fortbestand des Rechtsschutzbedürfnisses zu bejahen ist. Es kann dahingestellt bleiben, ob das Rechtsschutzinteresse für den Fall zu verneinen wäre, dass der Betroffene mit seinem Verbleib in der geschlossenen Abteilung des Bezirkskrankenhauses einverstanden war (KG FGPrax 2002, 45 [46]; BVerfG v. 14.6.1998 - 2 BvR 2227/96, NJW 1998, 2813 [2814]). Das Beschwerdegericht hat rechtsfehlerfrei angenommen, dass das Einverständnis des Betroffenen nach dem Vorfall am Morgen des 16.5.2004 entfallen war (s.u. 3. b (3) dd).
2. Gegenstand der Rechtswidrigkeitsfeststellung durch den Senat ist zum einen, ob das LG es zu Recht abgelehnt hat, die Rechtswidrigkeit der Anordnung der Unterbringung festzustellen und zum anderen die Frage, ob das LG zu Recht die Fortdauer der vorläufigen Unterbringung bestätigt hat.
Die Rechtswidrigkeitsfeststellung kann sich sowohl auf die ursprüngliche...