Leitsatz (amtlich)
I. Ein zulässiger Antrag des Sicherungsverwahrten auf gerichtliche Entscheidung nach §§ 109 ff. StVollzG i.V.m. Art. 103 BaySvVollzG ist Voraussetzung für eine zulässige Rechtsbeschwerde.
II. Die Beauftragung eines Sachverständigen durch die Justizvollzugsanstalt zur Erstellung eines Gutachtens nach Art. 57 Abs. 1 Satz 2 BaySvVollzG zur Prüfung, ob vollzugsöffnende Maßnahmen zu gewähren sind, stellt keine Maßnahme im Sinne des § 109 StVollzG i.V.m. Art. 103 BaySvVollzG dar, da sie noch keine unmittelbare Rechtswirkung dem Verwahrten gegenüber entfaltet, sondern eine Maßnahme mit Regelungscharakter der Justizvollzugsanstalt lediglich vorbereitet.
III. Mangels Vorliegens einer "Maßnahme" im Sinne des § 109 StVollzG i.V.m. Art. 103 BaySvVollzG liegen die Voraussetzungen für die Beiordnung eines Rechtsanwalts gemäß § 109 Abs. 3 StVollzG i.V.m. Art. 103 BaySvVollzG, § 66c Abs. 1 StGB nicht vor.
Normenkette
StVollzG § 109 ff.; BaySvVollzG Art. 57 Abs. 1-2, Art. 103; StGB § 66c Abs. 1
Verfahrensgang
LG Regensburg (Entscheidung vom 26.09.2023; Aktenzeichen SR StVK 1327/23) |
Tenor
1. Die Rechtsbeschwerde des Sicherungsverwahrten gegen den Beschluss der auswärtigen kleinen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Regensburg bei dem Amtsgericht Straubing vom 26. September 2023 wird auf Kosten des Beschwerdeführers einstimmig als unzulässig verworfen.
2. Der Gegenstandwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 100 Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Der Sicherungsverwahrte wendet sich gegen die Beauftragung des Sachverständigen Dr. Nitschke zur Erstellung eines Lockerungsgutachtens durch die Einrichtung für Sicherungsverwahrung, da er diesen wegen der Besorgnis der Befangenheit ablehne und sich von ihm nicht explorieren lasse. Dieser habe bereits im Jahr 2018 ein extrem negatives Gutachten erstellt. Ein Gutachten von Prof. Dr. Kröber sei von der Einrichtung nicht umgesetzt worden. Der Vollzugsleiter der Einrichtung ziehe alles in die Länge.
Er hat erstinstanzlich beantragt, diese "Maßnahme" der Antragsgegnerin aufzuheben und diese zu verpflichten, einen der von ihm vorgeschlagenen Gutachter zu bestellen.
Außerdem begehrt er die Beiordnung eines Rechtsanwalts für das vorliegende Verfahren.
Gegen den diese Anträge zurückweisenden, dem Beschwerdeführer am 28.09.2023 zugestellten Beschluss der auswärtigen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Regensburg bei dem Amtsgericht Straubing vom 26.09.2023 hat der Beschwerdeführer am 11.10.2023 zur Niederschrift der Geschäftsstelle des Amtsgerichts Straubing Rechtsbeschwerde eingelegt.
Die Generalstaatsanwaltschaft München hat mit Schreiben vom 19.10.2023 die Verwerfung der Rechtsbeschwerde als unzulässig beantragt.
Hierauf hat der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 09.11.2023 erwidert.
II.
Die form- und fristgerecht Rechtsbeschwerde ist unzulässig.
1. Zum einen ist die Nachprüfung der gerichtlichen Entscheidung weder zur Fortbildung des Rechts noch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten (§ 116 Abs. 1, § 119 Abs. 3 StVollzG i.V.m. Art. 103 BaySvVollzG).
2. Zum anderen liegt ein zulässiger Antrag des Sicherungsverwahrten auf gerichtliche Entscheidung nach §§ 109 ff. StVollzG i.V.m. Art. 103 BaySvVollzG nicht vor. Ein solcher ist aber nach ständiger Rechtsprechung der beiden für Rechtsbeschwerden in Strafvollzugssachen zuständigen Strafsenate des Bayerischen Obersten Landesgerichts (vgl. etwa Beschluss vom 19.6.2023 - 204 StObWs 192/23 -, nicht veröffentlicht) Voraussetzung für eine zulässige Rechtsbeschwerde (so auch KG, Beschlüsse vom 18.05.2009 - 2 Ws 8/09 Vollz, juris Rn. 6, vom 01.02.2017 - 2 Ws 253/16 Vollz, juris Rn. 8, vom 25.09.2017 - 2 Ws 145/17 Vollz, juris Rn. 5; Spaniol in: Feest/Lesting/Lindemann, StVollzG, 8. Aufl. 2021, Teil IV, § 116 StVollzG, Rn. 4 m.w.N.; Laubenthal in: Schwind/Böhm/Jehle/Laubenthal, StVollzG, 7. Auflage 2020, 12. Kap., Abschn. J, Rn. 3).
a) Gegenstand eines zulässigen Antrags auf gerichtliche Entscheidung kann nur eine Maßnahme im Sinne von § 109 StVollzG i.V.m. Art. 103 BaySvVollzG sein. Zwar ist der Begriff der Maßnahme weit auszulegen und erfasst auch schlicht hoheitliches Handeln; Voraussetzung ist jedoch, dass ein behördliches Handeln zur Regelung eines Einzelfalls vorliegt, welches unmittelbar Rechtswirkung für den Einzelnen hat (vgl. Arloth/Krä/Arloth, 5. Aufl. 2021, StVollzG § 109 Rn. 7; Bachmann in: Laubenthal/Nestler/ Neubacher/Verrel, StVollzG, 12. Aufl., Abschn. P Rn. 29; Callies/ Müller-Dietz, StVollzG, 11. Aufl., § 109 Rn. 11 ff. m.w.N.).
b) Gemäß Art. 57 Abs. 1 Satz 2 BaySvVollzG soll bei der Prüfung, ob vollzugsöffnende Maßnahmen zu gewähren sind, ein Gutachten eingeholt werden. Die Beauftragung eines Sachverständigen durch die Antragsgegnerin zur Erstellung eines solchen Gutachtens stellt - wovon auch die Strafvollstreckungskammer zutreffend ausgeht - keine Maßnahme im Sinne des § 109 StVollzG i.V.m. Art. 103 BaySvVollzG dar, da sie noch keine unmittelbare Rechtswirkung dem Verwahrten gegenüber entfaltet, sondern eine...