Leitsatz (amtlich)
Zur Änderung der Art der Unterhaltsgewährung wegen tiefgreifender Entfremdung zwischen Mutter und Tochter, die nach dem Auszug der Tochter durch Zeitablauf eingetreten ist.
Normenkette
BGB § 1612 Abs. 2 S. 2
Verfahrensgang
LG Nürnberg-Fürth (Beschluss vom 20.07.1994; Aktenzeichen 13 T 9528/93) |
AG Nürnberg (Beschluss vom 26.07.1993; Aktenzeichen X 143/93) |
Tenor
I. Auf die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 2 wird der Beschluß des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 20. Juli 1994 in den Nummern I und II aufgehoben.
II. Die Beschwerde der Beteiligten zu 1 gegen den Beschluß des Amtsgerichts Nürnberg vom 26. Juli 1993 wird insgesamt zurückgewiesen.
III. Die Beteiligte zu 1 hat die der Beteiligten zu 2 im Beschwerdeverfahren entstandenen Kosten zu erstatten; im übrigen findet eine Kostenerstattung nicht statt.
IV. Der Geschäftswert des Verfahrens der weiteren Beschwerde wird auf 5.000 DM festgesetzt.
V. Der Beteiligten zu 1 wird für das Verfahren der weiteren Beschwerde Prozeßkostenhilfe bewilligt; ihr wird Rechtsanwältin R. in Nürnberg beigeordnet.
Tatbestand
I.
Die … 1974 geborene unverheiratete Antragstellerin ist die Tochter der Antragsgegnerin, deren Ehe seit dem Jahr 1976 geschieden ist. Sie hat nach einer Auseinandersetzung mit der Mutter am 11.9.1992 deren Haushalt verlassen und ist zu ihrem Freund gezogen. Nachdem ihr die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 30.11.1992 die Gewährung von Naturalunterhalt angeboten hatte, beantragte sie beim Vormundschaftsgericht mit Schriftsatz vom 9.3.1993, die Unterhaltsbestimmung der Antragsgegnerin dahin zu ändern, daß diese den Unterhalt in Barleistung zu erbringen habe.
Die Rechtspflegerin des Vormundschaftsgerichts hat die Beteiligten persönlich angehört und mit Beschluß vom 26.7.1993 den Änderungsantrag zurückgewiesen. Der Richter hat der hiergegen eingelegten Erinnerung der Antragstellerin nicht abgeholfen und sie dem Landgericht vorgelegt. Dieses hat die Beteiligten persönlich angehört und mehrere Zeugen vernommen. Mit Beschluß vom 20.7.1994 hat es die Entscheidung des Amtsgerichts aufgehoben (Nr. I) und die Bestimmung der Antragsgegnerin über die Art der Unterhaltsgewährung dahin abgeändert, daß diese ab 1.10.1993 den Unterhalt durch Entrichtung einer Geldrente zu gewähren habe (Nr. II). Im übrigen wurde die Beschwerde zurückgewiesen (Nr. III) und der „Beschwerdewert” auf 5.000 DM festgesetzt (Nr. IV).
Gegen den Beschluß vom 20.7.1994 richtet sich die weitere Beschwerde der Antragsgegnerin. Sie beantragt, die Entscheidung des Landgerichts insoweit aufzuheben, als die Unterhaltsgewährung ab 1.10.1993 durch Entrichtung einer Geldrente festgelegt worden sei, und die Beschwerde insgesamt zurückzuweisen. Die Antragstellerin beantragt, das Rechtsmittel zurückzuweisen und ihr für das Verfahren der weiteren Beschwerde Prozeßkostenhilfe zu bewilligen.
Entscheidungsgründe
II.
Die zulässige weitere Beschwerde ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Wiederherstellung der amtsgerichtlichen Entscheidung.
1. Das Landgericht hat ausgeführt:
Der Antragstellerin sei ursprünglich zuzumuten gewesen, zu ihrer Mutter zurückzukehren. Die Beweisaufnahme im Beschwerdeverfahren habe nämlich ergeben, daß das Hausverbot gegenüber dem Freund der Antragstellerin erst ausgesprochen worden sei, als diese ihren Entschluß bekräftigt hatte, aus der Wohnung der Mutter auszuziehen. Zudem sei die finanzielle Lage der Antragsgegnerin angespannt gewesen, so daß deren Verlangen, die Antragstellerin solle in der Gastwirtschaft mithelfen, nicht von vornherein unzumutbar gewesen sei. Demnach sei die Annahme besonderer Umstände für eine abweichende Bestimmung des Unterhalts nicht gerechtfertigt gewesen. Gleichwohl sei nicht zu verkennen, daß das Verhalten der Antragsgegnerin nach dem Auszug der Antragstellerin für das belastete Verhältnis zwischen Mutter und Tochter mitursächlich gewesen sei. Sie hätte deshalb auf eine Versöhnung hinwirken müssen. Es erscheine angemessen, die Grenze, bis zu der die Antragsgegnerin auf eine Rückkehr der Antragstellerin beharren durfte, auf ungefähr ein Jahr nach dem Auszug festzulegen. Von da an sei es für die Antragstellerin unzumutbar gewesen, in den Haushalt der Mutter zurückzukehren. Ab diesem Zeitpunkt seien daher die besonderen Umstände im Sinn von § 1612 Abs. 2 BGB zu bejahen.
2. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung (§ 27 Abs. 1 FGG, § 550 ZPO) nicht stand.
a) Zutreffend geht das Landgericht davon aus, daß die Antragsgegnerin eine wirksame (vgl. dazu BayObLGZ 1989, 315/316 f. m.w.Nachw.) und damit der vormundschaftsgerichtlichen Änderung zugängliche Unterhaltsbestimmung (§ 1612 Abs. 2 Satz 1 BGB) getroffen hat, indem sie der Antragstellerin mit Schreiben vom 30.11.1992 die Gewährung von Naturalunterhalt angeboten hat. Der festgestellte Sachverhalt rechtfertigt jedoch nicht die Annahme besonderer Gründe im Sinn von § 1612 Abs. 2 Satz 2 BGB (vgl. zur ständigen Rechtsprechung des Senats BayObLG FamRZ 1991, 1224 f. m...