Verfahrensgang

LG Schweinfurt (Beschluss vom 18.10.1990; Aktenzeichen 1 T 76/90)

AG Bad Kissingen (Beschluss vom 16.07.1990; Aktenzeichen VII 58/89)

 

Tenor

I. Auf die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1 wird der Beschluß des Landgerichts Schweinfurt vom 18. Oktober 1990 insoweit aufgehoben, als die Beschwerde der Beteiligten zu 1 gegen die Nrn. 1 und 2 im Beschluß des Amtsgerichts Bad Kissingen vom 16. Juli 1990 zurückgewiesen wurde; in diesem Umfang wird die Sache zu anderer Behandlung und neuer Entscheidung an das Landgericht Schweinfurt zurückverwiesen.

II. Im übrigen wird die weitere Beschwerde zurückgewiesen.

III. Der Beteiligten zu 1 wird für das Verfahren der weiteren Beschwerde Prozeßkostenhilfe nicht bewilligt.

 

Tatbestand

I.

Am 13.4.1990 verstarb an den Folgen eines Verkehrsunfalls die Mutter des am 4.2.1989 nichtehelich geborenen Kindes. Seit diesem Zeitpunkt befindet es sich bei der 1943 geborenen Großmutter mütterlicherseits, der Beteiligten zu 1. Diese bewohnt mit vier nichtehelichen Kindern im Alter von 18, 17, 14 und 13 Jahren und deren Vater eine Wohnung in einem dem Vater gehörenden Haus. Zwei weitere bereits erwachsene Kinder der Beteiligten zu 1 leben nicht mehr in ihrem Haushalt.

Die Beteiligte zu 1 beantragte am 17.4.1990 beim Vormundschaftsgericht die „Anordnung einer Vormundschaft” für ihr Enkelkind und erklärte, sie wolle das Amt des Vormunds übernehmen. Die Großmutter väterlicherseits beantragte hingegen am 19.4.1990, sie als Vormund zu bestellen. Der Rechtspfleger stellte hierauf am 7.5.1990 fest, daß kraft Gesetzes Vormundschaft eingetreten sei; Vormund sei das beteiligte Kreisjugendamt. Dieses beantragte mit Schriftsatz vom 3.7.1990 die „gewaltsame Herausnahme” des Kindes aus dem Haushalt der Beteiligten zu 1. Mit Beschluß vom 16.7.1990 verpflichtete das Vormundschaftsgericht die Beteiligte zu 1, das Kind an das Kreisjugendamt herauszugeben (Nr. 1), und ordnete an, daß die Herausgabe im Fall der Weigerung der Beteiligten zu 1 mit Gewalt erzwungen werden dürfe (Nr. 2). Die Anträge beider Großmütter, das Kreisjugendamt als Vormund zu entlassen, wurden zurückgewiesen (Nr. 3). Nachdem die Beteiligte zu 1 hiergegen „sofortige Beschwerde” eingelegt hatte, wurde sie ebenso wie die Großmutter väterlicherseits persönlich angehört. Mit Beschluß vom 2.8.1990 hat der Richter der Beschwerde nicht abgeholfen und die Akten dem Landgericht vorgelegt. Dieses ließ ein Gutachten eines Fachpsychologen für Klinische Psychologie erstatten. Der Sachverständige hat in Anwesenheit der Beteiligten zu 1 das Gutachten mündlich erläutert. Mit Beschluß vom 18.10.1990 wies das Landgericht die „sofortige Beschwerde” der Beteiligten zu 1 zurück. Gegen diese Entscheidung richtet sich deren weitere Beschwerde. Die Beteiligte zu 1 beantragt, den Beschluß des Landgerichts aufzuheben, das Kreisjugendamt als Vormund zu entlassen und einen anderen geeigneten Vormund, „vorschlagsweise” den Bürgermeister ihrer Gemeinde, zu bestellen. Ferner beantragt sie, ihr für das Verfahren der weiteren Beschwerde Prozeßkostenhilfe zu bewilligen. Der Beteiligte zu 2 tritt dem Rechtsmittel entgegen.

Über einen „Adoptionsantrag” der Beteiligten zu 1 vom 18.5.1990 ist bislang vom Vormundschaftsgericht nicht entschieden worden.

Der Senat hat durch einstweilige Anordnung vom 27.11.1990 die Vollziehung der Nr. 1 des vormundschaftsgerichtlichen Beschlusses ausgesetzt.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die zulässige weitere Bescherde der Beteiligten zu 1 ist insoweit begründet, als das Landgericht ihre Beschwerde gegen die Herausgabeanordnung (§ 1632 Abs. 1 BGB) und die Gewaltanordnung gemäß § 33 Ab. 2 Satz 1 FGG (Nrn. 1 und 2 der Entscheidung des Vormundschaftsgerichts) zurückgewiesen hat. Im übrigen, nämlich soweit sich die Beschwerde gegen die Zurückweisung des Antrags richtete, das Kreisjugendamt als Vormund zu entlassen (§ 1887 Abs. 1 BGB), ist das Rechtsmittel unbegründet.

1. Das Landgericht hat die zulässige Beschwerde der als Großmutter des Kindes gemäß § 57 Abs. 1 Nr. 9 FGG beschwerdeberechtigten (vgl. BayObLGZ 1990, 241/243 m.w. Nachw.) Beteiligten zu 1 mit folgender Begründung zurückgewiesen:

Ob die Entlassung des Jugendamts dem Wohl des Mündels diene, sei zumindest zweifelhaft. Die Beteiligte zu 1 sei jedenfalls als Vormund nicht geeignet. Das ergebe sich nicht nur aus dem umfassenden Bericht des Kreisjugendamts, sondern auch aus dem Gutachten des zuverlässigen und erfahrenen Sachverständigen. Dieser habe ebenfalls dargelegt, daß die Umstände eindeutig dagegen sprächen, die Vormundschaft auf die Großmutter zu übertragen. Die Häufung von Erziehungsschwierigkeiten, die im Kernpunkt nicht bestritten worden seien, sei auffällig. Der Sachverständige habe festgestellt, daß dem Kind ebenso viel Freiheit eingeräumt werde, wie den eigenen Kindern der Großmutter. Die Großmutter stehe Erziehungsproblemen hilflos gegenüber, wie insbesondere das Verhalten ihrer vierzehnjährigen Tochter zeige, die sich wochenlang bei einem älteren Mann aufgehalten habe. Vom Leb...

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