Verfahrensgang

LG Aschaffenburg (Beschluss vom 19.01.1990; Aktenzeichen T 158/89)

 

Tenor

I. Auf die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1 wird der Beschluß des Landgerichts Aschaffenburg vom 19. Januar 1990 aufgehoben, soweit darin die Beschwerde gegen die im Beschluß des Amtsgerichts … vom 4. August 1989 enthaltene Verbleibensanordnung zurückgewiesen und Kostenerstattung angeordnet wurde.

II. Der Beschluß des Amtsgerichts … vom 4. August 1989 wird aufgehoben, soweit darin eine Verbleibensanordnung erlassen wurde; der hierauf gerichtete Antrag der Beteiligten zu 3 und 4 wird abgelehnt.

III. Im übrigen wird die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1 gegen den Beschluß des Landgerichts Aschaffenburg vom 19. Januar 1990 mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß in Abänderung dieses Beschlusses die Beschwerde verworfen statt zurückgewiesen wird, soweit sie gegen die Aufrechterhaltung der Herausgabeanordnung und der Gestattung von Gewalt im Beschluß des Amtsgerichts … vom 4. August 1989 gerichtet war.

 

Tatbestand

I.

Der Beteiligte zu 1 ist der Vater des im November 1983 geborenen Kindes, die Beteiligte zu 2 die Mutter. Von den beiden anderen ehelichen Kindern wächst eines bei der Schwester des Beteiligten zu 1 auf, das andere bei dessen Mutter. Der Vater ist von Beruf Binnenschiffer. Die Mutter war suchtkrank. Das Vormundschaftsgericht entzog am 18.12.1983 den Eltern vorläufig die elterliche Sorge und bestellte das Kreisjugendamt zum Vormund. Dieses gab das damals noch nicht 8 Wochen alte Kind zu den adoptionswilligen Beteiligten zu 3 und 4 in Pflege. Die Eltern des Kindes lebten seit Mai 1984 getrennt. Ihre Ehe wurde später geschieden. Das Vormundschaftsgericht entzog durch Beschluß vom 25.6.1984 dem Vater und der Mutter die elterliche Sorge. Auf Beschwerde des Vaters hob das Landgericht diesen Beschluß auf, soweit hiervon der Vater betroffen war. Das Bayerische Oberste Landesgericht hat die dagegen erhobene weitere Beschwerde des Kreisjugendamts am 17.12.1984 zurückgewiesen.

Daraufhin beantragten die Pflegeeltern eine Verbleibensanordnung, der Vater die Herausgabe des Kindes, um es in die Pflege zu seiner Schwester zu geben, bei der sich bereits das eine der beiden anderen Kinder befand. Das Vormundschaftsgericht verweigerte am 30.7.1985 die Verbleibensanordnung und gab dem Antrag des Vaters statt. Das Landgericht hat am 13.11.1985 die Beschwerde der Pflegeeltern zurückgewiesen, das Bayerische Oberste Landesgericht am 14.1.1986 deren weitere Beschwerde.

Die Pflegeeltern gaben das Kind nicht heraus. Die auf Antrag des Vaters vom Vormundschaftsgericht eingeleitete Zwangsvollstreckung zur Herausgabe des Kindes ist erfolglos geblieben. Auf die Verfassungsbeschwerden des Kindes und der Pflegeeltern hat das Bundesverfassungsgericht am 16.7.1986 die Vollziehung des Beschlusses über die Herausgabe des Kindes bis zur Entscheidung über die Verfassungsbeschwerden ausgesetzt. Das Bundesverfassungsgericht hat am 14.4.1987 auf die Verfassungsbeschwerde des Kindes die Beschlüsse des Vormundschaftsgerichts, des Landgerichts und des Bayerischen Obersten Landesgerichts aufgehoben, durch welche die Verbleibensanordnung abgelehnt und die Herausgabe angeordnet oder die Rechtsmittel zurückgewiesen wurden. Das Bundesverfassungsgericht hat festgestellt, daß das Kind in seiner Menschenwürde und in seinem Recht auf freie Entfaltung seiner Persönlichkeit verletzt sei. Dem Herausgabeverlangen eines Elternteils, das nicht die Zusammenführung der Familie bezwecke, sondern den Wechsel der Pflegeeltern, dürfe nur stattgegeben werden, wenn eine Gefährdung des Kindeswohls mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen werden könne. Die Sache wurde an das Vormundschaftsgericht zurückverwiesen.

Dieses ließ durch einen Diplom-Psychologen ein Gutachten darüber erstatten, wie sich der Wechsel des Kindes von einer Pflegestelle in die andere auf die physische und psychische Entwicklung des Kindes auswirke. Nunmehr teilte der Vater mit, er beabsichtige das Kind zu sich und seiner Lebensgefährtin auf das Schiff zu nehmen und nicht mehr seiner Schwester in Pflege zu geben. In der Folgezeit besuchte der Vater mit seiner Lebensgefährtin das Kind wiederholt im Einvernehmen mit den Pflegeeltern. Bei der persönlichen Anhörung am 9.6.1989 erklärte er dem Vormundschaftsgericht, er wolle sein Kind nunmehr, da es bald eingeschult werden müsse, in seine am Ort des Heimathafens gelegene Wohnung nehmen, wo es seine Lebensgefährtin versorgen wolle. Noch bevor eine neue Entscheidung des Vormundschaftsgerichts erging, hat der Vater gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin am 5.7.1989 bei einem Besuch das Kind mitgenommen, statt es zu den Pflegeeltern zurückzubringen. Am Tage darauf erließ das Vormundschaftsgericht eine einstweilige Anordnung, wonach das Kind an die Pflegeeltern herauszugeben sei und bis auf weiteres bei ihnen verbleiben solle. Außerdem entzog das Vormundschaftsgericht dem Vater das Aufenthaltsbestimmungsrecht und übertrug es dem Kreisjugendamt. Ferner gestattete es die...

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