Leitsatz (amtlich)
1. Im Prozesskostenhilfeverfahren sind § 36 Abs. 1 Nr. 6, § 281 ZPO (entsprechend) anwendbar.
2. Ein Verweisungsbeschluss, der die Zuständigkeit des anderen Gerichts offen lässt, ist willkürlich und nicht bindend.
Normenkette
ZPO § 29c Abs. 1, § 36 Abs. 1 Nr. 6, § 117 Abs. 1 S. 1, § 281
Verfahrensgang
AG Weilheim (Aktenzeichen C 342/02) |
AG Gemünden am Main (Aktenzeichen 11 C 1192/02) |
Tenor
Zuständig ist das AG Gemünden a. Main.
Gründe
I. Der Antragsteller macht gegen die Antragsgegnerin, eine GmbH mit Sitz in Lohr a. Main, deren Geschäftstätigkeit die Adressen- und Partnervermittlung ist, einen Anspruch auf Rückzahlung des von ihm für eine vereinbarte Adressenvermittlung gezahlten Honorars geltend. Er hat beim AG Gemünden a.M. Antrag auf Prozesskostenhilfe gestellt und gebeten, die beigefügte Klage erst nach Gewährung von Prozesskostenhilfe zuzustellen. Nach Mitteilung der Antragsschrift an die Antragsgegnerin beantragte der Antragsteller die Verweisung des Rechtsstreits an das AG Weilheim i.OB, Zweigstelle Schongau, als Wohnsitzgericht des Antragstellers, das nach § 29c Abs. 1 ZPO, § 312 BGB zuständig sei. Die Antragsgegnerin trat dem Verweisungsantrag entgegen, da der Vertrag nicht in einer Haustürsituation geschlossen worden sei.
Mit Beschluss vom 14.10.2002 erklärte sich das AG Gemünden a. Main für örtlich unzuständig und verwies den Rechtsstreit an das „ausschließlich zuständige” AG Weilheim, Zweigstelle Schongau. Unter Hinweis auf die ausschließliche Zuständigkeit gem. § 29c Abs. 1 S. 2 ZPO ist ausgeführt, dass allein dieses Gericht über die Frage der Anwendbarkeit des Haustürwiderrufsgesetzes zu entscheiden habe.
Mit Beschluss vom 28.10.2002 lehnte das AG Weilheim, Zweigstelle Schongau, die Übernahme ab und sandte die Akten an das AG Gemünden a.M. zurück. Zur Begründung ist ausgeführt, dass eine ausschließliche Zuständigkeit gem. § 29c Abs. 1 S. 2 ZPO nicht gegeben sei, da diese Vorschrift nur für die Klage gegen den Verbraucher und nicht für die Klage des Verbrauchers gelte. Soweit der besondere Gerichtsstand nach § 29c Abs. 1 S. 1 ZPO in Frage stehe, habe der Antragsteller sein Wahlrecht gem. § 35 ZPO durch die „Klage” an das AG Gemünden a. Main ausgeübt.
Mit Beschluss vom 6.12.2002 lehnte das AG Gemünden a. Main die Übernahme ab und legte die Akten dem BayOBLG zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vor. Der Antragsteller hat dem AG Gemünden a.M. zwischenzeitlich mitgeteilt, dass er die Zustellung der Klage nicht mehr von der Gewährung der Prozesskostenhilfe abhängig macht.
II. 1. Das BayObLG ist zur Entscheidung des negativen Zuständigkeitsstreits zwischen den Amtsgerichten Gemünden a. Main und Weilheim i. OB berufen (§ 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO). Es ist anerkannt, dass § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO die Entscheidung eines negativen Kompetenzkonflikts bereits vor Zustellung der Klageschrift und Rechtshängigkeit der Hauptsache im Verfahren wegen der Gewährung von Prozesskostenhilfe ermöglicht, wenn das Verfahren, wie hier, durch Mitteilung des Antrags an den Gegner in Gang gesetzt ist (vgl. BGH v. 5.6.1991 – XII ARZ 14/91, NJW-RR 1991, 1342; NJW-RR 1994, 706 m.w.N.; BayObLG v. 8.9.1998 – 1Z AR 54/98; OLG Dresden, Beschl. v. 27.10.1998 – 10 Arf 34/98, OLGReport Dresden 1999, 110 = NJW 1999, 797). Auch § 281 ZPO ist bereits im Prozesskostenhilfeverfahren entspr. anzuwenden, wobei die Bindungswirkung auf das Prozesskostenhilfeverfahren beschränkt ist (BGH NJW-RR 1994, 706). Mit dem AG Gemünden a. Main und dem AG Weilheim i. OB haben sich zwei Gerichte, von denen eines für die Entscheidung des Prozesskostenhilfeverfahrens zuständig ist, i.S.d. § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO für unzuständig erklärt. Ihre Beschlüsse sind den Parteien auch bekannt gegeben worden. Die Ablehnung der Übernahme durch das AG Weilheim, die mit fehlender Zuständigkeit begründet ist, steht einer Unzuständigkeitserklärung i.S.d. § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO gleich (vgl. BGH NJW-RR 1994, 706).
2. Nach § 281 Abs. 2 S. 2 und 4 ZPO ist ein Verweisungsbeschluss grundsätzlich unanfechtbar und für das Gericht, an das verwiesen wird, bindend. Diese Bindung ist auch im Bestimmungsverfahren zu beachten. Eine Bindung tritt aber ausnahmsweise dann nicht ein, wenn die Verweisung offensichtlich gesetzwidrig ist, so dass sie als objektiv willkürlich erscheint, oder wenn sie auf einer Verletzung des rechtlichen Gehörs beruht (BGH BGHZ 71, 69 [72] = MDR 1978, 650; v. 10.12.1987 – I ARZ 809/87, BGHZ 102, 338 [341] = MDR 1988, 470; BayObLG BayObLGZ 1986, 285 [287]; v. 16.7.1991 – AR 1 Z 57/91, BayObLGZ 1991, 280 [281 f.]; Zöller/Greger, ZPO, 23. Aufl., § 281 Rz. 17, 17a).
Der Verweisungsbeschluss des AG Gemünden a. Main vom 14.10.2002 beruht auf Willkür, weil er die Zuständigkeit des Gerichts, an das verwiesen wird, offen lässt. Das AG Weilheim i. OB wird zwar im Verweisungsbeschluss als ausschließlich zuständig bezeichnet, in den Gründen heisst es jedoch, dass allein dieses Gericht „über die Anwendbarkeit des Haustürwiderrufsgesetzes” zu entscheiden habe. Erneut zeigt...