Entscheidungsstichwort (Thema)

Betreuungssache

 

Leitsatz (amtlich)

Hat das Eilgericht dem Betroffenen durch einstweilige Anordnung einen vorläufigen Betreuer bestellt und den Vorgang anschließend an das Vormundschaftsgericht übersandt, in dessen Bezirk der Betroffene seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, ist dieses Gericht verpflichtet, das Verfahren fortzuführen.

 

Normenkette

FGG § 65 Abs. 1, 5 S. 1

 

Verfahrensgang

AG München (Urteil vom 23.05.2000; Aktenzeichen 713 XVII 00863/00)

AG Überlingen (Aktenzeichen 1 AR 39/2000)

 

Tenor

Das Betreuungsverfahren ist vom Amtsgericht Überlingen fortzuführen.

 

Gründe

I.

Die Betroffene lebte zuletzt in ihrer Eigentumswohnung im Bezirk des Amtsgerichts Überlingen. Aufgrund eines Hirninfarktes kam sie Anfang Januar 2000 kurzfristig ins Klinikum München-Großhadern und ab 18.1.2000 in das Neurologische Krankenhaus München. Seit Anfang Mai befindet sie sich in Privatpflege im Bezirk des Amtsgerichts Überlingen.

Auf Anregung des Neurologischen Krankenhauses München bestellte das Amtsgericht München mit einstweiliger Anordnung vom 14.2.2000 für die Betroffene deren Tochter und Sohn zu vorläufigen Betreuern und befristete diese Maßnahme bis 9.8.2000. Nach Verpflichtung der Tochter am 29.2. und des Sohnes am 20.4.2000 hat das Amtsgericht München den Vorgang gemäß Beschluß vom 23.5.2000 zur Weiterführung des Verfahrens an das Amtsgericht Überlingen übersandt. Da dieses die Übernahme abgelehnt hat, hat das Amtsgericht München die Sache zur Entscheidung des Zuständigkeitsstreits dem Bayerischen Obersten Landesgericht vorgelegt.

II.

Das Bayerische Oberste Landesgericht ist zur Entscheidung berufen. Es ist das gemeinschaftliche obere Gericht im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 1 FGG (§ 199 Abs. 1, Abs. 2 Satz 2 FGG, Art. 11 Abs. 3 Nr. 1 AGGVG).

Das Amtsgericht Überlingen ist nicht berechtigt, die Fortführung des Betreuungsverfahrens abzulehnen.

1. Für Verrichtungen, die die Betreuung betreffen, ist gemäß § 65 Abs. 1 FGG dasjenige Gericht zuständig, in dessen Bezirk der Betroffene zu der Zeit, zu der das Gericht mit der Angelegenheit befaßt wird, seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat.

Da entsprechender eiliger Handlungsbedarf auch außerhalb des Bezirks des nach § 65 Abs. 1 FGG zuständigen Gerichts entstehen kann, erklärt § 65 Abs. 5 Satz 1 FGG für solche Fälle ergänzend das Gericht für zusätzlich zuständig, in dessen Bezirk das Bedürfnis der Fürsorge hervortritt (vgl. Jansen FGG 2. Aufl. § 44 Rn. 5; Keidel/Kayser FGG 14. Aufl. § 65 Rn. 8). Dies gilt u. a. auch für die Notwendigkeit, dem Betroffenen durch einstweilige Anordnung einen vorläufigen Betreuer zu bestellen (§ 65 Abs. 5 Satz 1 i.V.m. § 69f FGG).

Hat das Eilgericht seine durch die Dringlichkeit des Falles gebotene Aufgabe erfüllt, hat es den Vorgang an das nach § 65 Abs. 1 FGG zuständige Vormundschaftsgericht zu übersenden. Dieses ist verpflichtet, das Verfahren fortzuführen. Nach der vom Gesetzgeber in § 65 FGG getroffenen Regelung ist die Zuständigkeit des Eilgerichts lediglich subsidiär und endet, wenn die erforderliche vorläufige Maßnahme getroffen ist. Für eine Abgabe des Verfahrens im Sinne von § 65a, § 46 FGG und damit insbesondere für Zweckmäßigkeitserwägungen ist kein Raum, eine Anhörung des Betroffenen ist ebensowenig erforderlich wie die Zustimmung des Betreuers (vgl. BayObLGZ 1996, 105).

2. Danach ist im vorliegenden Fall das Verfahren nunmehr durch das Vormundschaftsgericht Überlingen weiter zu betreiben. Die erforderliche Eilmaßnahme ist getroffen. Die Betroffene hat ihren gewöhnlichen Aufenthalt (noch) im Bezirk dieses Gerichts. Durch ihre vorübergehende Aufnahme in den beiden Münchener Krankenhäusern ist ihr gewöhnlicher Aufenthalt nicht dorthin verlegt worden (vgl. BayObLG FamRZ 1993, 89; OLG Karlsruhe BtPrax 1996, 72; OLG Stuttgart BtPrax 1997, 161). Ob die Betroffene entsprechend den Absichten ihres Sohnes auf Dauer in der – wie die Eigentumswohnung – ebenfalls im Bezirk des Amtsgerichts Überlingen gelegenen Pflegestelle bleiben wird, ist für die Zuständigkeitsfrage derzeit ohne Belang.

 

Unterschriften

Dr. Schreieder, Dr. Plößl, Fuchs

 

Fundstellen

Haufe-Index 511905

FamRZ 2000, 1442

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