Leitsatz (amtlich)
I. Der Widerruf der Zulassung eines Strafgefangenen zur Außenbeschäftigung nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 1, 16 Abs. 2 BayStVollzG ist nur unter den Voraussetzungen des Art. 13 Abs. 2 BayStVollzG zulässig.
II. Nr. 4 Abs. 2 e) der VV zu Art. 13 BayStVollzG kann keine darüber hinaus gehenden Widerrufstatbestände begründen, sondern lediglich die gesetzlich normierten auskleiden.
III. Eine Einschränkung der gemeinschaftlichen Unterbringung nach Art. 19 Abs. 3 BayStVollzG ist nur aufgrund eines vollständig aufgeklärten Sachverhalts zulässig, der die gesetzlichen Tatbestandsmerkmale konkret belegt.
IV. Eine nicht (mehr) mögliche Aufklärung des Sachverhalts geht zu Lasten der Justizvollzugsanstalt. Eine Beweislastzuordnung ist auch in Verfahren zulässig, die dem Amtsermittlungsgrundsatz unterliegen, wobei der spezifischen Situation des Strafgefangenen und dessen besonderen Beweisproblemen Rechnung zu tragen ist.
V. Wendet sich der Strafgefangene gegen von ihm für rechtswidrig gehaltenes Verhalten Justizvollzugsbediensteter, ist dies grundsätzlich zulässig und kann eine Einschränkung der gemeinschaftlichen Unterbringung nach Art. 19 Abs. 3 BayStVollzG nicht rechtfertigen.
Normenkette
BayStVollzG Art. 13 Abs. 1 Nr. 1, Art. 16 Abs. 2, Art. 19 Abs. 3
Verfahrensgang
LG Augsburg (Entscheidung vom 24.02.2023; Aktenzeichen 2 NöStVK 758/18) |
Tenor
- Auf die Rechtsbeschwerde des Strafgefangenen L. vom 9.3.2023 wird der Beschluss der auswärtigen Strafvollstreckungsklammer des Landgerichts Augsburg beim Amtsgericht Nördlingen vom 24.2.2023 in den Ziffern 2. und 3. aufgehoben.
- Es wird festgestellt, dass die Verfügung der JVA Kaisheim vom 14.11.2018, mit der die Zulassung des Strafgefangenen L. zur Außenbeschäftigung widerrufen wurde (Art. 13 Abs.1 Nr. 1, 16 Abs. 2 BayStVollzG), rechtswidrig war und der Strafgefangene hierdurch in seinen Rechten verletzt wurde.
- Es wird festgestellt, dass die Verfügungen der JVA Kaisheim vom 14.11.2018 und 19.11.2018, mit der die gemeinschaftliche Unterbringung des Strafgefangenen L. eingeschränkt wurde (Art. 19 Abs. 3 BayStVollzG), und deren Vollzug vom 14.11.2018 bis 23.11.2018 rechtswidrig waren und der Strafgefangene hierdurch in seinen Rechten verletzt wurde.
- Im Übrigen wird die Rechtsbeschwerde als unzulässig verworfen.
- Der Strafgefangene trägt die Kosten dieses Rechtsbeschwerdeverfahrens zu 1/3. Die restlichen Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Strafgefangenen, einschließlich der Kosten und der notwendigen Auslagen des Strafgefangenen des ersten Rechtsbeschwerdeverfahrens (204 StObWs 2781/19), trägt die Staatskasse.
- Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 2.000,00 € festgesetzt.
Gründe
I.
Hinsichtlich des Sachverhalts bis zum Erlass des Beschlusses des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 5.6.2020 wird auf die in diesem Beschluss erfolgte Sachverhaltsdarstellung, dort unter I., Bezug genommen.
Mit Beschluss des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 5.6.2020 wurde der Beschluss der auswärtigen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Augsburg beim Amtsgericht Nördlingen vom 7.11.2019 nebst den Sachverhaltsfeststellungen aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an die auswärtige Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Augsburg beim Amtsgericht Nördlingen zurückverwiesen.
Mit Schreiben vom 09.11.2020 nahm die Justizvollzugsanstalt Kaisheim ergänzend zum Beschluss des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 5.6.2020 Stellung und legte insbesondere die Verfügung zum Widerruf der Außenbeschäftigung vom 14.11.2018, die Anordnung der getrennten Unterbringung gemäß Art. 19 Abs. 3 BayStVollzG vom 14.11.2018 sowie die Anordnung der getrennten Unterbringung gemäß Art. 19 Abs. 3 BayStVollzG vom 19.11.2018 vor.
Hierauf antwortete der Strafgefangene mit Schreiben vom 8.4.2021 und weiterem Schreiben vom 23.2.2023.
Mit Beschluss vom 24.2.2023 stellte die auswärtige Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Augsburg beim Amtsgericht Nördlingen fest, dass die Nichtweiterleitung eines Briefes des Strafgefangenen vom 13.11.2018 an eine J.S. rechtswidrig war und ihn in seinen Rechten verletzte. Im Übrigen wurde der Antrag auf gerichtliche Entscheidung vom 14.11.2018 - soweit er nicht erledigt ist - zurückgewiesen.
Gegen diesen, dem Strafgefangenen am 4.3.2023 zugestellten Beschluss, legte dieser mit Schreiben seines Rechtsanwalts vom 9.3.2023, eingegangen bei Gericht am 10.03.2023, Rechtsbeschwerde ein und erhob die Sachrüge.
Die Generalstaatsanwaltschaft München beantragte mit Schreiben vom 26.4.2023, die Rechtsbeschwerde des Strafgefangenen gegen den Beschluss der auswärtigen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Augsburg beim Amtsgericht Nördlingen vom 24.2.2023 als unzulässig kostenfällig zu verwerfen und den Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren auf 50 € festzusetzen. Zur Begründung verwies sie darauf, dass hinsichtlich der Ziffer 1 des angefochtenen Beschlusses eine Beschwer ...