Leitsatz (amtlich)
1. Ein Betreuer darf gegen den Willen des Betroffenen nur bestellt und ein Einwilligungsvorbehalt darf nur angeordnet werden, wenn der Betroffene aufgrund seiner psychischen Erkrankung oder seiner geistigen oder seelischen Behinderung seinen Willen nicht frei bestimmen kann.
2. Die Erforderlichkeit der Betreuerbestellung bedarf für jeden einzelnen Aufgabenkreis der Konkretisierung.
Normenkette
BGB § 1896 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1, § 1903 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
LG Regensburg (Beschluss vom 06.06.1995; Aktenzeichen 7 T 122/95) |
AG Kelheim (Aktenzeichen XVII 8/94) |
Tenor
I. Der Beschluß des Landgerichts Regensburg vom 6. Juni 1995 wird aufgehoben.
II. Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das Landgericht Regensburg zurückverwiesen.
Tatbestand
I.
Am 13.1.1994 bestellte das Amtsgericht durch einstweilige Anordnung für die Betroffene bis 12.7.1994 das Landratsamt B. zum vorläufigen Betreuer mit den Aufgabenkreisen Sorge für die Gesundheit, Aufenthaltsbestimmung einschließlich der Entscheidung über die Unterbringung und Vermögenssorge. Gleichzeitig genehmigte es durch einstweilige Anordnung die vorläufige Unterbringung der Betroffenen in einer geschlossenen Einrichtung bis längstens 23.2.1994. Bereits am 21.1.1994 wurde die Betroffene jedoch aus der stationären Behandlung wieder entlassen.
Am 14.2.1995 erließ das Amtsgericht folgenden Beschluß:
„Zur Betreuerin wird Frau M., Diakonisches Werk e.V., bestellt.
Als Ersatzbetreuerin wird für den Fall der Verhinderung der Betreuerin Frau N., Diakonisches Werk e.V., bestellt.
Als Aufgabenkreis der Betreuerin wird bestimmt:
im Bereich der Personensorge:
- Sorge für die Gesundheit, einschließlich Untersuchung, Heilbehandlung und Rehabilitation, ärztlicher Eingriff, soweit die Betroffene nicht einwilligungsfähig ist;
- die Aufenthaltsbestimmung, verbunden mit der Entscheidung über den Wohnsitz bzw. vorläufigen Aufenthalt sowie über die Unterbringung und unterbringungsähnliche Maßnahmen.
- die gesamte Vermögens sorge, insbesondere hinsichtlich der Geltendmachung von Ansprüchen der Betroffenen auf Sozialleistungen sowie auch die Vertretung gegenüber Behörden, Banken und Sparkassen.
- Die Betreute bedarf zu einer Willenserklärung, die den Aufgabenkreis der Vermögens sorge der Betreuerin betrifft, deren Einwilligung.
- Das Gericht wird spätestens bis 14.2.1997 über eine Aufhebung oder Verlängerung der Betreuung beschließen.
- Es wird die sofortige Wirksamkeit der Entscheidung (zu Ziff. 1. bis 3.) angeordnet.”
Die gegen Ziff. 1 und 2 dieses Beschlusses eingelegte Beschwerde der Betroffenen sowie die gegen Ziff. 3 gerichtete sofortige Beschwerde der Betroffenen hat das Landgericht am 6.6.1995 zurückgewiesen.
Hiergegen wendet sich die Betroffene mit der weiteren und sofortigen weiteren Beschwerde.
Entscheidungsgründe
II.
Die zulässigen Rechtsmittel führen zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht zur erneuten Behandlung und Entscheidung.
Die von der Kammer getroffenen Feststellungen vermögen die Bestellung eines Betreuers für die Betroffene wie auch die Anordnung des Einwilligungsvorbehalts nicht zu tragen, weil nicht festgestellt ist, daß die Betroffene ihren Willen nicht frei bestimmen kann.
1. Das Landgericht hat ausgeführt:
Bei der Betroffenen lägen die Voraussetzungen für die Anordnung einer Betreuung vor. Die Betroffene leide an einer Minderbegabung, d.h. einer geistigen Behinderung, und seit 1992 an wiederkehrenden depressiven Reaktionen, somit einer psychischen Erkrankung. Sie sei aufgrund dessen nicht in der Lage, ihre Angelegenheiten im Bereich der Gesundheitsvorsorge, der Aufenthaltsbestimmung und der Vermögens sorge selbst zu regeln. Im Bereich der Gesundheitsvorsorge könne die Betroffene aufgrund ihrer Minderbegabung für sie erforderliche und sinnvolle Behandlungen nicht selbst in die Wege leiten. Insbesondere bestehe die Gefahr, daß sie bei auftretenden depressiven Reaktionen eine Somatisierungstendenz entwickle und sich infolge ihrer leichten Beeinflußbarkeit möglicherweise auch gefährlichen, nicht notwendigen Untersuchungen aussetze, ohne in der Lage zu sein, deren Erforderlichkeit und Tragweite abschätzen zu können. Ebenso könne die Betroffene aufgrund ihrer geistigen Behinderung und psychischen Erkrankung, verbunden mit ihrer leichten Beeinflußbarkeit, die im Bereich der Aufenthaltsbestimmung zu ihrem Wohl erforderlichen Entscheidungen nicht selbst treffen. Dies zeige schon der am 13.1.1994 nach dem Besuch des Vaters plötzlich geäußerte Wunsch, das Bezirkskrankenhaus zu verlassen, dem nur durch eine vorläufige Unterbringung habe begegnet werden können. Dies gelte aber auch für eine möglicherweise noch zu treffende Entscheidung der Unterbringung der Betroffenen in einem Wohnheim, wozu diese sich bislang widersprüchlich geäußert habe. Regelungsbedürftig sei schließlich auch die Vermögenssorge. Die Betroffene könne weder die Tragweite der von ihr bisher eingegangenen Verpflichtungen (Kreditaufna...