Leitsatz (amtlich)
Die Voraussetzungen des § 71 Abs. 2 Nr. 3 GVG liegen nicht vor, wenn ein Anleger lediglich einen Anspruch auf das Auseinandersetzungsguthaben gegen die Fondsgesellschaft geltend macht, der ausschließlich auf eine außerordentliche Kündigung der Beteiligung gestützt wird.
Verfahrensgang
LG München I (Aktenzeichen 40 O 8041/22) |
AG München (Aktenzeichen 243 C 9361/22) |
Tenor
Sachlich zuständig für den Rechtsstreit über die Hauptanträge gemäß Klageschrift vom 27. Februar 2022 ist das Amtsgericht München.
Gründe
I. Die Klägerin beteiligte sich 2007 als Treugeberin mittels eines Treuhandvertrags mit der M. Beteiligungstreuhand GmbH an der Beklagten, einer Publikumsgesellschaft. Sie zahlte Einlagen auf die Kommanditbeteiligung in Höhe von 3.601,91 EUR. Mit Schreiben vom 5. März 2019 erklärte die Klägerin die außerordentliche Kündigung und den Widerruf ihres Beitritts und leistete keine weiteren Ratenzahlungen. Daraufhin trat die Treuhandkommanditistin mit Schreiben vom 6. April 2020 gegenüber der Klägerin aufgrund Zahlungsverzugs vom Treuhandvertrag zurück. Der Klägerin wurde als Auseinandersetzungsguthaben ein Betrag von 1.431,08 EUR ausbezahlt.
§ 27 Ziffer 1 des Gesellschaftsvertrags hat den Wortlaut:
"Sofern ein Gesellschafter aus der Gesellschaft ausscheidet, hat er Anspruch auf ein Auseinandersetzungsguthaben gemäß nachstehender Bestimmungen ... Das Auseinandersetzungsguthaben entspricht dem Anteil des ausscheidenden Gesellschafters ... am Wert des Gesellschaftsvermögens ..."
§ 27 Ziffer 7 des Gesellschaftsvertrags lautet:
"Im Falle der Kapitalherabsetzung nach wirksamer Beendigung eines Treuhandvertrags eines Treugebers mit dem Treuhandkommanditisten ... gelten für den betreffenden Treugeber die Regelungen der vorstehenden Absätze 1 bis 6 entsprechend.
...
Abweichend von Satz 1 bis 3 gelten für folgende Fälle der Kapitalherabsetzung nach § 26 Abs. 1 nachstehende Sonderregelungen, wobei sich ein etwaiger Rückzahlungsanspruch des Treugebers jeweils gegen die Gesellschaft richtet:
a) Sofern die Kapitalherabsetzung und die Beendigung des Treuhandvertrags wegen einer Leistungsstörung bei der Einzahlung der Einlage erfolgen ..., erhält der betreffende Treugeber abweichend von den Regelungen in § 27 Absätze 1 bis 6 kein Auseinandersetzungsguthaben, sondern eine Rückzahlung seiner bis zur Kapitalherabsetzung tatsächlich geleisteten Einlage abzüglich der der Gesellschaft nach diesem Vertrag zustehenden Schadensersatzansprüche ..."
Die Klägerin beantragt mit ihrer beim Landgericht München I eingereichten Klageschrift vom 27. Februar 2022, die Beklagte im Wege der Stufenklage zu verurteilen, Auskunft über das Auseinandersetzungsguthaben aus ihrer Beteiligung an der Beklagten in Form einer Abschichtungsbilanz zu erteilen, sowie nach Erteilung der Auskunft den sich aus der Auskunftserteilung ergebenden Betrag an die Klägerin zu zahlen. Hilfsweise solle die Beklagte verurteilt werden, an die Klägerin 2.170,83 EUR nebst Zinsen zu zahlen.
Die Klägerin trägt vor, der Verkaufsprospekt über die Fondsgesellschaft, datierend aus dem Jahr 2005, sei ihr erst bei Unterzeichnung der Beteiligung ausgehändigt worden. Er sei bei Übergabe bereits völlig veraltet gewesen, da er über die zwischenzeitliche Geschäftstätigkeit der Beklagten und insbesondere die Tatsache, dass die Kapitalanlagen bei Beitritt der Klägerin nicht einmal 5 % der Planzahlen erreicht hätten, nicht informiere. Der Vermittler der Beteiligung habe sie im Beratungsgespräch nicht ordnungsgemäß über die Risiken der Beteiligung aufgeklärt. Die Beteiligung sei vom Vermittler unzutreffend als geeignet zur ergänzenden Altersvorsorge nahezu ohne Verlustrisiko vorgestellt worden. Auf im Prospekt dargestellte Risiken habe der Vermittler nicht hingewiesen. Zudem informiere der Prospekt nicht über wesentliche Risiken wie die fehlende Fungibilität der Beteiligung, das Wiederaufleben der Kommanditistenhaftung, die Nachhaftung des Kommanditisten beim Ausscheiden und die Vergütungen für die Initiatoren bzw. den Abfluss wesentlicher Investitionsgelder an den Initiator. Auch werbe der Prospekt mit bestimmten Investitions- und Kostenquoten, ohne zu erklären, dass die Kostenquote für Ratenanleger wie die Klägerin am Anfang deutlich höher seien. Über die im Prospekt verschwiegenen Risiken bzw. irreführenden Angaben habe auch der Vermittler im Beratungsgespräch nicht aufgeklärt. Tatsächlich habe sich 2019 herausgestellt, dass der Fonds spekulativ und ein "Millionengrab" sei. Bei ordnungsgemäßer Aufklärung hätte sie sich an dem Fonds nicht beteiligt.
Die Klägerin ist der Ansicht, da sie durch den Vermittler über die Beteiligung getäuscht worden sei, stehe ihr gegenüber der Beklagten ein Recht zur außerordentlichen Kündigung zu. Ein Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte komme zwar aus Rechtsgründen nach den Grundsätzen über die fehlerhafte Gesellschaft nicht in Betracht. Aufgrund ihrer Kündigung sowie des ebenfalls erklärten Widerrufs und der Anfechtung der Beteiligung habe sie abe...