Entscheidungsstichwort (Thema)
Wohnungseigentumssache: Geschäftswert bei Nutzungsstreit
Verfahrensgang
LG München I (Entscheidung vom 03.09.1991; Aktenzeichen 1 T 8042/89) |
Tenor
Der Beschluß des Landgerichts München I vom 3. September 1991 wird dahin abgeändert, daß der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren vor dem Landgericht München I auf 100 000 DM festgesetzt wird.
Gründe
I.
1. Antragsteller und Antragsgegner sind Wohnungseigentümer der Wohnanlage … in München. Im 6. Obergeschoß des Anwesens … befinden sich vier im Aufteilungsplan näher bezeichnete Kammern mit einer Gesamtfläche von 57,19 m² – an denen Sondereigentum der Antragsgegner besteht – sowie ein im Gemeinschaftseigentum befindlicher Gang und je ein in der Teilungserklärung als Lagerraum und als Waschzimmer mit WC bezeichneter Raum, an dem den Antragsgegnern jeweils das ausschließliche Nutzungsrecht zusteht. Die Beteiligten streiten in der Hauptsache darüber, ob die im Sondereigentum der Antragsgegner stehenden Kammern zu Wohnzwecken benutzt werden dürfen. Mit (Teil-) Beschluß des Amtsgerichts vom 10.4.1989 wurde der entsprechende Antrag auf Unterlassung zurückgewiesen (Nr. I der Entscheidung), die Antragsgegner wurden jedoch verurteilt, die im sog. Waschzimmer installierte Dusche zu entfernen (Nr. II der Entscheidung). Antragsteller und Antragsgegner legten jeweils gegen den sie belastenden Teil der amtsgerichtlichen Entscheidung sofortige Beschwerde ein. Wegen zwischenzeitlich schwebender außergerichtlicher Vergleichsverhandlungen ordnete das Landgericht mit Beschluß vom 22.1.1991 im Einverständnis der Beteiligten das Ruhen des Verfahrens an.
2. Mit Beschluß vom 3.9.1991 setzte das Landgericht den Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren auf 30 000 DM fest. Dabei seien das Interesse, die Kammern zu Wohnzwecken nutzen zu können, und die Beseitigungskosten bezüglich der Dusche berücksichtigt.
Gegen die Wertfestsetzung des Landgerichts legten die Verfahrensbevollmächtigten der Antragsteller im eigenen Namen Beschwerde ein mit dem Antrag, den Geschäftswert auf 100 000 DM festzusetzen. Das Beschwerdeinteresse bestehe in dem Differenzbetrag einer Nutzung der streitgegenständlichen Räume als „Kammern” und als „Wohnung”, der 3 000 DM/m² betrage. Der Wert als Kammern sei höchstens mit 1 000 DM/m² zu bewerten, während die Kammern als Wohnraum einen Wert von mindestens 4 000 DM/m² hätten. Auch bei den außergerichtlichen Vergleichsverhandlungen sei jeweils von einem Wert von mindestens 100 000 DM ausgegangen worden.
Das Landgericht hat den Beschwerden nicht abgeholfen.
II.
1. Die Geschäftswertbeschwerden sind gemäß § 31 Abs. 3 Satz 1, § 14 Abs. 3 Satz 1 und Abs. 4 KostO, § 567 Abs. 2, § 569 ZPO zulässig. Nach § 9 Abs. 2 Satz 1 BRAGO sind die Verfahrensbevollmächtigten der Antragsteller aus eigenem Recht befugt, Rechtsmittel gegen die Wertfestsetzung einzulegen.
2. Die Beschwerden haben auch Erfolg.
a) Zunächst ist festzustellen, daß der Festsetzung des Beschwerdewerts nicht entgegenstand, daß das Hauptverfahren noch nicht abgeschlossen ist (BayObLGZ 1988, 319/321).
Auch hat das Landgericht bei der vorliegenden Verfahrensverbindung zu Recht nureinen (allerdings zusammenzurechnenden) Geschäftswert für die beiden verschiedene Entscheidungsteile betreffenden Beschwerden festgesetzt (vgl. BayObLGZ 1967, 25/29).
b) Der Geschäftswert bemißt sich in Wohnungseigentumssachen gemäß § 48 Abs. 2 WEG nach dem Interesse der Beteiligten an der Entscheidung. Dabei kommt es wegen der Rechtskraftwirkung der angestrebten Entscheidung für und gegen alle Beteiligte (§ 45 Abs. 2 Satz 2 WEG) auf das Interesse aller Beteiligten, also sämtlicher Wohnungseigentümer, an (§ 43 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 4 Nr. 1 WEG; vgl. BayObLGZ 1981, 202/203 und 1988, 326/328; Bärmann/Pick/Merle WEG 6. Aufl. § 48 Rn. 8). Ist ein konkreter Gegenstand im Streit, wie die Nutzung des gemeinschaftlichen Eigentums u.ä., ist Geschäftswert der Wert dieses Gegenstandes (vgl. BayObLGZ 1967, 25/33; KG JurBüro 1978, 908/909; Bärmann/Pick/Merle Rn. 10, Weitnauer WEG 7. Aufl. Rn. 2a, je zu § 48).
Vorliegend streiten die Beteiligten in der Hauptsache darüber, ob die im Sondereigentum der Antragsgegner stehenden Kammern zu Wohnzwecken benutzt werden dürfen und ob die im Waschraum installierte Dusche zu entfernen ist. Das Landgericht hat nicht ersichtlich gemacht, auf Grund welcher tatsächlicher Anhaltspunkte es dieses Interesse mit 30 000 DM bemißt. Demgegenüber tragen die Beschwerdeführer von sämtlichen Beteiligten unwidersprochen und in Übereinstimmung mit der Vertreterin der Staatskasse vor, daß der Wert der Kammern als Wohnraum um 3 000 DM von 1 000 DM/m² auf 4 000 DM/m² stiege, was bei einer Gesamtfläche der Räume von 57,19 m² zu einem Wert von 171 570 DM führte. Diese Wertberechnung erscheint als Ausgangspunkt einer Schätzung realistisch; jedoch ist – worauf die Vertreterin der Staatskasse zutreffend hinweist – ein Abzug von Wertminderungen hinsichtlich des Wohnkomforts und verwaltungsrechtlicher Auflagen vorzunehmen. Der ...