Entscheidungsstichwort (Thema)
Erbscheinserteilung. Ehegattentestament
Leitsatz (redaktionell)
1. Zur Frage, ob es sich um ein gemeinschaftliches Testament handelt, wenn Ehepartner in getrennten Urkunden testieren.
2. Nach der Anschauung, des Gesetzgebers, die vor allem in der Auslegungsregel des § 2069 BGB zum Ausdruck kommt, kann schon in der Einsetzung einer dem Erblasser nahestehenden Person, zum Beispiel seiner Ehefrau (vgl. KG MDR 1954, 39), ein der Auslegung fähiger und aus dem Testament hervorgehender Anhalt für den Willen des Erblassers gesehen werden, dass bei Wegfall des Bedachten andere Personen, insbesondere seine Abkömmlinge, an dessen Stelle treten.
Normenkette
BGB §§ 2069, 2267
Verfahrensgang
LG Augsburg (Beschluss vom 28.06.1987; Aktenzeichen 5 T 861/87) |
AG Augsburg (Aktenzeichen VI 2775/86) |
Tenor
I. Auf die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1 wird der Beschluß des Landgerichts Augsburg vom 28. Juni 1987 aufgehoben.
II. Die Sache wird zu anderer Behandlung und neuer Entscheidung an das Landgericht Augsburg zurückverwiesen.
Tatbestand
I.
Am … verstarb in … der verwitwete und kinderlose ehemalige kaufmännische Angestellte … (Erblasser) im Alter von … Jahren. Verwandte, die zur Zeit seines Todes lebten, wurden nicht Festgestellt. Der Beteiligte zu 1 ist ein Neffe seiner am 13.1.1983 verstorbenen Ehefrau … geb. …. Der Nachlaß besteht im wesentlichen aus Bankguthaben in Höhe von rund 46.000 DM.
Der Erblasser hatte folgende eigenhändig geschriebene und unterschriebene letztwillige Verfügung errichtet:
Testament!
Im Falle meines Ablebens bestimme ich als meine einzige und ausschließliche Allein-Erbin meine Ehefrau …
geboren am ….
geboren am …
16. Oktober 1972
Die ebenfalls eigenhändig geschriebene und unterschriebene letztwillige Verfügung seiner Ehefrau hat folgenden Wortlaut:
… 17. April 1977
Testament
Für den Fall meines Ablebens bestimme ich als Alleinerbin meinen Ehegatten …, geboren am …. Ferner bestimme ich nach dem Ableben meines Mannes als Alleinerben meinen Neffen, den Sohn meines im Krieg gestorbenen Bruders Herrn … derzeit wohnhaft ….
… geborene …
geboren am …
Das Nachlaßgericht Augsburg (VI 180/83) bewilligte am 17.8.1983 einen Erbschein, dem zufolge … aufgrund des Testaments vom 17.4.1977 von ihrem Ehemann allein beerbt worden und Nacherbe der Beteiligte zu 1 sei. Dieser am 8.11.1983 ergänzte Erbschein wurde durch Beschluß des Nachlaßgerichts vom 18.11.1986 eingezogen, weil der Nacherbfall eingetreten war. Am selben Tag wurde dem Beteiligten zu 1 ein Erbschein des Inhalts erteilt, daß er die Ehefrau des Erblassers allein beerbt habe.
Am 9.2.1987 beantragte der Beteiligte zu 1 beim Nachlaßgericht Augsburg, ihm einen Erbschein zu erteilen, dem zufolge der Erblasser aufgrund des Testaments vom 16.10.1972 von ihm allein beerbt worden sei. Diesen Antrag hat das Nachlaßgericht mit Beschluß vom 9.2.1987 zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt, daß das Testament vom 16.10.1972 durch den Tod der Ehefrau des Erblassers gegenstandslos geworden sei. Im Testament des Erblassers sei auch nicht andeutungsweise zum Ausdruck gebracht, daß nach seinem Tod der Neffe seiner Ehefrau Erbe sein soll. Es liege auch kein gemeinschaftliches Testament der Ehegatten vor, weil diese getrennt und zu verschiedenen Zeitpunkten testiert hätten. Mündliche Erklärungen des Erblassers nach dem Tod seiner Ehefrau seien unwirksam.
Die gegen diese Entscheidung eingelegte Beschwerde des Beteiligten zu 1 hat das Landgericht Augsburg am 28.6.1987 zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich mit Anwaltsschriftsatz eingelegte weitere Beschwerde. Der Beteiligte zu 1 beantragt, den angefochtenen Beschluß sowie den des Nachlaßgerichts aufzuheben und letzteres anzuweisen, ihm einen Erbschein als Alleinerbe zu erteilen.
Entscheidungsgründe
II.
Die zulässige weitere Beschwerde ist begründet.
1. Das Landgericht hat ausgeführt:
Die Voraussetzungen für die Erteilung eines Erbscheins an den Beteiligten zu 1 seien nicht gegeben. Das sei schon vom Nachlaßgericht zutreffend ausgeführt worden; insoweit werde auf den angefochtenen Beschluß Bezug genommen. Das Beschwerdevorbringen rechtfertige keine andere Beurteilung des Falles.
Da eine Erbenstellung des Beteiligten zu 1 auf Grund gesetzlicher Erbfolge ausscheide, könnte dieser allenfalls testamentarischer Erbe sein. Ein formgültiges Testament, aus dem sich eine Erbeinsetzung des Beteiligten zu 1 „unmittelbar” ergebe, liege nicht vor. Die Eheleute … hätten insbesondere kein gemeinschaftliches Testament errichtet, sondern ihren letzten willen in zeitlichem Abstand voneinander und in getrennten Verfügungen niedergelegt.
Dem Vorbringen des Beteiligten zu 1, es sei der erklärte Wille beider Ehegatten gewesen, daß er der Erbe sein solle und daß dies durch eine ergänzende Testamentsauslegung festgestellt werden könne, vermöge die Beschwerdekammer nicht zu folgen. Eine ergänzende Testamentsauslegung komme nur dann in Betracht, wenn es an der Eindeutigkeit einer letztwilligen Verfügung fehle. In dieser m...