Entscheidungsstichwort (Thema)
Wohnungseigentumssache: Richterablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit
Verfahrensgang
LG München I (Entscheidung vom 04.04.1991; Aktenzeichen 1 AR 13/91) |
AG München (Aktenzeichen UR II 265/89) |
Tenor
I. Die sofortige Beschwerde der Antragsgegner gegen den Beschluß des Landgerichts München I vom 4. April 1991 wird zurückgewiesen.
II. Die Antragsgegner haben als Gesamtschuldner die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
III. Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5 000 DM festgesetzt.
Gründe
I.
Antragstellerin, Antragsgegner und weitere Beteiligte sind die Wohnungseigentümer einer Wohnanlage in einem Altbau. Die Antragstellerin, deren Wohnung unter der der Antragsgegner liegt, fühlt sich durch Klavierspiel in dieser Wohnung gestört. Sie hat zuletzt beantragt, den Antragsgegnern zu verbieten, in der Wohnung Klavier zu spielen, hilfsweise das Klavierspielen nur zu erlauben, wenn durch geeignete Maßnahmen gewährleistet ist, daß dadurch in der Wohnung der Antragstellerin in keinem Fall Schallpegel von tagsüber mehr als 30 dB (A) und nachts von mehr als 25 dB (A) auftreten können.
Im Termin zur Anhörung des Sachverständigen, der mit der Erstattung eines schalltechnischen Gutachtens beauftragt worden war, haben die Antragsgegner den Amtsrichter wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Sie haben die Ablehnung damit begründet, daß der Richter geäußert habe, nach seiner privaten Erfahrung könne man nicht Klavier spielen, ohne daß es einen anderen stört.
Der Richter hat sich zu der Ablehnung dienstlich geäußert; er räumt ein, daß er sich sinngemäß so oder ähnlich geäußert habe.
Das Landgericht hat das Ablehnungsgesuch der Antragsgegner mit Beschluß vom 4.4.1991 als nicht begründet erklärt. Die Antragsgegner haben gegen den Beschluß sofortige Beschwerde eingelegt.
II.
1. Das entsprechend § 46 Abs. 2 ZPO als sofortige Erstbeschwerde statthafte (BayObLG WE 1991, 51 m.w.Nachw.) und auch sonst zulässige (§ 43 Abs. 1 WEG, §§ 21, 22 Abs. 1 FGG) Rechtsmittel ist nicht begründet.
a) Daß die Antragstellerin das Verfahren in der Hauptsache mit der Begründung für erledigt erklärt hat, sie habe die Wohnung veräußert und das Eigentum sei inzwischen auf den Käufer übergegangen, ist auf das Ablehnungsverfahren ohne Einfluß. Der abgelehnte Richter ist weiterhin mit der Sache befaßt, weil jedenfalls noch eine Entscheidung über die Kosten zu treffen ist.
b) Entsprechend § 42 Abs. 2 ZPO findet die Ablehnung eines Richters wegen Besorgnis der Befangenheit statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Mißtrauen gegen die Unparteilichkeit des Richters zu rechtfertigen. Dabei muß es sich um einen objektiven Grund handeln, der vom Standpunkt des Ablehnenden aus bei vernünftiger Betrachtung die Befürchtung erwecken kann, der Richter stehe der Sache nicht unvoreingenommen und damit nicht unparteiisch gegenüber; rein subjektive, unvernünftige Vorstellungen und Gedankengänge des Gesuchstellers scheiden aus (BayObLG aaO m.w.Nachw.).
Das Landgericht hat diese Grundsätze berücksichtigt und das Ablehnungsgesuch der Antragsgegner zu Recht zurückgewiesen.
(1) Äußerungen eines Richters, die in der Sache überzogen sind oder die den Eindruck einer einseitigen Bevorzugung erwecken, können die Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit begründen. Jedoch ist vor einer kleinlichen Betrachtungsweise zu warnen (Stein/Jonas/Leipold ZPO 20. Aufl. § 42 Rn. 11); der Spielraum, der dem Richter bei der Wahl seiner Ausdrucksweise eingeräumt werden muß, ist schon im Interesse einer umfassenden Erörterung der Sache erheblich (Baumbach/Hartmann ZPO 48. Aufl. § 42 Stichwort „Ausdrucksweise”). Es ist niemandem damit gedient, wenn Meinungsäußerungen eines Richters in der mündlichen Verhandlung zu Sach- oder Rechtsfragen auf die Goldwaage gelegt werden. Eine überzogene oder gar unsachliche Äußerung wird nur dann die Ablehnung rechtfertigen, wenn sie bei einem Beteiligten bei vernünftiger Betrachtungsweise die Befürchtung erwecken muß, der Richter werde seinen Argumenten gegenüber nicht mehr aufgeschlossen sein (Baumbach/Hartmann aaO).
(2) Diese Befürchtung ist hier nicht begründet. Die Äußerung, man könne nicht Klavier spielen, ohne die Nachbarn zu stören, mag den Sachverhalt etwas vereinfachen; sie enthält aber einen wahren Kern. Der Richter hat nichts anderes angesprochen, als Wilhelm Busch mit seinem bekannten Vers „Musik wird oft nicht schön gefunden, weil sie stets mit Geräusch verbunden” (aus „Dideldum”, 1874). Auf keinen Fall rechtfertigen die Äußerungen des Amtsrichters bei Beachtung der oben dargelegten Grundsätze die Befürchtung, er sei für Argumente der Antragsgegner nicht mehr offen oder stehe der Sache nicht unvoreingenommen gegenüber; dies verbietet sich schon angesichts der Sorgfalt, mit der der Richter die Beweisaufnahme durchgeführt hat.
2. Der Senat hält es für angemessen, den Antragsgegnern als Gesamtschuldnern die Gerichtskosten ihrer erfolglosen Beschwerde aufzuerlegen (§ 47 Satz 1 WEG). Für eine Anordn...