Entscheidungsstichwort (Thema)

Pflegschaftssache

 

Leitsatz (amtlich)

Für ein Verfahren nach § 1696 BGB zur Überprüfung und Abänderung einer vor dem 1.7.1998 von einem Vormundschaftsgericht getroffenen Sorgerechtsregelung sind seit 1.7.1998 die Familiengerichte zuständig (im Anschluß an BayObLGZ 1999 S. 6); dies gilt auch für die Aufhebung einer Ergänzungspflegschaft.

 

Normenkette

BGB § 1696

 

Verfahrensgang

AG Nürnberg (Urteil vom 04.02.2000; Aktenzeichen VIII 0607/97)

AG Nürnberg (Urteil vom 01.02.2000; Aktenzeichen 153 F 228/00)

 

Tenor

Für die Aufhebung der Ergänzungspflegschaft ist das Amtsgericht Nürnberg – Familiengericht – zuständig.

 

Gründe

I.

1. Das Amtsgericht – Vormundschaftsgericht Nürnberg hatte mit Beschluß vom 22.5.1997 unter anderem folgende Anordnungen getroffen:

  • Den Eltern … wird das Aufenthaltsbestimmungsrecht und das Recht zur Vertretung im Rahmen der Gesundheitsfürsorge für ihr eheliches Kind M. entzogen.
  • Zum Ergänzungspfleger wird das Jugendamt der Stadt Nürnberg bestellt.

Diese Anordnungen änderte das Amtsgericht – Familiengericht – Nürnberg durch Beschluß vom 30.12.1999 zum Teil wie folgt:

Das Aufenthaltsbestimmungsrecht für das Kind M. und das Recht zur Vertretung des Kindes im Rahmen der Gesundheitsfürsorge wird der Mutter … zurückübertragen.

Die Änderung wurde mit folgenden Feststellungen und Erwägungen begründet:

Das 1995 geborene Kind M. ist das eheliche Kind von … Diese leben getrennt, ein weiteres aus der Ehe hervorgegangenes Kind lebt in der Obhut der Mutter. Das Kind M. lebt in Vollzeitpflege bei Familie ….

Mit Beschluß vom 22.5.1997 hat das Vormundschaftsgericht Nürnberg (Az: X 0109/97) den Eltern das Aufenthaltsbestimmungsrecht und das Recht zur Vertretung im Rahmen der Gesundheitsfürsorge für M. entzogen mit der Begründung, daß das Kind von den Eltern nicht ordnungsgemäß versorgt und betreut worden war, ein weiteres Verbleiben in der häuslichen Situation war nicht mehr tragbar. Zum Ergänzungspfleger für das Kind M. wurde das Jugendamt der Stadt Nürnberg bestellt. Das Familiengericht Nürnberg hat gemäß § 1696 Abs. 3 BGB diese vom Vormundschaftsgericht getroffene Maßnahme nach § 1666 BGB zu überprüfen. Das Stadtjugendamt Nürnberg hat dazu in seiner Äußerung vom 11.10.1999 festgestellt, daß die Mutter zwischenzeitlich eine positive Entwicklung durchgemacht hat, sie hat eingesehen, daß das Verbringen des Kindes M. in eine Pflegefamilie zu dessen Förderung und Unterstützung notwendig war, sie ist nunmehr mit einem weiteren Verbleiben des Kindes in einer Pflegefamilie einverstanden, ebenso wie sie auch bereit ist, diese Jugendhilfemaßnahme weiterhin aktiv und konstruktiv zu unterstützen.

Da die Mutter nunmehr die zum Wohle des Kindes erforderliche Maßnahme für richtig hält und diese unterstützt, ist für die Aufrechterhaltung der Maßnahme gemäß § 1666 BGB kein Raum mehr, das Aufenthaltsbestimmungsrecht und die Gesundheitsfürsorge, also die gesamte elterliche Sorge ist der Mutter gemäß § 1696 Abs. 2 unter Aufhebung der Entscheidung vom 22.5.1997 rückzuübertragen.

Eine Änderung der Maßnahme gemäß § 1666 BGB gegenüber dem Vater ist nicht veranlaßt, da dieser nach den Feststellungen des Stadtjugendamtes Nürnberg jegliche Mitarbeit mit dem Stadtjugendamt verweigert, so daß zu seiner jetzigen Lebenssituation und Einstellung keine Stellungnahme abgegeben werden kann. Es ist daher davon auszugehen, daß er weiterhin nicht in der Lage ist, dem Wohl des Kindes förderliche Entscheidungen zu treffen, so daß diese Maßnahme aufrechterhalten bleiben muß.

3. Das Vormundschaftsgericht kam laut Aktenvermerk vom 25.1.2000 zu dem Ergebnis, daß die Ergänzungspflegschaft aufzuheben sei, erklärte sich aber mit Beschluß vom 4.2.2000 für die Aufhebungsentscheidung für unzuständig und legte, da sich auch das Familiengericht mit Beschluß vom 1.2.2000 für diese Entscheidung für unzuständig erklärt hatte, die Sache zur Entscheidung über den Kompetenzkonflikt dem Bayerischen Obersten Landesgericht vor. Beide Beschlüsse wurden den Beteiligten bekanntgegeben.

II.

1. Das Bayerische Oberste Landesgericht ist als das gemeinsame obere Gericht in entsprechender Anwendung von § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO zur Entscheidung des Zuständigkeitsstreits zwischen dem Vormundschafts- und dem Familiengericht berufen (BayObLGZ 1994, 91 und Senatsbeschluß vom 16.12.1999, Rpfleger 2000, 158).

2. Die Voraussetzungen für eine Zuständigkeitsbestimmung gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO sind gegeben. Ein Gesuch im Sinne des § 37 Abs. 1 ZPO liegt in der Vorlage des am Zuständigkeitsstreit beteiligten Vormundschaftsgerichts; hierzu ist im Rahmen des ihm übertragenen Geschäfts auch der Rechtspfleger befugt (Senatsbeschluß vom 16.12.1999 m. w. N.). Beide Gerichte haben sich „rechtskräftig” i. S. d. § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO für unzuständig erklärt und ihre Entscheidungen den Verfahrensbeteiligten bekanntgegeben.

3. Zuständig ist das Familiengericht (§ 1696 Abs. 1 und 2 BGB in der am 1.7.1998 in Kraft getretenen Neufassung laut Art. 1 Nr. 25 des Gesetzes zur Reform des Kindschafts...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?