Leitsatz (amtlich)

1. Ein trotz absoluter Beschlussunzuständigkeit gefasster Beschluss ist nichtig.

2. Erschöpft sich ein Eigentümerbeschluss in der Regelung eines individualisierten Einzelfalles, also in einer konkreten Maßnahme aus einem bestimmten Anlass, und will er darüber hinaus das Gesetz weder vorläufig noch endgültig ändern, so ist ein gesetzesverletzender Mehrheitsbeschluss anfechtbar, aber nicht nichtig.

 

Verfahrensgang

LG Kempten (Beschluss vom 31.03.2004; Aktenzeichen 42 T 174/04)

AG Lindau (Bodensee) (Aktenzeichen 5 UR II 0025/02)

 

Tenor

I. Die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des LG Kempten (Allgäu) vom 31.3.2004 wird zurückgewiesen.

II. Die Antragsgegnerin hat die gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen.

III. Der Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 1.638 Euro festgesetzt.

 

Gründe

I. Der Antragsteller ist der Verwalter einer Wohnanlage, die aus mehreren Gebäuden mit rund 300 Appartement-Wohnungen, Restaurant, Schwimmbad, medizinischen Bädern und weiteren gewerblich nutzbaren Räumen besteht. Der Antragsgegnerin gehört eine Wohnung in dieser Anlage. Die Gemeinschaftsordnung bestimmt, dass die Gesamtwohnanlage als Kurzentrum und Apparthotel für Kur oder klinische Behandlung oder für Behandlung nach anerkannten Naturheilverfahren betrieben wird.

Die Eigentümerin der gewerblichen Teileigentumseinheiten, eine Hotelbetriebsgesellschaft, der rund 20 % der Miteigentumsanteile gehörten, meldete im Jahr 1986 Konkurs an. Es entstand vor Beginn des Konkursverfahrens und während seiner Dauer ein Wohngeldausfall von insgesamt rund 1,3 Mio. DM. Für das gewerbliche Teileigentum wurde die Zwangsversteigerung angeordnet. Daraufhin gründeten einige Wohnungseigentümer einen Treuhandverein mit dem Ziel der Übernahme des Gewerbeteils.

Mit bestandskräftigem Eigentümerbeschluss vom 11.5.1991 beschlossen die Wohnungseigentümer, dass der Versuch einer Sanierung des Gewerbeteils mittels des Treuhandvereins gebilligt werde, dass die Wohnungseigentümer zugunsten des Vereins die für den Erwerb des Gewerbeteils anfallenden Kosten, Gebühren und Steuern übernehmen, dass dafür eine Sonderumlage im Gesamtbetrag von 100.000 DM erhoben werde, und weitere Regelungen, die im Wesentlichen die Übernahme aller dem Treuhandverein durch den Erwerb und die Bewirtschaftung des Gewerbeteils entstehenden Kosten betreffen.

In der Folgezeit wurde der Verein im Vereinsregister eingetragen. In der Eigentümerversammlung vom 30.1.1993 fassten die Wohnungseigentümer den nicht angefochtenen Beschluss, dass dem Erwerb des gesamten Gewerbeteils durch den Treuhandverein auf Kredit- oder Darlehensbasis bis zu einer Höhe von 2,2 Mio. DM zugestimmt werde. Außerdem beschlossen sie, dass der Übernahme der Folgekosten des Erwerbs, soweit ein Ausfall beim Treuhandverein eintrete, durch die Eigentümergemeinschaft gegen Überlassung der Einkünfte zugestimmt werde.

Das Bayerische OLG hat mit Beschluss vom 23.4.1998 (BayObLG ZMR 1998, 509 ff.) eine Nichtigkeit der Eigentümerbeschlüsse vom 10.5.1991 und 30.1.1993 verneint.

In der Folgezeit geriet der Treuhandverein in finanzielle Schwierigkeiten. In der Eigentümerversammlung vom 27.5.2000 beschlossen die Wohnungseigentümer, einen eventuell mit dem Treuhandverein bestehenden Vertrag aus wichtigem Grund zu kündigen und keine Zahlungen mehr für den Verein zu leisten. Am 1.9.2000 fand dann eine außerordentliche Eigentümerversammlung statt, in der zunächst beantragt war, den Eigentümerbeschluss vom 27.5.2000 aufzuheben. Angenommen wurde aber dann der Antrag, über diesen Tagesordnungspunkt nicht abzustimmen und eine erneute Abstimmung darüber vorzunehmen, wenn detaillierte Verträge vorliegen. Die genannten Eigentümerbeschlüsse wurden bestandskräftig.

Außerdem wurde in der Eigentümerversammlung vom 1.9.2000 unter Tagesordnungspunkt (TOP) 4 beschlossen, dem Treuhandverein "in Vollzug der Beschlüsse 1991 und 1993 (Erwerb des Gewerbeteils auf Kreditbasis)" ein zinsloses Darlehen über 700.000 DM zum Zweck der Tilgung eines vom Verein bei einer bestimmten Bank aufgenommenen Darlehens zu geben. Ferner wurde beschlossen, zur Finanzierung des Darlehens eine Sonderumlage über 700.000 DM zu erheben, die von den Wohnungseigentümern im Verhältnis ihrer Miteigentumsanteile - ohne Beteiligung der Eigentümer des Gewerbeanteils - zu tragen ist. Schließlich wurde eine Regelung über die dingliche Absicherung des Darlehens getroffen.

In Ausführung dieses bestandskräftigen Beschlusses wurde in der Folgezeit von den Wohnungseigentümern der entsprechende Anteil der Sonderumlage angefordert. Die Antragsgegnerin hat den sie treffenden Anteil i.H.v. 1.638,60 Euro nebst Zinsen nicht bezahlt.

Der Antragsteller hat in Verfahrensstandschaft für die Wohnungseigentümer beantragt, die Antragsgegnerin zur Zahlung zu verpflichten. Das AG hat mit Beschluss vom 29.12.2003 die Antragsgegnerin zur Zahlung von 1.034,85 Euro nebst Zinsen verpflichtet. Das LG hat am 31.3.2004...

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