Entscheidungsstichwort (Thema)
Ablehnung von Rechtshilfe. Verfahrensrecht
Leitsatz (redaktionell)
Wir in einer dem Rechtspfleger übertragenen Nachlaßsache ein von ihm ausgehendes Ersuchen durch den Rechtspfleger eines anderen Nachlaßgerichts abgelehnt, so ist er auch befugt, den gemäß § 159 Abs. 2 GVG erforderlichen Antrag auf Entscheidung durch das Obergericht im Sinn von § 159 Abs. 1 Satz 1 GVG in eigener Verantwortung zu stellen.
Normenkette
GVG § 159 Abs. 2, 1 S. 1
Verfahrensgang
AG Schwandorf (Aktenzeichen 4 AR 23/93) |
AG Regensburg (Aktenzeichen VI 269/93) |
Tenor
Das Amtsgericht Schwandorf hat das Rechtshilfeersuchen vom 24.3.1993 auszuführen.
Tatbestand
I.
Die 1993 in R verstorbene Erblasserin hat durch notarielles Testament ihren in S wohnhaften Bruder (Beteiligter zu 1), einen weiteren Bruder sowie deren Kinder als Miterben eingesetzt und den Beteiligten zu 1 zum Testamentsvollstrecker bestimmt. Der Nachlaß besteht aus Wertpapieren und Bankguthaben.
Der Rechtspfleger des Nachlaßgerichts Regensburg, der das Testament ohne Zuziehung von Beteiligten eröffnet und formblattmäßige Erklärungen des Beteiligten zu 1 eingeholt hat, sandte am 24.3.1993 die Akten an das Amtsgericht Schwandorf mit dem Ersuchen um erbrechtliche Anhörung und Entgegennahme „eventueller Anträge bzw. Ausschlagungserklärungen” des Beteiligten zu 1 sowie dessen in S wohnhafter Kinder.
Das Amtsgericht Schwandorf (Rechtspfleger des Nachlaßgerichts) hat schriftliche Erklärungen des Beteiligten zu 1 (Nachlaßverzeichnis, Annahme des Amtes als Testamentsvollstrecker) eingeholt und sodann die Akten an das Nachlaßgericht Regensburg zurückgesandt.
Dieses hat mit Verfügung vom 10.5.1993 die Akten erneut zur Erledigung des Rechtshilfeersuchens dem Nachlaßgericht Schwandorf zugesandt. Das ersuchte Gericht sandte die Akten unter anderem mit dem Bemerken zurück, es möge mitgeteilt werden, wozu noch Erklärungen benötigt würden. Auf nochmalige Aktenzuleitung bemerkte es, daß nach seiner Ansicht ein Erbschein nicht nötig sei. Der Rechtspfleger des Amtsgerichts Regensburg hat dem Bayerischen Obersten Landesgericht die Akten zur Entscheidung über die Ablehnung der Rechtshilfe vorgelegt.
Entscheidungsgründe
II.
1. Das Bayerische Oberste Landesgericht ist zur Entscheidung des Rechtshilfestreits zuständig, weil es sich bei dem Nachlaßverfahren um eine Angelegenheit der freiwilligen Gerichtsbarkeit handelt und das ersuchte Gericht sich in Bayern befindet (§ 2 Satz 2 FGG, § 159 Abs. 1 Satz 1 GVG; § 199 FGG, Art. 11 Abs. 3 AGGVG; vgl. BayObLGZ 1992, 271). Der allgemeine Grundsatz, wonach Nebenentscheidungen, soweit höhere Instanzen befaßt werden, von den Gerichten getroffen werden sollen, die im Instanzenzug auch zur Entscheidung in der Hauptsache berufen sind (vgl. BayObLGZ 1989, 1/3 und 1992, 271/272 m.w.Nachw.), ist auch für Rechtshilfeersuchen anwendbar. An seiner im Beschluß vom 6.9.1989 (AR 1 Z 94/89) vertretenen gegenteiligen Auffassung hält der Senat nicht fest.
2. Die Vorlage durch den Rechtspfleger des Nachlaßgerichts Regensburg ist zulässig. Eine Entscheidung des Richters (§ 11 RPflG) vor Durchführung des Verfahrens gemäß § 159 Abs. 1 Satz 1 GVG ist nicht erforderlich.
a) Der Rechtspfleger ist in ihm zur selbständigen Bearbeitung übertragenen Nachlaßsachen befugt, in eigener Verantwortung um Rechtshilfe zu ersuchen (§ 3 Nr. 2c, § 4 Abs. 1 RPflG; allgemeine Meinung, vgl. BayObLGZ 1986, 118/121 m.w.Nachw.; Keidel/Kahl FGG 13. Aufl. § 2 Rn. 12). Wird in einer dem Rechtspfleger übertragenen Nachlaßsache ein von ihm ausgehendes Ersuchen durch den Rechtspfleger eines anderen Nachlaßgerichts abgelehnt, so ist er nach herrschender Meinung auch befugt, den gemäß § 159 Abs. 2 GVG erforderlichen Antrag auf Entscheidung durch das Obergericht im Sinn von § 159 Abs. 1 Satz 1 GVG in eigener Verantwortung zu stellen (vgl. OLG Celle, Rpfleger 1959, 161; OLG München Rpfleger 1973, 19; Jansen FGG 2. Aufl. Rn. 24, Keidel/Kahl Rn. 31, Bumiller/Winkler FGG 5. Aufl. Anm. 3 d, jeweils zu § 2; Bassenge/Herbst FGG/RPflG 6. Aufl. § 2 FGG Anm. 3 c und § 4 RPflG Anm. 2 a; Kreppel Rpfleger 1990, 357; MünchKomm/Wolf ZPO § 159 Rn. 2; Kissel GVG § 159 Rn. 3; a.M. Zöller/Gummer ZPO 18. Aufl. Rn. 2 und Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann ZPO 50. Aufl. Rn. 3, jeweils zu § 159 GVG). Der Senat schließt sich der herrschenden Meinung an, weil es sich um ein Antragsverfahren eigener Art handelt (vgl. OLG München Rpfleger 1973, 19 m.w.Nachw.), für das die allgemeinen Vorschriften für Beschwerden (§§ 19 ff. FGG; vgl. Keidel/Kahl § 2 Rn. 29) und damit auch die über die Erinnerung nach § 11 RPflG nicht anwendbar sind. An der im Beschluß vom 6.9.1989 (AR 1 Z 94/89) vertretenen Auffassung wird nicht festgehalten.
b) Das Rechtshilfeersuchen des Nachlaßgerichts Regensburg betrifft Aufgaben des Rechtspflegers (§ 3 Nr. 2c RPflG). Liegt wie hier eine Verfügung von Todes wegen vor, dann erfaßt der Richtervorbehalt gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 6 RPflG zwar die Erteilung eines Erbscheins (§ 2353 BGB; vgl. Bassenge/Herbst § 3...