Verfahrensgang
LG Aschaffenburg (Beschluss vom 04.09.1984; Aktenzeichen T 111/84) |
AG Obernburg a.M. (Aktenzeichen VII 151/83) |
Tenor
Die weitere Beschwerde gegen den Beschluß des Landgerichts Aschaffenburg vom 4. September 1984 wird zurückgewiesen.
Tatbestand
I.
1. Die Beteiligten zu 1 und 2 sind die Eltern der am … und … ehelich geborenen Mädchen R., N. und J.. Seit Ende Mai 1984 leben sie getrennt.
2. Der Vater befährt als selbständiger Binnenschiffer den Rhein und lebt überwiegend auf seinem Schiff.
Die Mutter befindet sich zur Zeit in einem Nervenkrankenhaus. Nach Darstellung des behandelnden Arztes und der mit den Kindern befaßten Jugendämter ist sie mindestens seit dem Jahre 1970 von übermäßigem Alkoholgenuß und mißbräuchlicher Tabletteneinnahme abhängig. Sie versuchte wiederholt, sich das Leben zu nehmen, und befand sich mehrmals stationär in psychiatrischer Behandlung. Zwischen den Eltern kam es zu erheblichen Auseinandersetzungen.
Auf Grund dieser Verhältnisse wächst R. etwa seit ihrem vierten Lebensjahr mit kurzen Unterbrechungen bei ihrer Großmutter väterlicherseits in Essen auf. Seit November 1978 ist den Eltern das Aufenthaltsbestimmungsrecht für R. entzogen. N. lebt seit Januar 1982 bei der Schwester ihres Vaters ebenfalls in Essen.
3. Am 19.12.1983 teilte das Kreisjugendamt dem Amtsgericht Obernburg – Vormundschaftsgericht – mit, die Mutter habe ihr vier Wochen altes Kind J. mißhandelt, der Vater kümmere sich nur wenig um das Kind. Mit Beschluß vom gleichen Tage entzog daraufhin das Amtsgericht den Eltern vorläufig die elterliche Sorge für J., ordnete Vormundschaft über das Kind an und bestellte das Kreisjugendamt zum Vormund. Dieses gab das Kind zunächst in eine Kinderklinik und sodann im Januar 1984 in die Pflege einer den Eltern unbekannten Familie im Landkreis … die J. adoptieren will.
Das Amtsgericht hörte die Eltern, die Schwester des Vaters sowie ihren Lebensgefährten und erhielt ärztliche Berichte über die Mutter und das Kind.
Mit Beschluß vom 25.6.1984 entzog das Amtsgericht den Eltern ihre elterliche Sorge für J. endgültig, ordnete Vormundschaft an und bestellte das Kreisjugendamt zum Vormund. Auf die Beschwerde des Vaters hob das Landgericht Aschaffenburg durch Beschluß vom 4.9.1984 die Entscheidung des Amtsgerichts vom 25.6.1984 insoweit auf, als dem Vater die elterliche Sorge entzogen und „diesbezüglich” die Vormundschaft angeordnet sowie das Kreisjugendamt zum Vormund bestimmt worden war; im übrigen sprach es aus, die Entscheidung über die Entziehung der elterlichen Sorge der Mutter bleibe aufrechterhalten.
Gegen diese Entscheidung richtet, sich die „sofortige, weitere Beschwerde” des Kreisjugendamts. Die Eltern sind zu dem Rechtsmittel nicht gehört worden.
Entscheidungsgründe
II.
A. Die als „sofortige, weitere Beschwerde” bezeichnete Eingabe des Kreisjugendamts ist als einfache weitere Beschwerde gegen die Entscheidung des Landgerichts aufzufassen, weil gegen die Entscheidung des Beschwerdegerichts das Rechtsmittel der weiteren Beschwerde statthaft ist (§ 27 Satz 1 FGG). Die sofortige Beschwerde ist fristgebunden und nur in den vom Gesetz ausdrücklich bezeichneten Fällen gegeben. Diese sind für Vormundschaftssachen in § 60 FGG bestimmt. Keiner der dort genannten Fälle liegt jedoch hier vor.
B. Die weitere Beschwerde hat keinen Erfolg.
1. Das Amtsgericht hat die Eltern persönlich gehört (§ 50 a Abs. 1 FGG). Eine solche Anhörung durch das Landgericht ist unterblieben, obwohl die Pflicht zur persönlichen Anhörung der Eltern (§ 50 a Abs. 1 FGG) regelmäßig auch im Beschwerdeverfahren besteht (BayObLG FamRZ 1984, 933/934; Keidel/Kuntze/Winkler FGG 11. Aufl. Nachtrag § 50 a RdNr. 4; BT-Drucks. 7/2060 S. 43; vgl. BT-Drucks. 8/2788 S. 41 f.). Eine nochmalige Anhörung im Beschwerdeverfahren kann jedoch ausnahmsweise dann entbehrlich sein, wenn weder für die Entscheidung bedeutsame, neue Tatsachen vorgetragen sind noch eine Änderung rechtlicher Gesichtspunkte eingetreten ist (BayObLG a.a.O.; BayObLGZ 1980, 215/220, BayObLG DAV 1981, 901/904, je m.w. Nachw.; vgl. zur Anhörung gemäß § 64 a FGG im Beschwerdeverfahren BVerfG FamRZ 1984, 139/141); außerdem darf nicht im Hinblick auf den Zeitablauf seit der persönlichen Anhörung durch das Vormundschaftsgericht die erneute Anhörung im Beschwerdeverfahren geboten erscheinen (vgl. BayOblG MDR 1981, 230/321). Danach durfte das Landgericht im vorliegenden Fall eine nochmalige Anhörung der Eltern als entbehrlich ansehen, weil seit der Anhörung der Eltern durch das Amtsgericht die Sachlage sich nur insoweit geändert hatte, als die Eltern seit Ende Mai 1984 getrennt leben. Diese Änderung konnte hier jedoch keinen Einfluß auf die Entscheidung über die elterliche Sorge haben; denn eine gemeinsame elterliche Sorge beider Eltern kam nicht in Betracht; auch will der Vater das Kind nicht selbst betreuen, sondern seine Versorgung und Erziehung der Großmutter übertragen.
Von der grundsätzlich ebenfalls gebotenen Anhörung der Pflegepersonen des Kindes (§ 50 c FGG) durften di...