Leitsatz (amtlich)

Der Notar handelt nicht pflichtwidrig, wenn er die Auszahlung des auf seinem Anderkonto hinterlegten Kaufpreisteiles in einem Fall aussetzt, in dem sich der Pfändungsgläubiger des Käufers einseitig darauf beruft, es sei eine Rückabwicklung des Kaufvertrages vorzunehmen und der Kaufpreisteil an ihn auszuzahlen.

 

Normenkette

BNotO § 15; BeurkG § 53c

 

Verfahrensgang

LG Coburg (Beschluss vom 11.05.2004; Aktenzeichen 41 T 14/04)

 

Tenor

I. Die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 11) gegen den Beschluss des LG Coburg v. 11.5.2004 wird zurückgewiesen.

II. Der Beteiligte zu 11) hat die den übrigen Beteiligten im Verfahren der weiteren Beschwerde entstandenen Kosten zu erstatten.

III. Der Geschäftswert des Verfahrens der weiteren Beschwerde wird auf 50.000 Euro festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Rechtsvorgängerin der Beteiligten zu 1), ein in Sachsen ansässiges Unternehmen, hat im Zuge der Privatisierung ehemaliger volkseigener Betriebe mit notariellem Kaufvertrag v. 14.11.1991 an den Beteiligten zu 3) mehrere Grundstücke bzw. Grundstücksteilflächen nebst Gebäuden und Betriebsteilen verkauft. Als Gesamtkaufpreis wurden 2.750.000 DM zzgl. Mehrwertsteuer vereinbart. An dem Vertrag waren ferner die Treuhandanstalt (jetzt Beteiligte zu 2) beteiligt sowie die Beteiligten zu 4) bis 10), die Ansprüche nach dem Gesetz zur Regelung offener Vermögensfragen (VermG) erhoben haben.

§ 3 Ziff. 3 des notariellen Vertrages v. 14.11.1991 bestimmt, dass sämtliche Zahlungen auf ein vom Notar einzurichtendes Anderkonto zu leisten sind. In § 3 Ziff. 5 wird dem Verkäufer ein Rücktrittsrecht für den Fall eingeräumt, dass der Käufer mit einem Kaufpreisteil in Zahlungsverzug gerät und trotz Mahnung innerhalb von 4 Wochen ab deren Zugang Zahlung nicht geleistet hat. § 4 enthält Anweisungen dazu, unter welchen Voraussetzungen der Notar Auszahlungen an die Verkäuferin oder die Beteiligten zu 4) bis 10) vornehmen darf. Unter § 5 des Kaufvertrages haben die Beteiligten zu 4)-10), die Treuhandanstalt und die Verkäuferin umfangreiche Vereinbarungen getroffen. Als Zeitpunkt für den Übergang von Besitz, Nutzen und Lasten wurde der 1.1.1992 festgelegt (§ 20); ferner verpflichtete sich die Verkäuferin, Pfandrechten zur Finanzierung von Investitionen und Betriebsmitteln den Vorrang einzuräumen (§ 18 Abs. 4).

Der Beteiligte zu 3) hat am 2.1.1992 die erste Kaufpreisrate i.H.v. 1,5 Mio. DM, jedoch ohne Mehrwertsteuer, auf das Notaranderkonto bezahlt. Weitere Zahlungen sind in der Folge nicht mehr eingegangen. Mit Schreiben v. 18.4.1995 hat der Liquidator der Verkäuferin dem Käufer hinsichtlich des noch offenen Kaufpreisbetrages eine Nachfrist mit Ablehnungsandrohung gesetzt.

Der Beteiligte zu 11) hat als Verwalter im Gesamtvollstreckungsverfahren über das Vermögen einer Gläubigerin des Beteiligten zu 3) für diese mit Pfändungs- und Überweisungsbeschluss v. 30.10.1995 die angebliche Rückzahlungsforderung des Beteiligten zu 3) gegen den Notar gepfändet. Mit Pfändungs- und Überweisungsbeschluss v. 27.5.2002 hat er die Ansprüche des Käufers sowohl gegen den Amtsnachfolger des Urkundsnotars aus der Hinterlegung als auch gegen die Verkäuferin gepfändet.

Der Amtsnachfolger des Urkundsnotars hat mit Bescheid v. 9.1.2004 den Vollzug des Kaufvertrages v. 14.11.1991 und die Auszahlung des auf dem Notaranderkonto hinterlegten Betrages zzgl. der aufgelaufenen Zinsen ausgesetzt.

Der Beteiligte zu 11) hat hinsichtlich der Aussetzung der Auszahlung Beschwerde eingelegt und beantragt, den Notar anzuweisen, den hinterlegten Kaufpreis nebst Zinsen an ihn auszuzahlen. Das LG hat die Beschwerde zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 11). Die Beteiligte zu 2) und die Beteiligten zu 4) und 5) haben der Auszahlung des hinterlegten Betrages an den Beteiligten zu 11) widersprochen.

II. Die weitere Beschwerde ist zulässig (§ 15 Abs. 2 BNotO, §§ 27, 29 FGG), jedoch nicht begründet.

1. Das LG hat im Wesentlichen ausgeführt:

Im Rahmen des § 15 BNotO sei ausschließlich darüber zu befinden, ob die Handlungsweise des Notars pflichtwidrig sei. Der Notar habe sich für ein Vorgehen entschieden, wie es § 54c Abs. 3 BeurkG vorsehe; dies stelle keine Amtspflichtverletzung dar. Es liege eine mehrseitige Anweisung im Sinne dieser Vorschrift vor. Bei Kaufverträgen werde die Hinterlegungsanweisung in der Regel vom Verkäufer und Käufer erteilt. Auch im vorliegenden Fall sei die Anweisung nicht einseitig nur durch den Einzahlenden, sondern von allen Vertragspartnern erteilt worden; es seien detaillierte Anweisungen getroffen worden, unter welchen Bedingungen an welchen Beteiligten bezahlt werden solle. Das Verhalten des Notars entspreche dem Wortlaut des Gesetzes und sei deshalb nicht pflichtwidrig.

2. Die Entscheidung des LG hält der rechtlichen Nachprüfung stand (§ 15 Abs. 2 S. 2 BNotO, § 27 Abs. 1 FGG, § 546 ZPO).

a) Das LG hat zu Recht die Zulässigkeit der Erstbeschwerde bejaht. Das Verfahren nach § 15 BNotO ist auch dann eröffnet, wenn der Notar sich weigert, in...

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