Entscheidungsstichwort (Thema)
Ausspähen von Daten
Verfahrensgang
AG Nürnberg (Urteil vom 23.04.1998) |
Tenor
I. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Nürnberg vom 23. April 1998 aufgehoben.
II. Der Angeklagte wird freigesprochen.
III. Die Staatskasse trägt die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten.
Tatbestand
I.
Das Amtsgericht Nürnberg verurteilte den Angeklagten am 23.4.1998 wegen Ausspähens von Daten zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 85 DM. Es traf folgende Feststellungen:
Der Angeklagte war 1996 bei der Verkehrspolizeiinspektion als Polizeibeamter eingesetzt. Gleichzeitig arbeitete er nebenbei bei der Firma, um sich privat einen Zusatzverdienst zu erwirtschaften. Bei dieser Firma wurden u. a. die Fahrer der Pkw mit dem amtlichen Kennzeichen und N-ZJ 103 im Rahmen der Aufklärung eines Gelddiebstahls von Mitarbeitern observiert. Hiervon erfuhr der Angeklagte zufällig, als er ein Gespräch seiner Arbeitskollegen über diese Observation mithörte, allerdings ohne den konkreten Anlaß dieser Observation zu kennen. Der Angeklagte nahm dies zum Anlaß, am 1.5.1996 über die ihm zugänglichen polizeilichen EDV-Anlagen (Inpol-System) anhand der amtlichen Kennzeichen die persönlichen Daten der Halter dieser Fahrzeuge abzufragen, um sich zunächst privat Erkenntnisse über diese Personen zu verschaffen. Die Halter oder Fahrer der beiden betreffenden Fahrzeuge waren zuvor nicht von der Polizei kontrolliert worden und es lag, wie der Angeklagte wußte, der Polizei
auch kein irgendwie gearteter konkreter Verdacht hinsichtlich einer Ordnungswidrigkeit oder Straftat vor. Zudem wäre der Angeklagte, wie er ebenfalls wußte, in seiner Eigenschaft als Angehöriger der Verkehrspolizeiinspektion nicht für eine diesbezügliche Ermittlungstätigkeit zuständig gewesen. Diese Daten im polizeilichen EDV-System waren gegen unberechtigten Zugriff dadurch gesichert, daß die vorherige Eingabe einer persönlichen Kennung notwendig war. Eine Personendatenabfrage durfte nur bei Vorliegen eines dienstlichen Erfordernisses erfolgen; ein solches bestand jedoch am 1.5.1996 nicht.
Mit der Revision rügt der Angeklagte die Verletzung materiellen Rechts. Er beantragt Aufhebung des Urteils und Freispruch.
Entscheidungsgründe
II.
Die zulässige Revision hat Erfolg und führt zur Aufhebung
des angefochtenen Urteils und zum Freispruch des Angeklagten.
1. Das Ersturteil ist aufzuheben, da seine Feststellungen eine Verurteilung nach § 202 a StGB nicht tragen. Das vom Angeklagten benutzte Dateiensystem war für ihn generell zugänglich, da er es im Rahmen seiner dienstlichen Tätigkeit benutzen durfte. Der Angeklagte hat sich lediglich dienstwidrig verhalten, weil er den Abruf von Daten ohne dienstlichen Anlaß tätigte. Dies ändert jedoch nichts daran, daß diese
Daten „für ihn bestimmt” waren (LK StGB 10. Aufl. § 202 a Rn. 9 und 10; Tröndle StGB 48. Aufl. Rn. 7, 8; Schönke/ Schröder StGB 25. Aufl. Rn. 6).
2. § 203 Abs. 2 StGB ist ebenfalls nicht erfüllt. Das Amtsgericht hat nämlich ausdrücklich festgestellt (UA S. 6), daß der Angeklagte die abgerufenen Daten nicht weitergegeben, also nicht offenbart, hat, so daß eine Bestrafung nach dieser Vorschrift schon deswegen ausscheidet (s. hierzu im übrigen unten Ziff. 3).
3. Auch ein Vergehen nach § 43 Abs. 1 Nr. 3 des Bundesdatenschutzgesetzes vom 20.12.1990 (BDSG) oder eine Ordnungswidrigkeit nach Art. 37 Abs. 1 Nr. 3 des Bayer. Datenschutzgesetzes vom 23.7.1993 (BayDSG) scheiden im vorliegenden Fall aus.
a) Dahingestellt bleiben kann zunächst, ob der Angeklagte die genannten Daten unbefugt abgerufen hat. Das Abrufen derartiger Daten ist nach den Datenschutzgesetzen zulässig, wenn ihre Kenntnis zur Erfüllung der Aufgaben der abrufenden Stelle oder Person erforderlich ist. Dies ergibt sich klar aus Sinn und Zweck der Datenschutzgesetze (s. u. a. § 4, §§ 13 ff., §§ 28 und 39 BDSG; Art. 15 – 19, 22 BayDSG). Nach dem Inhalt des angefochtenen Urteils bestand für den Angeklagten keinerlei dienstlicher Anlaß zur Abrufung der festgestellten Daten. Die Befugnis zum Datenabruf könnte sich im vorliegenden Fall jedoch unter Umständen aus dem Bayer. Polizeiaufgabengesetz (s. dort etwa Art. 31) ergeben. Dabei wäre von Bedeutung, von welchem dem PAG zugrunde liegenden Gefahrenbegriff auszugehen ist (s. hierzu Honnacker/Beinhofer, Kommentar zum PAG, 16. Aufl., Art. 31, Rn. 1 und 3).
b) Der Senat braucht aber auch die zuletzt aufgeworfene Frage nicht zu entscheiden, weil es sich bei den abgerufenen bloßen Halterdaten nicht um im Sinne des § 203 Abs. 2 Satz 1 und 2 StGB „geheime”, sondern um nach den oben genannten Datenschutzgesetzen „offenkundige” Daten handelt (s. hierzu OLG Hamburg DAR 1998, 149; zur Offenkundigkeit – wenn auch in anderem Zusammenhang – s. ferner BGHSt 6, 292 f.). Die nach § 33 Abs. 1 StVG gespeicherten Halterdaten dürfen gemäß § 39 StVG bei Vorliegen bestimmter im einzelnen geregelter Voraussetzungen an jedermann übermittelt werden, vor allem, wenn sie zur Geltendmachung, Sich...