Entscheidungsstichwort (Thema)

Befreite Vorerbschaft/Verwirkungsklausel

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zur Wirksamkeit einer für den Fall des Streites der Erben oder Nacherben testamentarisch angeordneten Verwirkungsklausel.

2. Zu den Voraussetzungen einer nicht ausdrücklich angeordneten Befreiung der Vorerben.

3. Unwirksamkeit einer testamentarischen Klausel, dass "der Vorerbe berechtigt sein sollte, aus den Abkömmlingen den für die Erhaltung und Bewirtschaftung des Grundbesitzes geeignetsten Nacherben auszuwählen".

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Zur Wirksamkeit einer für den Fall des Streites der Erben oder Nacherben testamentarisch angeordneten Verwirkungsklausel.

2. Zu den Voraussetzungen einer nicht ausdrücklich angeordneten Befreiung der Vorerben.

 

Normenkette

BGB §§ 2074-2075, 2113 Abs. 1, § 2120

 

Verfahrensgang

LG Landshut (Beschluss vom 08.05.2003; Aktenzeichen 60 T 2024/02)

AG Landshut (Aktenzeichen VI 809/94)

 

Tenor

I. Die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1) und 2) gegen den Beschluss des LG Landshut vom 8.5.2003 wird zurückgewiesen.

II. Die Beteiligten zu 1) und 2) haben die dem Beteiligten zu 4) im Verfahren der weiteren Beschwerde entstandenen Kosten zu erstatten.

III. Der Geschäftswert des Verfahrens der weiteren Beschwerde wird auf 221.513,27 Euro festgesetzt.

 

Gründe

I. Der verwitwete Erblasser ist im Jahr 1994 im Alter von 87 Jahren verstorben. Die Beteiligten zu 3) und 4) sind die zwei jüngeren aus der Ehe des Erblassers mit seiner 1984 vorverstorbenen Ehefrau hervorgegangenen drei Söhne, der älteste Sohn aus dieser Ehe ist von einem Bruder der Ehefrau des Erblassers am 20.1.1969 adoptiert worden.

Die Beteiligten zu 1) und 2) sind die beiden Kinder des Beteiligten zu 4), die Beteiligten zu 5), 6) und 7) sind die drei Kinder des Beteiligten zu 3).

In gemeinschaftlichen Testamenten vom 10.6.1955 und 4.3.1960 setzten sich der Erblasser und seine Ehefrau gegenseitig zu Alleinerben ein und trafen für den Fall des Ablebens des Überlebenden letztwillige Verfügungen. Die für den letztgenannten Fall getroffenen Verfügungen änderten der Erblasser und seine Ehefrau mit gemeinschaftlichem Testament vom 3.3.1969 ab und bestimmten, dass die Beteiligten zu 3) und 4) zu gleichen Teilen Erben des Letztversterbenden werden sollten und der vom Bruder der Ehefrau des Erblassers adoptierte Sohn auf den Pflichtteil gesetzt werde. Außerdem wurde Testamentsvollstreckung angeordnet.

Mit gemeinschaftlichem Testament des Erblassers und seiner Ehefrau vom 18.12.1973 wurde die Schlusserbeneinsetzung der Beteiligten zu 3) und 4) aus dem Testament vom 3.3.1969 dahingehend abgeändert, dass die Beteiligten zu 3) und 4) jeweils nur Vorerben sein sollten. Als Nacherben wurden bestimmt die Abkömmlinge der Vorerben zu gleichen Stammesanteilen. Zur Nacherbfolge enthält das Testament vom 18.12.1973 u.a. folgende Bestimmung:

"Bezüglich des vorhandenen Grundbesitzes werden die Nacherben von den gesetzlichen Beschränkungen nicht befreit. Bezüglich des gesamten übrigen Nachlasses werden dieselben jedoch von allen gesetzlichen Beschränkungen ausdrücklich befreit."

Keiner der Beteiligten hat in Zweifel gezogen, dass es in der oben zitierten Testamentsbestimmung statt "Nacherben" richtig "Vorerben" heißen muss. Auch der beurkundende Notar hat auf gerichtliche Anfrage am 26.4.2002 erklärt, bei dem Wort "Nacherben" liege ein offensichtliches Schreibversehen vor.

In einem weiteren gemeinschaftlichen Testament vom 7.2.1975 bestätigten der Erblasser und seine Ehefrau ihre gemeinschaftlichen Testamente vom 3.3.1969 und 18.12.1973 und trafen ergänzende Verfügungen zum Pflichtteilsrecht. Hierzu verfügten der Erblasser und seine Ehefrau mit weiterem gemeinschaftlichen Testament vom 24.11.1975 Folgendes:

"Unser früheres Gemeinschaftliches Testament ergänzen wir dahingehend, dass der Vorerbe zu keiner Verfügung über den Nachlass und zu keiner Verwaltungsbestimmung über den Nachlass der Zustimmung des VormG bedarf. Soweit eine solche notwendig wäre, tritt an die Stelle des VormG jeweils die Zustimmung des Testamentsvollstreckers.

Unser Wunsch ist, dass der Testamentsvollstrecker einer Verfügung oder Verwaltungsbestimmung des Vorerben nachkommt, wenn der Vorerbe für seinen Lebensunterhalt anderweitig aufkommen kann.

Der Vorerbe ist berechtigt, aus unseren Abkömmlingen denjenigen auszuwählen als Nacherben, der am geeignetsten für die Erhaltung und Bewirtschaftung des Grundbesitzes ist."

Ein weiteres gemeinschaftliches Testament des Erblassers und seiner Ehefrau ist datiert auf den "7.6.1978 und den 13.12.1981". Darin werden die früheren gemeinschaftlichen Testamente aufrecht erhalten und neben Teilungsanordnungen, Vermächtnissen, Auflagen sowie Bestimmungen zum Pflichtteilsrecht und zur Testamentsvollstreckung u.a. folgende weitere Verfügungen getroffen.

Ziff. II.4:

"Die Erben haben sich jeweils gegenseitig das Vorkaufsrecht auf den gesamten Grundbesitz, der an sie fällt, einzuräumen. Dieses Vorkaufsrecht ist in den jeweiligen Grundbüchern einzutragen."

Ziff. II.10:

"Wenn einer uns...

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