Leitsatz (amtlich)
1. Bestimmung des örtlich zuständigen Vormundschaftsgerichts bei Doppelwohnsitz des ehelichen Kindes für die nach dem Tod des sorgeberechtigten Elternteils zu treffende Entscheidung über die elterliche Sorge.
2. Der personensorgeberechtigte Elternteil kann neben dem abgeleiteten gesetzlichen Wohnsitz einen weiteren gewillkürten Wohnsitz für das eheliche Kind begründen.
3. Der Bestimmung des örtlich zuständigen Gerichts gemäß § 5 FGG steht nicht entgegen, daß ein Beteiligter gegen die Abgabeverfügung, durch die sich ein am Zuständigkeitsstreit beteiligtes Gerichte für örtlich unzuständig erklärt, „vorsorglich” Beschwerde eingelegt hat.
Normenkette
FGG §§ 4-5; BGB §§ 7, 11, 1671, 1681 Abs. 1 S. 2
Verfahrensgang
AG Ansbach (Aktenzeichen X 54/97) |
AG Bamberg (Aktenzeichen 7 AR 0077/97) |
Tenor
Örtlich zuständig ist das Amtsgericht Ansbach.
Tatbestand
I.
Der Beteiligte zu 1, der seinen Wohnsitz im Bezirk des Amtsgerichts Herbruck hat, ist der Vater des 1993 ehelich geborenen Kindes. Die Ehe der Eltern wurde durch Urteil vom 23.3.1995 geschieden. Die elterliche Sorge für das Kind wurde der Mutter übertragen, die mit dem Kind in den Bezirk des Amtsgerichts Bamberg übersiedelte.
Am 23.3.1997 ist die Mutter an einem Krebsleiden verstorben. Unter dem 11.2.1997 hatte sie eine mit „Mein letzter Wille für mein Kind” überschriebene Erklärung verfaßt, in der sie bestimmte, das Kind solle nach ihrem Ableben in der Familie ihrer im Bezirk des Amtsgerichts Ansbach wohnhaften Schwester (Beteiligte zu 2) aufwachsen. Dorthin hatte die Mutter das Kind bereits sechs Wochen vor ihrem Ableben – aus Anlaß ihrer Krankenhauseinweisung – gebracht; es hält sich seitdem dort auf.
Die Beteiligte zu 2 hat am 25.3.1997 zur Niederschrift des Vormundschaftsgerichts Ansbach angeregt, sie als Vormund für das Kind zu bestellen. Diese Erklärung hat das Vormundschaftsgericht „zuständigkeitshalber” an das Vormundschaftsgericht Bamberg weitergeleitet. Dort hat der Beteiligte zu 1 mit Schriftsatz vom 26.3.1997 angeregt, ihm die elterliche Sorge sowie durch vorläufige Anordnung das Aufenthaltsbestimmungsrecht für das Kind zu übertragen.
Mit Beschluß vom 1.4.1997 hat sich das Amtsgericht Bamberg für örtlich unzuständig erklärt und die Sache an das „örtlich zuständige” Amtsgericht Ansbach verwiesen. Es hält sich für unzuständig, da es annimmt, die Mutter habe durch die Erklärung vom 11.2.1997 einen Wohnsitz für das Kind im Bezirk des Amtsgerichts Ansbach begründet. Das Amtsgericht Ansbach hat die Übernahme abgelehnt, da es das Amtsgericht Bamberg, in dessen Bezirk die Mutter ihren letzten Wohnsitz hatte, als zuständig ansieht. Das Amtsgericht Bamberg hat die Akten dem Bayerischen Obersten Landesgericht zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vorgelegt.
Mit einem am 1.4.1997 eingegangen Schriftsatz hat der Vater gegen die Entscheidung, durch die sich das Vormundschaftsgericht Bamberg für unzuständig erklärt habe, vorsorglich Beschwerde eingelegt.
Entscheidungsgründe
II.
1. Das Bayerische Oberste Landesgericht ist zur Entscheidung des Zuständigkeitsstreits gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1, § 199 Abs. 1 und 2 Satz 2 FGG i.V.m. Art. 11 Abs. 3 Nr. 1 AGGVG zuständig (vgl. BayObLGZ 1989, 1/2 f.).
2. Die Voraussetzungen für die Bestimmung des zuständigen Gerichts gemäß § 5 FGG sind gegeben.
a) Beide beteiligten Vormundschaftsgerichte haben jeweils ausgesprochen, daß sie sich für örtlich unzuständig halten (vgl. BayObLGZ 1984, 289/290). Das Amtsgericht Ansbach ist durch die „Verweisung” des Amtsgerichts Bamberg nicht im Sinn von § 281 Abs. 2 Satz 5 ZPO gebunden, da eine Abgabe ohne Bindungswirkung vorliegt.
b) Der Zuständigkeitsbestimmung steht auch nicht entgegen, daß der Vater gegen den Beschluß des Amtsgerichts Bamberg vorsorglich Beschwerde eingelegt hat. Abgesehen davon, daß ein vor Erlaß der Entscheidung eingelegtes Rechtsmittel unwirksam wäre (vgl. BGH NJW-RR 1990, 67/68; Keidel/Kahl FGG 13. Aufl. § 19 Rn. 51), erstreckt sich die Bindungswirkung einer Beschwerdeentscheidung nicht auf das Bestimmungsverfahren gemäß § 5 FGG (vgl. BayObLGZ 1981, 153/154 m.w.N.; Jansen FGG 2. Aufl. Rn. 22, Keidel/Kahl Rn. 6 und 29, jeweils zu § 5).
3. Örtlich zuständig ist das Amtsgericht Ansbach.
a) Ist wie hier der gemäß § 1671 BGB sorgeberechtigte Elternteil verstorben, hat das Vormundschaftsgericht die elterliche Sorge dem anderen Elternteil zu übertragen, es sei denn, daß dies dem Wohl des Kindes widerspricht (§ 1681 Abs. 1 Satz 2 BGB). Örtlich zuständig für diese Entscheidung sowie für die vom Vater erstrebte vorläufige Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts (§ 1626 Abs. 1, § 1631 Abs. 1 BGB) ist gemäß § 43 Abs. 1 FGG i.V.m. § 36 Abs. 1 FGG das Vormundschaftsgericht, in dessen Bezirk das minderjährige Kind zu dem Zeitpunkt, in dem ein Gericht mit den einzelnen Angelegenheiten befaßt wird (§ 43 Abs. 1 FGG Halbsatz 2), seinen Wohnsitz hat. Dies ist im Amtsverfahren gemäß § 1681 Abs. 1 Satz 2 BGB der Zeitpunkt, in dem beim Amtsgericht Ansbach die Mitteilung vom Tode der Mutter e...