Leitsatz (amtlich)

1. Für die Klage auf Abwehr der Zwangsvollstreckung aus einer gegen den jeweiligen Eigentümer vollstreckbaren Urkunde, in der sich der Schuldner auch persönlich der sofortigen Zwangsvollstreckung unterworfen hat, ist der dingliche Gerichtsstand der Belegenheit des Grundstücks auch dann gegeben, wenn die Klage zugleich den dinglichen und den persönlichen Anspruch betrifft.

2. Keine Bindungswirkung einer Verweisung nach § 281 Abs. 2 S. 4 ZPO, wenn das verweisende Gericht eine seine Zuständigkeit wenigstens für einen Teil der Klage unzweifelhaft begründende Gesetzesnorm nicht beachtet oder zur Kenntnis nimmt.

 

Normenkette

ZPO § 36 Abs. 1 Nr. 6, § 281 Abs. 2 S. 4, § 797 Abs. 5, § 800 Abs. 3

 

Verfahrensgang

LG Heilbronn (Aktenzeichen 6 O 5/02)

LG Passau (Aktenzeichen 4 O 1032/01)

 

Tenor

Zuständig ist das LG Passau.

 

Gründe

I. Die Klägerin hat bei der Beklagten Immobiliendarlehen aufgenommen und mit notariellen Urkunden vom 28.10.1997 und 16.10.1998 Grundschulden an zwei im Landgerichtsbezirk Passau belegenen Grundstücken zugunsten der Beklagten bestellt und sich wegen der Ansprüche aus diesen Grundschulden der sofortigen Zwangsvollstreckung in den bestehenden Grundbesitz in der Weise unterworfen, dass die Zwangsvollstreckung gegen den jeweiligen Eigentümer des Grundbesitzes zulässig sein soll; die Grundschulden und Unterwerfungen sind im Grundbuch eingetragen. Ferner hat sie in beiden Urkunden jeweils ein abstraktes Schuldversprechen abgegeben und sich insoweit der Zwangsvollstreckung auch in ihr sonstiges Vermögen unterworfen. Die Beklagte betreibt aus den Urkunden die Zwangsvollstreckung in das sonstige Vermögen der Klägerin. Mit ihrer beim LG Passau erhobenen Vollstreckungsgegenklage begehrt die Klägerin, dass die Zwangsvollstreckung aus den Notarurkunden für unzulässig erklärt wird. Das LG Passau hat sich nach Anhörung der Parteien unter Hinweis auf § 797 Abs. 5 ZPO für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit mit Beschluss vom 21.12.2001 an das LG Heilbronn verwiesen, in dessen Bezirk die Klägerin zum damaligen Zeitpunkt ihren Wohnsitz hatte. Das LG Heilbronn hat mit Beschluss vom 20.3.2002 seine örtliche Zuständigkeit verneint, da nach § 800 Abs. 3 ZPO das LG Passau ausschließlich örtlich zuständig und der Verweisungsbeschluss nicht bindend sei; es hat die Akten dem OLG München zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vorgelegt.

II. 1. Das BayObLG ist zur Entscheidung des negativen Zuständigkeitsstreits zwischen dem zuerst mit der Sache befassten LG Passau und dem LG Heilbronn berufen (§ 36 Abs. 2 ZPO, § 9 EGZPO). Die Voraussetzungen für die Bestimmung des zuständigen Gerichts gem. § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO liegen vor.

2. Als örtlich zuständig ist das LG Passau zu bestimmen.

a) Das LG Passau ist für die Klage als Gericht, in dessen Bezirk die Grundstücke belegen sind, zuständig, da dort ein ausschließlicher dinglicher Gerichtsstand gem. § 800 Abs. 3, § 802 ZPO begründet ist. Die vollstreckbaren Urkunden enthalten die Unterwerfung nach Maßgabe des § 800 Abs. 1 ZPO; deren Eintragung im Grundbuch ist erfolgt. Die erhobene Vollstreckungsgegenklage fällt unter die in § 797 Abs. 5 ZPO bezeichneten Arten von Klagen, auf die § 800 Abs. 3 ZPO Bezug nimmt. Sie bezieht sich nach Klageantrag und -begründung auf die Abwehr der in den Urkunden begründeten dinglichen wie persönlichen Schuld, denn die Klägerin wendet sich – ungeachtet der Tatsache, dass die Beklagte die Klägerin derzeit nur aus der persönlichen Haftung im Wege der Forderungspfändung in Anspruch nimmt – umfassend gegen die Zulässigkeit der Zwangsvollstreckung aus den Urkunden schlechthin. In einem solchen Fall greift der dingliche Gerichtsstand des § 800 Abs. 3 ZPO für die gesamte Klage ein.

Letzteres ist allerdings nicht unbestritten. Nach einer in der Literatur vertretenen Meinung soll sich § 800 Abs. 3 ZPO nur auf Klagen beziehen, die die Zwangsvollstreckung wegen des dinglichen Anspruchs zum Gegenstand haben, während es für Klagen, die sich gegen die Zwangsvollstreckung wegen des persönlichen Anspruchs richten, bei dem Gerichtsstand des Schuldnerwohnsitzes gem. § 797 Abs. 5 ZPO verbleiben soll; der Schuldner könne auch bei identischen Einwendungen gegen die dingliche Schuld nur im dinglichen Gerichtsstand und gegen die persönliche Schuld nur im allgemeinen Schuldnergerichtsstand vorgehen (Wieczorek/Schütze/Paulus, ZPO, 3. Aufl., § 800 Rz. 13 ff.; Wolfsteiner in MünchKomm/ZPO, 2. Aufl., § 800 Rz. 42; Musielak/Lackmann, ZPO, 2. Aufl., § 800 Rz. 10). In Konsequenz dieser Meinung wäre hier die Vollstreckungsgegenklage in zwei Verfahren aufzuspalten; für die Teilklage gegen die Zulässigkeit der Zwangsvollstreckung wegen des dinglichen Anspruchs wäre das LG Passau, für jene gegen die Zulässigkeit der Zwangsvollstreckung wegen des persönlichen Anspruchs das LG Heilbronn zuständig.

Demgegenüber nimmt die überwiegende Meinung zu Recht jedenfalls dann, wenn die Klage – wie hier – zugleich den dinglichen und den persönlichen Anspruch betrifft, einen ein...

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