Leitsatz (amtlich)
Gerichtsstand für eine Klage mit dem Ziel, die Vollstreckbarkeit eines nach § 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO titulierten Anspruchs zu beseitigen.
Normenkette
ZPO §§ 767, 794 Abs. 1 Nr. 5, § 797 Abs. 5
Verfahrensgang
LG Düsseldorf (Aktenzeichen 15 O 561/02) |
LG München (Aktenzeichen 28 O 11468/02) |
Tenor
Zuständig ist das LG München I.
Gründe
I. Der Kläger hat mit Urkunde des Notars N. in Köln vom 11.8.1993 unter Einschaltung einer Treuhandgesellschaft einen Kauf- und Werklieferungsvertrag mit Auflassung bezüglich eines Anteils an einer auf einem Grundstück in Düsseldorf zu errichtenden Eigentumswohnanlage geschlossen. Wegen seiner in dieser Urkunde eingegangenen Zahlungsverpflichtungen hat sich der Kläger der sofortigen Zwangsvollstreckung aus dieser Urkunde in sein gesamtes Vermögen unterworfen. Zur Finanzierung des Immobilienerwerbs, der Kapitalanlagezwecken dienen sollte, schloss der Kläger mit der Rechtsvorgängerin der Beklagten Darlehensverträge.
Der Kläger wendet sich gegen die Vollstreckung durch die Beklagte aus der oben genannten notariellen Urkunde und begehrt von der Beklagten als Kreditgeberin Schadensersatz und Rückabwicklung der mit ihr abgeschlossenen Darlehensverträge. Er hat gegen die Beklagte bei dem LG München I Klage erhoben und beantragt:
I. Die Zwangsvollstreckung aus der vollstreckbaren Ausfertigung der Urkunde vom 11.8.1993 wird für unzulässig erklärt.
II. Im Wege der einstweiligen Anordnung wird die Zwangsvollstreckung aus der vollstreckbaren Ausfertigung der Urkunde vom 11.8.1993 bis zum Erlass des Urteils in dieser Sache einstweilen eingestellt.
III. Die Beklagte wird verurteilt, Zug um Zug gegen lastenfreie Übertragung der im Aufteilungsplan als Nr. 55 eingetragenen Eigentumswohnung
a) an die Klagepartei einen Betrag i.H.v. 28.790,73 Euro nebst 5 % Zinsen über den Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen,
b) die Klagepartei von allen weiteren zu Gunsten der Beklagten für das Darlehen vom 27./29.7.1993 über 73.196,93 Euro bestehenden Darlehensrückzahlungs- und Zinsverpflichtungen freizustellen.
IV. Es wird festgestellt, dass die Beklagte sich in Annahmeverzug befindet.
Auf den Antrag II. hat das LG München I mit Beschluss vom 24.7.2002 die Zwangsvollstreckung aus der Urkunde vom 11.8.1993 gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 73.000 Euro durch die Klagepartei einstweilen bis zum Ende des Verfahrens erster Instanz eingestellt.
Die Beklagte hat in ihrer Klageerwiderung beantragt, die Klage in allen Anträgen abzuweisen; die örtliche Zuständigkeit des LG München I wurde von der Beklagten nicht gerügt.
In seiner Replik vom 16.10.2002 auf die Klageerwiderung hat der Kläger folgendes ausgeführt:
„Sollte das angerufene Gericht der Meinung sein, dass bezüglich der Klageanträge I. und II. das LG Düsseldorf ausschließlich zuständig ist, so werden wir beantragen, die Sache zu trennen und soweit die Anträge zu I. und II. betroffen sind – Verweisungsantrag an das LG Düsseldorf stellen.”
Mit Schriftsatz vom 17.10.2002 hat sich die Beklagte wie folgt geäußert:
„In dem Rechtsstreit … wird die Klagepartei den Verweisungsantrag an das LG Düsseldorf stellen. Wir stimmen dem zu und werden uns beim LG Düsseldorf hinsichtlich aller Anträge wegen der Zuständigkeit rügelos einlassen.”
In der mündlichen Verhandlung vor dem LG München I am 22.10.2002 war für den Kläger niemand erschienen. Der Beklagtenvertreter beantragte die Verweisung des Rechtsstreits an das zuständige LG Düsseldorf. Daraufhin erklärte sich das LG München I mit Beschluss vom 22.10.2002 für örtlich unzuständig und verwies den Rechtsstreit an das örtlich zuständige LG Düsseldorf. Der Verweisungsbeschluss wurde nicht begründet.
Das LG Düsseldorf hat sich mit Beschluss vom 27.11.2002 ebenfalls für örtlich unzuständig erklärt und die Akten zur Bestimmung des zuständigen Gerichts dem OLG München vorgelegt, das sie zuständigkeitshalber an das Bayerische Oberste Landesgericht weitergeleitet hat.
II. Zu bestimmen war das LG München I. Die nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO dafür maßgebenden Voraussetzungen liegen vor.
1. Das BayObLG ist gem. § 36 Abs. 2 ZPO, § 9 EGZPO für die Entscheidung des negativen Zuständigkeitsstreits zwischen dem – zuerst mit der Sache befassten – LG München I und dem LG Düsseldorf zuständig.
2. Beide LG haben sich nach Eintritt der Rechtshängigkeit i.S.v. § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO rechtskräftig für unzuständig erklärt.
3. Örtlich zuständig ist nach §§ 12, 17, 797 Abs. 5 ZPO das LG München I. Es hat seine örtliche Zuständigkeit zu Unrecht verneint. Seinem Verweisungsbeschluss fehlt die Bindungswirkung.
a) Nach § 281 Abs. 2 S. 2 und 4 ZPO ist ein Verweisungsbeschluss grundsätzlich unanfechtbar und für das Gericht, an das verwiesen wird, bindend. Diese Bindung ist auch im Bestimmungsverfahren nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO zu beachten (Zöller/Vollkommer, ZPO, 23. Aufl., § 36 Rz. 28). Eine Bindung tritt aber ausnahmsweise dann nicht ein, wenn die Verweisung offensichtlich gesetzwidrig ist, so dass sie als objektiv willkürlich erscheint, oder wenn sie auf ...