Leitsatz (amtlich)
1. Bedarfspositionen sind bei der Schätzung des voraussichtlichen Vertragswertes von Lieferverträgen und damit bei der Berechnung des Schwellenwertes zu berücksichtigen.
2. Nicht den Verdingungsunterlagen entsprechende oder dem geforderten Hauptangebot nicht gleichwertige Nebenangebote dürfen nicht in die Wertung einbezogen werden.
Normenkette
VgV § 3 Abs. 1 und Abs. 6; VOL/A § 25 Nr. 4
Verfahrensgang
Vergabekammer Nordbayern (Aktenzeichen 320.VK – 3194–05/02) |
Tenor
I. Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss der Vergabekammer Nordbayern vom 8.3.2002 wird ihr Antrag auf Feststellung, dass die Antragstellerin durch die Vergabestelle in ihren Rechten verletzt ist, zurückgewiesen.
II. Die Antragstellerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
III. Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 9.193,50 Euro festgesetzt.
Gründe
I. Das Klinikum der Fr.-Al.-Universität E.-N. schrieb im Amtsblatt der EG vom 6.11.2001 europaweit die Gewerke Nr. 4 Narkose- und Beatmungsgeräte und Nr. 5 Schlaflabor für den Neubau des Nichtoperativen Zentrums des Universitätsklinikums E. im Offenen Verfahren aus. In der Ausschreibung war die Leistung Schlaflabor mit „Lieferung, betriebsfertiges Aufstellen und Einweisung von Schlaflabormessplätzen für vier Einzelplätze inkl. Netzwerkinstallation” beschrieben. Die an die Bieter versandten Leistungsbeschreibungen enthielten für das Gewerk Schlaflabor neben einer Überwachungs- und Dokumentationszentrale für vier Einzelplätze mobile Schlafanalysesysteme (tragbare Patientendatenerfassungseinheiten) und als Bedarfspositionen Videokontrollsysteme sowie weitere mobile Schlafanalysesysteme. Im Aufforderungsschreiben zur Abgabe eines Angebots war unter Ziff. 5.1 für das Gewerk Schlaflabor die Vergabe nach Einzellosen vorbehalten. Die Antragstellerin beteiligte sich für das Gewerk Schlaflabor an der Ausschreibung.
Nach Auswertung aller Angebote teilte die Vergabestelle der Antragstellerin per Formularschreiben vom 12.2.2002 mit, dass sie beabsichtige, den Zuschlag für das Schlaflabor der Firma J. zu erteilen. Durch Ankreuzen entsprechender Kästchen in dem Formular war angegeben, dass dem Angebot der Antragstellerin der Zuschlag nicht erteilt werden könne, weil es nicht das wirtschaftlichste Angebot gem. § 25 Nr. 3 VOL/A sei; es liege ein niedrigeres Hauptangebot vor. Die Antragstellerin rügte mit Schreiben vom 15.2.2002, dass diese Begründung im Hinblick auf § 25 Nr. 3 S. 2 VOL/A nicht ausreichend sei, und meldete Zweifel an der wirtschaftlichen und technischen Vergleichbarkeit der Angebote an. In einem weiteren Schreiben vom 20.2.2002 ergänzte die Vergabestelle ihre Begründung dahin gehend, dass für die Vergabeentscheidung von den in der Angebotsaufforderung genannten Kriterien das Kriterium der Funktionalität maßgebend sei.
Am 21.2.2002 beantragte die Antragstellerin bei der Vergabekammer die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens. Im Laufe des Verfahrens erklärte der Antragsgegner, es stünden für das Schlaflabor nur Mittel i.H.v. 213.515,49 Euro brutto zur Verfügung. Der Nachprüfungsantrag sei daher wegen Nichterreichens des Schwellenwertes unzulässig.
Die Vergabekammer hat den Nachprüfungsantrag der Antragstellerin als unzulässig zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, der für Lieferaufträge bestehende Schwellenwert von 200.000 Euro sei nicht erreicht. Die Vergabestelle habe den Auftragswert für das Schlaflabor konkret und ernsthaft auf 184.065 Euro netto geschätzt. Der geschätzte Auftragswert für das Schlaflabor und der in derselben Ausschreibung enthaltenen Narkose- und Beatmungsgeräte seien nicht zusammenzurechnen, weil es sich bei diesen beiden Positionen nicht um gleichartige Lieferungen handele. Die Beatmungs- und Narkosegeräte seien nicht zur Ausstattung des Schlaflabors vorgesehen und stünden daher in keinerlei Zusammenhang mit der Lieferleistung Schlaflabor. Die Bedarfsposition des Videokontrollsystems sei bei der Berechnung nicht zu berücksichtigen, da sie in der Kostenschätzung der Vergabestelle nicht enthalten sei.
Der Zuschlag wurde am 6.5.2002 der Firma J. erteilt.
Mit ihrer sofortigen Beschwerde will die Antragstellerin daher nun die Feststellung erreichen, dass sie durch die Vergabestelle in ihren Rechten verletzt worden ist.
II. Die sofortige Beschwerde mit dem Ziel, die Feststellung einer Rechtsverletzung zu erreichen, ist zulässig. Nach Zuschlagserteilung ist das Nachprüfungsverfahren zwar in der Hauptsache erledigt (§§ 123 S. 3, 114 Abs. 2 S. 2 GWB), doch kann auf Antrag festgestellt werden, dass das Unternehmen, welches die Nachprüfung beantragt hat, durch den Auftraggeber in seinen Rechten verletzt ist (§§ 123 S. 2, 114 Abs. 2 S. 2 GWB). Der Feststellungsantrag der Antragstellerin ist aber nicht begründet, weil sie i.E. durch die Vergabestelle in ihren Rechten nicht verletzt worden ist. Die Vergabekammer hätte den Nachprüfungsantrag der Antragstellerin allerdings nicht als unzulässig, sondern als unbegründet zur...