Leitsatz (amtlich)
Bestimmung des zuständigen Gerichts, wenn neben maßgeblichen Gesellschaftern einer Publikums-KG auch die Anlagevermittlungsgesellschaft und ein für diese tätig gewordener Handelsvertreter auf Schadensersatz wegen falscher Prospektangaben und unzureichender Aufklärung in Anspruch genommen werden.
Normenkette
ZPO §§ 22, 36 Abs. 1 Nr. 3
Verfahrensgang
LG München I (Aktenzeichen 22 O 6258/02) |
Tenor
Als für die Klage zuständiges gemeinsames Gericht wird das LG München I bestimmt.
Gründe
I. Die Kläger nehmen die Beklagten als Gesamtschuldner auf Ersatz des Schadens in Anspruch, der ihnen durch den Beitritt zu einer Publikums-KG entstanden ist.
Die Beteiligung erfolgte mittelbar über eine als Treuhandkommanditistin fungierende Steuerberatungsgesellschaft, die Beklagte zu 1); diese hat ihren Sitz – wie die Publikums-KG selbst – in M. Der Beklagte zu 2) ist persönlich haftender Gesellschafter der KG; er wohnt in S. Die Beklagte zu 3), eine GmbH mit Sitz in H, vertrieb diese Kapitalanlage. Der Beklagte zu 4) war als Handelsvertreter für die Beklagte zu 3) tätig; aufgrund seiner Beratung haben die Kläger Anteile an der KG über 50.000 DM und 20.000 DM gezeichnet. Er wohnt in W.
Die Kläger haben in der beim LG München I bereits eingereichten, aber noch nicht zugestellten Klageschrift „vorab” nach § 36 Abs. 1 Nr. 3, § 37 ZPO beantragt, die Klage zur Bestimmung des LG München I als zuständiges Gericht dem OLG München vorzulegen. Das LG München I hat den Antrag dem BayObLG vorgelegt.
Die Beklagten zu 2) bis 4) sind der Meinung, dass nicht das LG München I, sondern das LG Stuttgart als zuständiges Gericht bestimmt werden sollte, weil in dessen Bezirk das hauptsächliche Objekt der Kommanditgesellschaft gelegen sei, auf dessen – nach Meinung der Kläger fehlerhafter – Beschreibung im Emissionsprospekt die Prospekthaftungsansprüche vor allem gestützt seien. Beim LG Stuttgart sei auch ein Parallelverfahren anhängig gemacht worden, für das das OLG Stuttgart das LG Stuttgart als zuständiges Gericht bestimmt habe.
II. Zu bestimmen war das LG München I.
1. Da der allgemeine Gerichtsstand der vier Beklagten in den Bezirken verschiedener (bayerischer und außerbayerischer) OLG liegt, nimmt das BayObLG nach § 36 Abs. 2 ZPO, § 9 EGZPO die Bestimmung vor.
2. Die Voraussetzungen einer Bestimmung nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO liegen vor.
a) Die Beklagten sollen als Streitgenossen in Anspruch genommen werden (§ 60 ZPO).
Nach den vom BGH zur sog. Prospekthaftung entwickelten Grundsätzen haften sowohl die das Management bildenden Initiatoren und Gründer einer Publikums-KG (BGH v. 22.3.1979 – VII ZR 259/77, MDR 1979, 748, BGHZ 74, 103 [108]; Palandt/Heinrichs, 61. Aufl., § 276 BGB Rz. 24), zu denen der persönlich haftende Gesellschafter (der Beklagte zu 2)) und der Treuhandkommanditist (die Beklagte zu 1)) zählen können (Palandt/Heinrichs, 61. Aufl., § 276 BGB Rz. 24) – ob sie hier tatsächlich zu diesem Personenkreis zählen, ist im Rahmen des Bestimmungsverfahrens nicht zu entscheiden –, als auch der Anlagevermittler (hier: die Beklagte zu 3); BGH v. 22.3.1979 – VII ZR 259/77 = MDR 1979, 748, BGHZ 74, 103 [108]; v. 27.6.1984 – IVa ZR 231/81, MDR 1985, 127 = WM 1984, 1075; Palandt/Heinrichs, 61. Aufl., § 276 BGB Rz. 22 f.). Daneben kann auch haften, wer bei den Vertragsverhandlungen mit dem Anleger als Vertreter, Sachwalter oder Garant persönliches Vertrauen in Anspruch genommen hat (Palandt/Heinrichs, 61. Aufl., § 276 BGB Rz. 25). Wiederum ist nicht im Rahmen des Bestimmungsverfahrens zu entscheiden, ob dies beim Beklagten zu 4) tatsächlich der Fall war; nach den Behauptungen der Kläger kommt dieser Haftungstatbestand jedenfalls in Betracht. Alle diese Personen haften aus einem im Wesentlichen gleichartigen tatsächlichen und rechtlichen Grund, so dass sie als Streitgenossen in Anspruch genommen werden können (vgl. BGH v. 13.3.1980 – II ZR 258/78, BGHZ 76, 231 = MDR 1980, 560).
b) Für den Rechtsstreit ist kein gemeinsamer besonderer Gerichtsstand begründet.
Zwar können Mitglieder von Anlagegesellschaften Ansprüche gegen den der sog. Prospekthaftung unterliegenden Personenkreis der Gründer, Initiatoren oder Gestalter der Gesellschaft im Gerichtsstand des § 22 ZPO geltend machen (BGH v. 13.3.1980 – II ZR 258/78, BGHZ 76, 231 [234 f.] = MDR 1980, 560; Zöller/Vollkommer, 23. Aufl., § 22 ZPO Rz. 8; Patzina in MünchKomm/ZPO, 2. Aufl., § 22 ZPO Rz. 5; Wieczorek/Schütze/Hausmann, 3. Aufl., § 22 ZPO Rz. 13). Die Anwendung des § 22 ZPO kann jedoch nicht auch auf selbstständige Werbeunternehmen, die den Beitritt neuer Anleger vermitteln, i.Ü. aber der Anlagegesellschaft fern stehen, sowie deren Erfüllungsgehilfen (hier also die Beklagte zu 3) und den Beklagten zu 4)) erstreckt werden (BGH v. 22.3.1979 – VII ZR 259/77, BGHZ 74, 103 = MDR 1979, 748; Patzina in MünchKomm/ZPO, 2. Aufl., § 22 ZPO Rz. 5).
3. Jedoch kann bei der Bestimmung des zuständigen Gerichts nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO berücksichtigt werden, dass für die Beklagten zu 1) und 2 der besonder...