Leitsatz (amtlich)
Zur Streitgenossenschaft nach § 60 ZPO, wenn neben der Gesellschaft, deren atypisch stiller Gesellschafter der Kläger ist, der Kapitalanlagenvermittler als Gesamtschuldner auf Rückzahlung der Einlage verklagt und zusätzlich ein Feststellungsantrag (betreffend die Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung des Gesellschaftsvertrages) lediglich gegen die Gesellschaft gestellt ist.
Normenkette
ZPO § 36 Abs. 1 Nr. 3, § 60
Verfahrensgang
LG München I (Aktenzeichen 23 O 11136/02) |
Tenor
Als für die Klage zuständiges gemeinsames Gericht wird das LG Göttingen bestimmt.
Gründe
I. Die Klägerin und Antragstellerin hat sich an der in Göttingen ansässigen Beklagten zu 2), einer Aktiengesellschaft, mit einer sofort zahlbaren Einlage von 42.000 DM und einer in monatlichen Raten zahlbaren weiteren Einlage von insgesamt 113.400 DM als atypisch stille Gesellschafterin beteiligt. Die Kapitalanlage wurde ihr durch die Beklagte zu 1) vermittelt, die ihren Sitz in München hat. Am 7.5.2002 hat sie die außerordentliche Kündigung des Gesellschaftsverhältnisses erklärt. Mit der beim LG München I eingereichten, noch nicht zugestellten Klage nimmt sie die Beklagten als Gesamtschuldner auf Rückgewähr der gezahlten Einlage bzw. Schadensersatz in dieser Höhe in Anspruch. Ferner will sie die Wirksamkeit ihrer außerordentlichen Kündigung festgestellt haben. Sie hat außerdem beantragt, das LG München I als für die Klage zuständiges Gericht zu bestimmen.
Die Beklagten halten es demgegenüber für zweckmäßig, das LG Göttingen zu bestimmen, da bei einer atypisch stillen Gesellschaft das Schwergewicht der Beteiligung am Sitz der Inhaberin liege und vor diesem Gericht auch schon eine Vielzahl gleichartiger Verfahren anhängig sei.
II. Zu bestimmen war das LG Göttingen.
1. Da die allgemeinen Gerichtsstände der beiden Beklagten in den Bezirken eines bayerischen und eines nichtbayerischen OLG liegen, ein bayerisches Gericht aber bereits mit der Sache befasst wurde, ist das BayObLG nach § 36 Abs. 2 ZPO, § 9 EGZPO für die Bestimmung zuständig.
2. Die Voraussetzungen einer Bestimmung nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO liegen vor.
a) Die Klägerin will die Beklagten als Streitgenossen verklagen. Das über den Bestimmungsantrag entscheidende Gericht hat zu prüfen, ob die Voraussetzungen eines Tatbestands der Streitgenossenschaft schlüssig vorgetragen sind, auch wenn die Schlüssigkeit der Klage darüber hinaus nicht geprüft wird (BayObLG v. 28.10.1997 – 1Z AR 974/97, MDR 1998, 180 [181]; Beschl. v. 26.4.2002 – 1Z AR 30/02, unter II. 3.; Zöller/Vollkommer, 23. Aufl., § 36 ZPO Rz. 18).
b) Der Gesetzgeber hat in § 60 ZPO den Begriff der Streitgenossenschaft im Interesse der Prozessökonomie weit gefasst. Neben dem in § 59 ZPO geregelten Fall, dass der tatsächliche und rechtliche Grund der gegen die Beklagten erhobenen Ansprüche identisch ist, lässt er in § 60 ZPO auch schon die Gleichartigkeit von Ansprüchen aufgrund eines im Wesentlichen gleichartigen tatsächlichen und rechtlichen Grundes genügen (BGH NJW 1975, 1228). Auch ohne Identität oder Gleichheit des tatsächlichen und rechtlichen Grundes der geltend gemachten Ansprüche ist daher Streitgenossenschaft anzunehmen, wenn diese Ansprüche in einem inneren Zusammenhang stehen, der sie ihrem Wesen nach als gleichartig erscheinen lässt (BGH v. 23.5.1990 – 1 ARZ 186/90, MDR 1991, 222 = NJW-RR 1991, 381; KG v. 27.6.2000 – 28 AR 171/99, KGReport 2000, 332 = MDR 2000, 1394).
c) In diesem Sinne sind die gegen die beiden Beklagten geltend gemachten Ansprüche im Wesentlichen gleichartig, obwohl die gegen die Beklagte zu 2) geltend gemachten Ansprüche auf der Verletzung der durch den Gesellschaftsvertrag – und durch die Verhandlungen über den Abschluss eines Gesellschaftsvertrages – begründeten Verpflichtungen beruhen, die gegen die Beklagte zu 1) erhobenen Ansprüche dagegen auf der Verletzung der den Vermittler einer Kapitalanlage treffenden Verpflichtungen; denn der innere Zusammenhang der Ansprüche wird dadurch begründet, dass die Pflichtverletzungen beider Parteien zum selben Ergebnis – dem Verlust der Einlage – geführt haben, und die Ansprüche daher auf dasselbe Ziel – die Rückerstattung der verlorenen Einlage – gerichtet sind.
d) Dass die Klägerin gegen die Beklagte zu 2) auch einen Feststellungsantrag stellen will, ist unter den hier gegebenen Umständen unbeachtlich (vgl. BayObLG v. 22.2.1990 – AR 1Z 12/90, NJW-RR 1990, 742; v. 3.4.1990 – AR 1Z 30/90, NJW-RR 1990, 1020; Zöller/Vollkommer, § 60 Rz. 7), zumal der zusätzliche Feststellungsantrag gegen diejenige Beklagte gestellt wird, die ihren allgemeinen Gerichtsstand bei dem vom Senat bestimmten Gericht hat.
e) Aus dem Vortrag der Klägerin ergibt sich kein gemeinsamer besonderer Gerichtsstand für die Klage. Insbesondere kommt § 22 ZPO nicht in Betracht. Der BGH hat diese Vorschrift zwar erweiternd dahin gehend ausgelegt, dass Mitglieder von Anlagegesellschaften Ansprüche gegen den der Prospekthaftung unterliegenden Personenkreis – zu dem nicht nur Gesellschafter gehö...