Leitsatz (amtlich)
Das Unterangebot eines Bieters, welches in mehreren Einzelpositionen Einheitspreise von 0,01 Euro bzw. 0,05 Euro enthält, kann dann von der Wertung ausgeschlossen werden, wenn der Bieter die niedrigen Preise deshalb aufgenommen hat, weil nach seiner Auffassung die betreffenden Leistungspositionen nicht erforderlich und nicht auszuführen sind, er die Vergabestelle nicht über seine Zweifel an diesen ausgeschriebenen Leistungspositionen in Kenntnis setzt und deshalb das Risiko einer nicht vertragsgerechten und nicht ordnungsgemäßen Leistungserbringung besteht.
Normenkette
VOB/A § 25 Nr. 2 Abs. 1; VOB/A § Nr. 3 Abs. 1
Verfahrensgang
Vergabekammer Nordbayern (Beschluss vom 25.06.2003; Aktenzeichen 320 VK-3194–18/03) |
Tenor
I. Auf die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss der Vergabekammer Nordbayern vom 25.6.2003 aufgehoben.
II. Der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin wird abgewiesen.
III. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens vor der Vergabekammer und die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen einschl. der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen der Beigeladenen. Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten durch die Antragsgegnerin und die Beigeladene im Verfahren vor der Vergabekammer war notwendig.
IV. Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 184.477,12 Euro festgesetzt.
Gründe
I. Die Antragsgegnerin (Vergabestelle) schrieb die Baumaßnahme Neubau einer Staatsstraße in kommunaler Sonderbaulast „Westumgehung …”, Straßenarbeiten Bau-km 0+000 bis 4+970, im Offenen Verfahren nach VOB/A Europaweit aus. In der Baubeschreibung zum Leistungsverzeichnis wies die Antragsgegnerin unter Ziff. 11 darauf hin, dass nach einem von ihr bei einem Baugrundinstitut eingeholten Sachverständigengutachten das ausgebaute Erdmaterial, größtenteils Löß bzw. Lößderivate, nicht ausreichend verdichtet werden könne und deshalb eine Untergrundstabilisierung mit hydraulischen Bindemitteln dringend erforderlich und in allen Bereichen durchzuführen sei. Im Bereich der Dammaufstandsflächen mit einer Höhe von über 2 m sei eine Kalkstabilisierung des anstehenden Erdreiches von 30 cm bis 40 cm und im Bereich der Einschnitte und der Dammaufstandsflächen unter 2 m Höhe eine Kalkstabilisierung von 50 cm vorzunehmen. Die Dammschüttungen seien in Lagen von bis max. 40 cm einzubauen und alle Dammschüttungen durch Einfräsen oder Untermischen von Kalk oder Zement zu stabilisieren.
Die Antragstellerin gab ein Hauptangebot ab und drei Nebenangebote, die jeweils Teilleistungen enthielten. Bei den Titeln 1.4 Erdbau, Geotextilien sowie 1.5 Leitungsgräben, Baugruben waren bei zahlreichen Positionen Einheitspreise von 0,01 Euro bzw 0,05 Euro enthalten, darunter auch für die Position „6.500 t Bindemittel für die Bodenverbesserung liefern” ein Einheitspreis von 0,01 Euro. Das Formular EFB Preis 2 – Aufgliederung wichtiger Einheitspreise – hatte die Antragstellerin nicht ausgefüllt, sondern mit dem Stempel „Wird im Auftragsfall nachgereicht” versehen.
Nach rechnerischer Prüfung lag das Angebot der Antragstellerin mit 3.689.543,03 Euro brutto an erster Stelle. Das Angebot der Beigeladenen mit 4.677.844,59 Euro lag an 6. Stelle. Am 2.4.2003 fanden Aufklärungsgespräche zu Fragen der Fachkunde, Zuverlässigkeit und Leistungsfähigkeit, Kalkulationsgrundlage und Angebotsdarstellung sowie zu Einzelpreiskalkulationen mit vier Bietern anhand eines vorbereiteten Fragenkatalogs statt. Auf die Frage, wie der niedrige Gesamtangebotspreis (799.000 Euro Preisunterschied zum Mittelbieter) zu erklären sei, gab die Antragstellerin an, dass sie sich nach eigenen Recherchen Gedanken über die Bodenverbesserung gemacht und dies in die Kalkulation aufgenommen habe. Der Boden müsse nur verbessert werden, wenn dies notwendig sei. Die mit 0,01 Euro berechneten Leistungen seien im Gesamtkonzept enthalten und zum Teil bei anderen Positionen mit einkalkuliert. Im Anschluss an dieses Aufklärungsgespräch erholte die Antragsgegnerin ein weiteres Baugrundgutachten, welches die Notwendigkeit von Bodenverbesserungsmaßnahmen gleichfalls bejahte, wenn auch nicht in dem Umfang des Erstgutachtens, da eine durchgehende Verbesserung des Dammbaumaterials nicht erforderlich sei.
Mit Schreiben vom 14.5.2003 teilte die Antragsgegnerin nach § 13 VgV mit, das Angebot der Antragstellerin werde ausgeschlossen. In einem Schreiben vom 15.5.2003 wurden als Gründe für den Ausschluss die Unvollständigkeit des Angebots wegen fehlender Nachunternehmererklärung, Zweifel an der Zuverlässigkeit wegen der Benennung eines nicht im bayerischen Vergabehandbuch benannten Kreditversicherers und die Wertung des Angebots als Spekulations- und Unterangebot genannt; es sei beabsichtigt, den Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen zu erteilen. Dieses lag nach dem ebenfalls wegen Abgabe von Unterangeboten erfolgten Ausschluss von drei weiteren Bietern und der Berichtigung eines Nachlasses mit 4.550.678,14 Euro nun an erster Stelle.
Die Antragstelleri...