Leitsatz (amtlich)
1. Wer als Aussonderungsberechtigter Einsicht in die Akte eines eröffneten Insolvenzverfahrens begehrt, ist nicht Partei im Sinne des § 299 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 4 Satz 1 InsO, sondern Dritter im Sinne des § 299 Abs. 2 ZPO i.V.m. § 4 Satz 1 InsO.
2. Jedenfalls im Umgang des vom Bundesgerichtshof (Urt. v. 11. Mai 2000, IX ZR 262/98, NJW 2000, 3777/3779 [juris Rn. 20-23]) anerkannten Auskunftsanspruchs des Aussonderungsberechtigten gegen den Insolvenzverwalter wird ein rechtliches Interesse des Aussonderungsberechtigten an der Akteneinsicht im Sinne des § 299 Abs. 2 ZPO i.V.m. § 4 Satz 1 InsO regelmäßig zu bejahen sein.
Verfahrensgang
AG München (Aktenzeichen 1507 IN 2920/22) |
Tenor
I. Der als "Beschluss" bezeichnete Bescheid des Amtsgerichts München vom 18. Dezember 2023, Az. 1507 IN 2920/22, wird aufgehoben.
II. Der Antragsgegner wird angewiesen, den Antrag der Antragstellerin vom 23. August 2023 auf Bewilligung von Einsicht in die Akte des Amtsgerichts München betreffend das Insolvenzverfahren mit dem Az. 1507 IN 2920/22 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats neu zu bescheiden.
III. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
IV. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Antragstellerin wendet sich unter Berufung auf ihre Stellung als Aussonderungsberechtigte gegen die Ablehnung ihres Antrags auf Einsicht in eine Insolvenzakte.
Nachdem der mit Beschluss vom 30. November 2022 bestellte vorläufige Insolvenzverwalter ein Gutachten erstattet hatte, eröffnete das Amtsgericht München (im Folgenden: Insolvenzgericht) aufgrund eines Eigenantrags vom 22. November 2022 am 9. Februar 2023 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der V. GmbH (im Folgenden auch: Schuldnerin); unter dem 10. Mai 2023 erstattete der Insolvenzverwalter den ersten Verwalterbericht.
Vor ihrer am 10. Mai 2019 im Handelsregister eingetragenen Umbenennung firmierte die Schuldnerin unter W. B. GmbH, deren alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer W. B. war. Mit notariellem Vertrag vom 29. Juli 2021 übertrug W. B. seinen Geschäftsanteil an der V. GmbH auf M. W., der zugleich unter Abberufung W. Bs. zum neuen alleinigen Geschäftsführer bestellt wurde.
Mit Schriftsatz vom 23. August 2023 erklärte der Bevollmächtigte der Antragstellerin gegenüber dem Insolvenzgericht, er sei wegen nicht zur Insolvenzmasse der Schuldnerin gehörender massefremder Gegenstände beauftragt, deren Aussonderung die Antragstellerin gegenüber dem Insolvenzverwalter bereits frühzeitig beansprucht habe. Nach der Information des Bevollmächtigten der Antragstellerin seien diese massefremden Gegenstände vom Insolvenzverwalter verwertet worden, weshalb um Übersendung des vom Insolvenzverwalter erstellten Gutachtens gebeten werde, in dem auch die massefremden Gegenstände bewertet worden seien.
Der hierzu angehörte Insolvenzverwalter erklärte mit Schreiben vom 16. September 2023, eine "B. I. GbR" sei weder am Insolvenzverfahren beteiligt noch dem Insolvenzverwalter anderweitig bekannt geworden; vielmehr sei die "B. G. GbR", die auch Forderungen wegen Mietrückständen zur Tabelle angemeldet habe, Vermieterin der schuldnerischen Geschäftsräume. Nach seinen Ermittlungen bestünden konkrete Anhaltspunkte dafür, "dass die Vermieterin bzw. die Eheleute B. mit unredlichen Handlungen, insbesondere mit vermutlich falschen Vertragsunterlagen, Eigentumsrechte an dem werthaltigen Anlagevermögen der Schuldnerin konstruiert haben könnten." Insoweit verwies er auf Punkt 3.8 seines Gutachtens vom 1. Februar 2023 sowie auf die Vorbemerkung zu seinem Bericht vom 10. Mai 2023. Er gehe davon aus, dass unter Berücksichtigung des Ergebnisses seiner Ermittlungen der Eigentumsnachweis und damit der Nachweis des Bestehens von Aussonderungsrechten der "B. G. GbR" nicht gelingen werde, weshalb die Herausgabe der streitbefangenen Gegenstände an die B. G. GbR verweigert worden sei. Selbst wenn ein Eigentumsnachweis gelingen sollte, bestünde zumindest ein Zurückbehaltungsrecht mit Blick auf erhebliche Ansprüche der Schuldnerin "gegen die Vermieterin bzw. gegen Frau und Herrn B.".
Hierauf reagierte der Bevollmächtigte der Antragstellerin mit Schriftsatz vom 2. November 2023, in welchem er ausführte, die B. G. GbR (mit H., K. und B. B. als Gesellschaftern) sei die Vermieterin des von der Schuldnerin genutzten Grundstücks, während die (allein antragstellende) B. I. GbR (zu deren Gesellschaftern über die genannten hinaus W. B. gehöre) ein Aussonderungsrecht an den Sachen geltend machen wolle, die Gegenstand des als Anlage zum Schriftsatz vorgelegten Kaufvertrags vom 30. Dezember 2019 seien. Im Kopf dieses Kaufvertrags wird die "B. I. GbR" genannt, während es vor den (auf beiden Seiten von Herrn W. B. geleisteten) Unterschriften heißt: "Unterschrift Käufer Herr W. B." bzw. "Unterschrift Verkäufer Fa. W. B. GmbH". Die ausgewiesenen Kaufpreise summieren sich auf 8.320,00 EUR netto bzw. 9.900,80 EUR brutto. Auf mehrfache Anschreiben eines...