Leitsatz (amtlich)
Weicht das verweisende Gericht bei der Prüfung der eigenen Zuständigkeit von der höchstrichterlichen bzw. der weit überwiegenden obergerichtlichen Rechtsprechung ab, auf die es von einer Partei hingewiesen wurde, und folgt ohne jede sachliche Auseinandersetzung einer Mindermeinung, so kann dies den Schluss auf eine rein ergebnisorientierte und damit schlechterdings nicht mehr nachvollziehbare und damit willkürliche Verweisung rechtfertigen.
Verfahrensgang
LG Nürnberg-Fürth (Aktenzeichen 9 O 3005/21) |
LG Potsdam (Aktenzeichen 2 O 303/21) |
Tenor
Örtlich zuständig ist das Landgericht Nürnberg-Fürth.
Gründe
I. Die im Bezirk des Landgerichts Nürnberg-Fürth wohnhafte Klägerin macht mit ihrer zu diesem Gericht erhobenen Klage vom 19. Mai 2021 gegen die im Bezirk des Landgerichts Braunschweig ansässige Beklagte Ansprüche aus § 826 BGB, § 311 Abs. 3 i. V. m. § 241 Abs. 2, § 280 Abs. 1 BGB, § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV sowie i. V. m. § 263 StGB auf Ersatz des Schadens geltend, der ihr aus einem im Jahr 2017 vorgenommenen Kauf eines Gebrauchtwagens von einem in Zossen im Bezirk des Landgerichts Potsdam ansässigen Händler entstanden sei.
Zur Klagebegründung hat sie vorgetragen, dass in dem Fahrzeug ein Motor der Baureihe EA189 eingebaut sei, der von Manipulationen an der Motorsteuersoftware durch eine unzulässige Abschaltvorrichtung betroffen sei. Die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Nürnberg-Fürth ergebe sich aus § 32 ZPO. Nach dem - von der Klägerin in Auszügen zitierten - Beschluss des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 18. Juli 2019, 1 AR 23/19 sei bei einem Anspruch aus § 826 BGB der Wohnsitz des Geschädigten als allgemeiner Sitz des Vermögens und somit Erfolgsort des § 826 BGB anzusehen.
Das Landgericht hat in seiner Eingangsverfügung vom 20. Juli 2021 unter Hinweis auf Entscheidungen des Oberlandesgerichts Hamm auf Bedenken hinsichtlich seiner örtlichen Zuständigkeit hingewiesen. Der alleinige Umstand, dass die Klagepartei ihren Wohnsitz zum Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrags im hiesigen Zuständigkeitsbereich gehabt habe, führe nicht automatisch zur Annahme der örtlichen Zuständigkeit des Landgerichts Nürnberg-Fürth. Soweit sich der Ort der behaupteten Verletzungshandlung (Täuschung bei Vertragsschluss) außerhalb des hiesigen Gerichtsbezirks befinde, komme es für die Frage der örtlichen Zuständigkeit vielmehr darauf an, wo die Erfüllungshandlungen im Sinne des § 362 BGB vorgenommen worden seien. Beim Barkauf sei der Erfüllungsort der Ort, an dem das Bargeld weggegeben werde. Nach dem bisherigen Vortrag der Klägerin sei anzunehmen, dass sich der Erfolgsort in Zossen (Brandenburg) befinde, zumal Barzahlung bei Abholung vereinbart worden sei. Es ist eine Stellungnahmefrist von 4 Wochen gesetzt worden.
Die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 21. Juli 2021, bei Gericht eingegangen am 22. Juli 2021, unter Hinweis auf einen Beschluss des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 25. Juni 2020, 1 AR 57/20 den Ausführungen zur Zuständigkeit widersprochen.
Das angerufene Gericht sei gemäß § 32 ZPO örtlich zuständig, denn ein Gerichtsstand sei auch dort begründet, wo der Vermögensschaden eingetreten sei, was vorliegend am Wohnsitz der Klagepartei der Fall sei. Sie habe durch Eingehung einer ungewollten Verbindlichkeit ihr gesamtes Vermögen dem Anspruch des Verkäufers auf Kaufpreiszahlung ausgesetzt. Wo und wie der Kaufpreis bezahlt worden sei, sei dagegen nicht entscheidend, da die Begleichung des Kaufpreises den Schaden nur perpetuiert habe. Soweit das Gericht seiner Auffassung nicht folgen sollte, werde beantragt, den Rechtsstreit an das Landgericht Potsdam zu verweisen.
Mit den Parteien mitgeteiltem Beschluss vom 23. Juli 2021 hat sich das Landgericht Nürnberg-Fürth für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das Landgericht Potsdam verwiesen. Die Beklagte habe ihren allgemeinen Gerichtsstand in Braunschweig, nicht im hiesigen Zuständigkeitsbereich. Das Landgericht Nürnberg-Fürth wäre ferner zuständig, wenn der Kaufvertrag im hiesigen Zuständigkeitsbereich geschlossen worden wäre, was nicht der Fall sei. Der alleinige Umstand, dass die Klagepartei den Wohnsitz zum Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrags im hiesigen Zuständigkeitsbereich gehabt habe, führe nicht automatisch zur Annahme der örtlichen Zuständigkeit des Landgerichts Nürnberg-Fürth. Soweit sich der Ort der behaupteten Verletzungshandlung (Täuschung bei Vertragsschluss) außerhalb des hiesigen Gerichtsbezirks befinde, komme es für die Frage der örtlichen Zuständigkeit vielmehr darauf an, wo die Erfüllungshandlungen im Sinne des § 362 BGB vorgenommen worden seien (OLG Hamm, NJW-RR 2019, 186). Beim Barkauf sei der Erfüllungsort der Ort, an dem das Bargeld weggegeben werde (OLG Hamm, Beschl. v. 27. Mai 2019, 32 SA 29/19). Nach dem Vortrag der Klägerin sei anzunehmen, dass sich der Erfolgsort in Zossen (Ort der Barzahlung) befinde, nicht aber im hiesigen Zuständigkeitsbereich. Etwas anderes ergebe...