Leitsatz (amtlich)
1. Grundsätzlich gehört die persönliche Kontaktaufnahme zwischen Betreuer und Betreutem zu den Aufgaben eines Betreuers, unabhängig davon, für welchen speziellen Aufgabenkreis er bestellt worden ist.
2. Wöchentliche Besuche eines Betreuers, der insbesondere auch für die Gesundheitsfürsorge bestellt ist, können im Einzelfall dann erforderlich und damit vergütungsfähig sein, wenn sie neben der Kontaktaufnahme der seelischen Stabilisierung und der Beseitigung einer Verwahrlosung des Betroffenen dienen und wenn die Hilfen durch staatliche oder private Organisationen offensichtlich nicht zu demselben Erfolg führen oder die Besuche durch den Betreuer mit wesentlich geringerem Aufwand erbracht werden können.
Normenkette
BGB § 1835 Abs. 1 S. 1, § 1836 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 Sätze 1-2, § Abs. 4 S. 1, §§ 1836a, 1897 Abs. 1, § 1901 Abs. 1, § 1908i Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
LG München II (Aktenzeichen 6 T 4574/02) |
AG Starnberg (Aktenzeichen XVII 214/00) |
Tenor
I. Die sofortige weitere Beschwerde gegen den Beschluss des LG München II vom 28.10.2002 wird zurückgewiesen.
II. Der Beteiligte hat die dem Betreuer entstandenen Kosten des Verfahrens der weiteren Beschwerde zu erstatten.
III. Der Geschäftswert des Verfahrens der weiteren Beschwerde wird auf 486,35 Euro festgesetzt.
Gründe
I. Für den vermögenslosen Betroffenen ist seit 8.8.2000 ein Berufsbetreuer für alle Angelegenheiten bestellt. Für den Zeitraum 1.4. bis 30.6.2002 stellte der Betreuer für seine Tätigkeit einen Betrag von 788,65 Euro und für die Auslagen einen Betrag von 237,07 Euro in Rechnung. Diesen Summen lagen aufgeführte 22,16 Stunden und mit dem PKW zurückgelegte 875 km zugrunde, die sich infolge wöchentlicher Besuche des Betreuers bei dem Betroffenen ergeben hatten. Das AG setzte am 3.7.2002 antragsgemäß einen Gesamtbetrag von 1.025,72 Euro fest.
Das LG hat die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde der Staatskasse, mit der diese auf der Grundlage von Besuchen in zweiwöchigem Abstand eine Herabsetzung auf 539,37 Euro erreichen wollte, am 28.10.2002 zurückgewiesen und die sofortige weitere Beschwerde zugelassen.
Mit ihrer sofortigen weiteren Beschwerde verfolgt die Staatskasse ihr Ziel weiter, eine Herabsetzung des Erstattungsbetrages zu erreichen.
II. Das Rechtsmittel ist zulässig, insbesondere vom LG zugelassen (§ 69e S. 1, § 56g Abs. 5 S. 2 FGG). In der Sache hat es keinen Erfolg.
1. Das LG hat seine Entscheidung folgendermaßen begründet:
Zwar stelle sich die Betreuung ihrem Wesen nach als bürgerlich-rechtlich geregelte gesetzliche Vertretung und nicht als persönliche Pflegeleistung und Hilfe dar mit der Folge, dass Akte rein tatsächlicher Zuwendung nicht mehr zur Betreuung gehörten und damit auch nicht vergütungsfähig seien. doch müsse auf der anderen Seite dem Betreuer ein gewisser Spielraum für tatsächliche Zuwendung gelassen werden. Zum Zweck des Aufbaus eines Vertrauensverhältnisses zwischen Betreuer und Betreutem halte die Rechtsprechung Hausbesuche in zwei- bis vierwöchigen Abständen in der Regel, also sofern nicht besondere Umstände etwas anderes rechtfertigten, für ausreichend. Im vorliegenden Fall habe der Betreuer gewichtige besondere Umstände aufgezeigt, die wöchentliche Besuche beim Betroffenen erforderlich erscheinen ließen. Bei einer Änderung der Besuchsfrequenz habe sich der Gesundheitszustand des Betroffenen dramatisch verschlechtert, da der Betreuer die einzige dauerhafte Bezugsperson des Betroffenen darstelle. Eine Abhilfe durch die Organisation weiterer Hilfsdienste sei nicht ersichtlich. Zur effektiven Betreuung in den wöchentlichen Aufgabenkreisen sei vielmehr der regelmäßige wöchentliche Kontakt in diesem besonderen Ausnahmefall erforderlich.
2. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung (§ 27 Abs. 1 FGG, § 546 ZPO) stand.
a) Wird ein Berufsbetreuer zum Zweck der Führung der Betreuung, das heißt mit dem Ziel der Erfüllung seiner Aufgaben, im Interesse des Betroffenen tätig, setzt sein Anspruch auf Vergütung (§ 1908i Abs. 1 S. z 1, § 1836 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 S. 1 und 2, § 1836a BGB, § 1 BVormVG) bzw. Aufwendungsersatz (§ 1835 Abs. 1 S. 1, Abs. 4 S. 1 BGB) grundsätzlich voraus, dass die fragliche Tätigkeit in den ihm übertragenen Aufgabenkreis fällt und er die Tätigkeit aus seiner Sicht nach den Umständen des Einzelfalles für erforderlich halten durfte (vgl. § 1 Abs. 1 S. 1 BVormVG, § 670 BGB; st. Rspr.; vgl. BayObLGZ 2001, 324 [325] m.w.N.). Die Betreuung ist eine rechtsfürsorgerische Tätigkeit; sie ist ihrem Wesen nach bürgerlich-rechtlich geregelte gesetzliche Vertretung (vgl. BayObLGZ 1998, 44 [45]). Dies zeigt schon die Überschrift „Rechtliche Betreuung” des Zweiten Titels des Vierten Buches des BGB. Ausdrücklich besagt der Gesetzeswortlaut des § 1901 Abs. 1 BGB, dass durch die Betreuung die Angelegenheiten des Betreuten rechtlich zu besorgen sind. Rein tatsächliche Hilfe- oder Pflegeleistungen hat der Betreuer grundsätzlich nicht zu erbringen, er ist lediglich für die Organisation der erforderlichen tatsächl...